Laryssa I. Bieling

Miramahelia


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Blocksberg. Sie werden dort alles Wichtige besprechen<<, flüstere Lilith. Quiril stieß sie erschrocken mit seinem kleinen Ärmchen an und hielt warnend seinen Zeigefinger vor den Mund, denn diese Nachricht durfte unter keinen Umständen in falsche Ohren gelangen.

      Die Warnung des kleinen Elfen kam leider Bruchteile von Sekunden zu spät und alles Flüstern nützte nichts mehr. Zwei nach Waldfrüchten suchende Morgos namens Gwent und Horwen hatten längst alles gehört. Diese Wesen kommen aus dem tiefsten Dunkel der Erde. Genau deshalb sehen sie auch so schlecht. Helligkeit sind sie nicht gewöhnt und Tageslicht macht sie sogar blind. Verlassen können sie sich nur auf ihre großen, spitzen Ohren und ihre lange Nase. Haben Morgos Angst oder wollen sie nicht, dass irgendjemand sie hört, sprechen sie Morgisch, das ist eine Art Geheimsprache. Sie funktioniert mittels Gedankenübertragung. Man muss sich das ungefähr so vorstellen, der eine denkt etwas und der andere hört diese Gedanken in seinem Innersten, was ungeheuer nützlich ist, denn sie leben in unterirdischen Bauten, die keiner entdecken soll. Dort gibt es nur ganz schwaches Licht. Dafür stellen sie Glühkäfer in ihre Dienste, die immer für ein paar Stunden mit dem Kopf nach unten und dem Hinterteil nach oben den Raum beleuchten. Der grünlich abfallende Schein dieser Beleuchtung ist ideal auf ihre Augen abgestimmt.

      Der Herr der Finsternis

      Nachdem die beiden Morgos, im dunklen Dickicht versteckt, das Wichtigste gehört hatten, schlichen sie mit dem direkten Ziel ihrem Gebieter Bericht zu erstatten davon. Der Herrscher der Dunkelheit war abgrundtief böse und wohnte tief in der Erde. Die Hitze des Erdinneren konnte auf lange Sicht auch nur jemand ertragen, der durch seine Boshaftigkeit von einer schweren inneren Kälte durchzogen war.

      Gwent sprach plötzlich in Morgisch zu Horwen.

      >>Hast du Angst?<< Er reagierte nicht. Natürlich hatte Horwen Angst, jeder hatte das! Selbst seine treusten Diener mussten ihn fürchten, weil er kein Herz hat und weil in ihm der Hass lebt, der sich von Ungeziefer ernährt. Seinen Namen weiß keiner, nicht einmal er selbst und sein Gesicht hat niemals zuvor jemand gesehen. Es ist verborgen unter einer großen schwarzen Kutte. Manche der Morgos erzählen sich, er hätte glühend rote Augen, mit denen er fähig sei, überall Orts hinzuschauen. Andere berichten, sie wären im Dunklen von irgendetwas angestarrt worden, als sie nach Nahrung suchten. Dann gibt es wiederum welche, die sagen, sie hätten die Augen glutrot durchbohrend nachts in ihrem Traum erspäht, denn ihr müsst wissen, dass er fähig ist, in Träume einzusteigen. Genau deshalb essen Morgos vor dem Schlafen immer eine ganz besondere Baumwurzel, Gnutz genannt. Sie verhindert die Träume, aus denen schon so manche Morgos nicht mehr erwacht sind. Das Gute an dieser Wurzel war aber auch, dass nach ihrem Genuss nichts und niemand mehr in der Lage war ihre Gedanken zu lesen. Das wollten sich Gwent und Horwen zunutze machen, kurz bevor sie die Unterwelt betreten würden. Dort war nämlich der, der keinen Namen hat, in der Lage, tief in ihren Köpfen zu lesen. Genau das wollten die Morgos natürlich nicht. Niemand sollte von ihren geheimsten Wünschen und Befürchtungen wissen. So kam es auf ihrem langen Weg ins Ungewisse zu Diskussionen.

      >>Horwen hast du den Gnutz eingesteckt?<<

      >>Na sicher!<<, entgegnete Horwen.

      >>Du glaubst doch wohl nicht, dass ich lebensmüde bin und unseren wichtigsten Schutz vergessen würde. Er ist hier hinten in meinem Bündel.<<

      >>Okay, dann zeig ihn mir! Ich muss mich unbedingt noch einmal vergewissern. Nicht, dass wir uns wegen deiner Vergesslichkeit in größte Gefahr begeben<<, sagte Gwent.

      >>Wie, du glaubst mir nicht?<<, knurrte Horwen und pfefferte das schwere Gepäck auf den Boden.

      >>Um was wetten wir, dass ich ihn dabei habe?<<

      >>Mit dir wetten, pah!<<, folgte in einem beißenden Ton von Gwent.

      >>Los, sei kein Spielverderber! Der Gewinner darf dem Meister die Botschaft überbringen<<, sagte Horwen.

