Andreas Geist

Frau vor Sonnenuntergang


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      Andreas Geist

      Frau vor Sonnenuntergang

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Zitat

       Prolog

       1

       2

       3

       4

       5

       6

       7

       8

       9

       10

       11

       12

       13

       14

       15

       Epilog

       Impressum neobooks

      Zitat

       Der Tod nimmt alles weg, was Du nicht bist.

      Eckhard Tolle

      Prolog

      Wenn ich gewusst hätte, dass ich an diesem Tag dem Tod ins Auge blicken sollte, dann wäre ich dem ultimativen Charakter seines eher gewöhnlichen Morgens mit mehr Respekt begegnet.

      Oder auch nicht.

      Ich erwachte und fühlte zunächst nichts als unendliche Leere.

      Nachdem alles geschehen, im Strom der Zeit unverrückbar erstarrt war, blieb die Suche nach dem Warum. Ich zauberte wie ein Kleinkrämer die Erbsen der vergangenen Stunden aus dem Sack der gelebten Zeit, um sie auf meiner Hand in einem sinnvollen Muster anzuordnen. Dieses Muster aber war so gut oder schlecht wie jedes andere und konnte die Frage nach dem einen Sinn schon deshalb nicht beantworten. Ich warf die Aufgabe erschöpft und ungelöst zurück in den Sack der Ereignisse. In der anbrechenden Ewigkeit hätte ich dafür vermutlich alle Zeit wenn auch nicht mehr dieser Welt.

      Vielleicht aber verbarg sich im Chaos meines Erbsensackes doch ein geheimnisvoller Kosmos. Vielleicht erschuf alleine das Loslassen eine Ordnung, die nicht gemacht war, sondern einer zarten, inneren Melodie der Dinge entsprang, die man nur hörte, wenn man nicht geräuschvoll an ihr herummanipulierte.

      Ich entschied mich in diesem entscheidenden Moment endlich einmal zu rücksichtsloser Ehrlichkeit.

      Die Zeit, auf die ich zurückblickte, war keine Perlschnur von Ereignissen, die sich aus dem und jenem Grund aus vorangegangenen Ereignissen sinnvoll entwickelten, und nun den Eindruck erweckten, alles sei einem großen Plan gefolgt, habe eine lange Kausalkette hinterlassen, die nur so und nicht anders aussehen könne.

      Pustekuchen oder vielmehr Erbsenkuchen.

      Mein Leben war immer ein Schiffchen gewesen, das Winden und Strömungen folgte, auch wenn mir der Gedanke schmeichelte, ich hätte hin und wieder mit dem Schlag meiner winzigen Paddel das Meer unter mir in Aufruhr versetzt.

      An der Schwelle, die jene vermeintlich absolute ist zu einer anderen Welt oder dem Nichts - die Entscheidung fällt unglücklicherweise erst auf der gegenüberliegenden Seite - sah ich aus gehörigem Abstand, wie der Schlingerkurs der geschenkten Zeit letztlich verlaufen war. Das meiste in meinem Leben war vollkommen ohne Bedeutung.

      Ich wünschte in diesem Moment, ich könnte ihnen ein Lächeln der Gelassenheit auf meinen Lippen hinterlassen, damit diese schlichte, universelle Erkenntnis für sie konserviert bliebe und damit etwas, das nicht Schmerz war.

      Ich erkannte, dass der Tod sich jedem Urteil entzog, denn er gehörte in ein anderes Universum, in dem die Gesetze des Diesseits keine Gültigkeit hatten.

      Der eine oder andere mochte sich mit seinem letzten Ausatmen auf die Schulter klopfen, weil er in seinen Lebenskurs mit viel Fantasie eine Gerade hineininterpolieren konnte.

      Der letzte Tag, die letzte Minute, der letzte Atemzug selbst entzog sich aber jedem noch so schönen Plan, und es war bei Lebzeiten angebracht, die Bedeutung des narzisstischen roten Fadens, der unumkehrbar abriss, nicht über zu bewerten.

      Ja, wenn man dem Sensenmann ein Schnippchen schlagen und das Finale selbst in die Hand nehmen würde, dann könnte man dem Gesamtkunstwerk die letzte Politur verabreichen, die Unvollendete vollenden, doch bestand ihre Schönheit nicht gerade darin, dass sie geheimnisvoll blieb und der Fantasie Raum ließ?

      Begingen die Stoiker vielleicht deshalb regelmäßig Selbstmord, weil sie nur so ihr Erbsenzählerdasein mit einem für sie erträglichen Schlussakkord ausklingen lassen konnten?

      Ich schloss für einen Moment die Augen. Mir war schwindelig. Zu viele Gedanken und Bilder rasten durch meinen Kopf. Vielleicht schüttete der Körper kurz vor seinem Ende Hormone aus, die dieses Feuerwerk in meinem Gehirn veranstalteten. Mir war übel und ich bekam Kopfschmerzen.

      In Gedanken fuhr ich noch einmal den Weg ab, der mich an diesen Ort geführt hatte. Niemals hätte ich von einem schmutzigen und gewöhnlichen Quadratmeter Waldboden erwartet, dass er zu meinem einsamen Startplatz in die Ewigkeit würde. Der Countdown lief unerbittlich und alle Anzeigen standen auf GO.

      1

      Der Morgen lag in einem Dämmerlicht, das den ganzen Tag prägen würde. Es war kalt und die Feuchtigkeit kroch in jede Ritze.

      Ein typischer Januartag. Der Schwarzwald zeigte sich in diesem Monat für gewöhnlich unentschlossen. Er trauerte dem Winter nach, der nicht stattgefunden hatte, und sehnte sich schon einen Augenblick später nach dem Frühling, der häufig ebenso unkonkret zu sein pflegte. Was herauskam war, als mischte man ein kräftiges Schwarz mit einem leuchtenden Weiß um ein enttäuschendes, schmutziges Grau zu kreieren.

      Ich ließ mich von der tristen Stimmung nicht vereinnahmen. Es war eine Erkenntnis vergangener Jahre geworden, dass ich der Melancholie am besten begegnete, indem ich in die Pedale trat.

      Es war ein Samstagmorgen, zu dem sehr gut ein langes Ausschlafen,