      >>In Ordnung, dann wirst du aber wohl den Kürzeren ziehen!<<, zischte Gwent.

      Horwen kniete nieder, öffnete seinen verschlossenen Stoffbeutel und wühlte darin herum. Zum Vorschein kam ein kleiner grünbrauner Steinmörser mit einem dazugehörigen Becher, eine blaue Phiole, ein Kelch und eine Frucht namens Pika Vinotis. Ihr Geschmack gleicht dem des Weines und macht bei übermäßigem Genuss mindestens genauso betrunken. Doch wo war der Gnutz? Gwent schmunzelte gehässig und konnte sich einen Spruch nun nicht mehr verkneifen.

      >>Na, wo ist er denn? Ich dachte, du hast ihn so sicher verwahrt<<, sagte er bissig vor Schadenfreude. Horwen ließ sich nicht beirren, griff noch etwas tiefer hinein und öffnete ein kleines Geheimfach. Kaum war dort ein Spalt zu sehen, schlug ihm auch schon eine Schwade entgegen. Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht und verschlug Gwent sogleich die Sprache.

      >>Tja, da hast du dich wohl zu früh gefreut, hier ist er.<< Horwen nahm ihn in die Hand und hielt dabei die Luft an, als er ihn Gwent direkt unter den Riechkolben rieb. Der begann das kräftige Aroma, das dieser verlockend aussandte, zu inhalieren. Die lange Nase wackelte dabei in alle Richtungen und seine Nasenflügel wippten auf und ab.

      >>Na, wie riecht das?<<, fragte Horwen. Gwent verdrehte benommen die Augen und nuschelte sich vom Duft betört in den Bart.

      >>Das riecht wie ..., ja wie riecht denn das ... mmh?<<, sprach Gwent in einem etwas leiernden Ton. Da zog Horwen auch schon ruckartig den Gnutz wieder weg.

      >>Das riecht wie ein original Radix Gnutzelius Simplex Simplicissimus<<, grunzte er ihm zufrieden entgegen.

      Man muss wissen, dass die von den Morgos so heiß begehrte Wurzel eine sehr typisch penetrante Wolke hinter sich herzieht. Wenn man nach dem menschlichen Geruchssinn urteilt und ganz ehrlich ist, stinkt sie erbärmlich. Ihr kennt doch sicher diese Ausdünstungen von Socken, wenn man sie durchgehend fünf Tage bei Regenwetter in Gummistiefeln getragen hat. So in etwa riecht ein Gnutz, aber die Morgos sind ganz verrückt danach. Man kann sie damit regelrecht willenlos machen und so milde stimmen, dass sie für einen Gnutz um Gnade winseln würden. Um der Fresslust nicht schon vorher zu verfallen, steckte ihn Horwen schnell wieder ins Geheimfach.

      >>So, dann bin ich es wohl, der dem Meister die Nachricht überbringen darf<<, sagte Horwen stolz und hängte das Bündel über seine Schultern.

      Es dauerte eine Weile bis Gwent wieder klar denken konnte und der alte wahre Charakter, der durchaus nicht milde gestimmt war, zum Vorschein kam. Nun konnten die beiden ihren Weg durch die Nacht fortsetzen. Mit einer Machete schlugen sie sich den Weg durch das Dickicht frei, das sich aber nach dem Hindurchtreten sofort wieder schloss, als wäre hier niemals jemand gewesen. Plötzlich standen sie vor einem riesig großen Baum, der einen unglaublich breiten Stamm hatte. Etwa 100 Menschen hätten sich an den Händen halten müssen, um ihn umrunden zu können. Auf seinen Zweigen saßen kleine Feuergeister, die in den unterschiedlichsten Farben flackerten. Ihre Flammen warfen ein angenehm schwaches Licht ab, sodass die Morgos gut sehen konnten. Sie erblickten ein hölzernes Gesicht, durch dessen Nase ein goldener Türklopfer gezogen war.

      >>Wir sind da<<, sprach Horwen leise.

      >>Ja, ich glaube hier sind wir richtig. Das muss Umra sein, einer der besagten Geheimeingänge. Es ist das Tor, dass uns den Zutritt zum Herrn und Meister der Dunkelwelt gewähren muss .<<

      Um die beiden herum regte sich nichts, es war totenstill, ganz so, als würde der Baum schlafen. Sie zitterten vor Angst, denn jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis sie das Reich der Finsternis betreten und ihm begegnen würden. Horwen zog Gwent an seinem Arm beiseite und flüsterte ihm zu.

      >>Es wird Zeit, dass wir uns den Gnutz einverleiben!<<, sprach er nervös. Flink zog er ihn heraus, legte ihn in den Becher und zerdrückte ihn mit dem Steinmörser. Die entstandene Paste füllte er in den Kelch und übergoss sie mit dem Inhalt der blauen Phiole. Die wundersame Mischung fing zu sprudeln an und als sie sich aufgelöst hatte, war das Gebräu fertig, um von ihnen getrunken zu werden. Nach einigen kräftigen Schlucken stellte