Markus Wilken

DURCH DIE CORONA KRISE


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Richtung ist nichts mehr zu hören, was auch? Es ist nicht die Zeit für Worthülsen und andere Sinnlosigkeiten. Menschen schreiben Geschichte, sie schreiben unsere Geschichte. Es wurde über bundesweite Ausgangssperren diskutiert. Auch ohne diese gingen Menschen auf Distanz und hielten Abstand. Nicht alle Menschen hielten sich an die Empfehlungen. Dieses wäre aber auch bei einer formellen Ausgangssperre nicht anders zu erwarten gewesen. Es wird über die Rückkehr, über das langsame Hochfahren der Gesellschaft gesprochen. Politiker beziehen Stellung, klar, deutlich und vor allem unaufgeregt und konstruktiv. Die Wahrheit ist manchmal schmerzhaft und dennoch ist es richtig und wichtig sie auszusprechen.

      Es ist mutig, ehrlich zu sein und dem Weg der Überzeugungen zu folgen. Es ist an der Zeit, unseren gewählten Vertretern den Respekt zukommen zulassen, den sie verdienen. Es ist die Zeit der ruhigen Töne und der besonnenen Strategien. Wenn eine non-lineare Ordnung gerade das Land durcheinanderwirbelt, ist es Zeit für ungewöhnliche Lösungen. Ich hoffe sie finden eine gute Sprache und einen guten Rahmen, damit wir im nächsten Jahr mit etwas Abstand zurückblicken können und denken: Geschafft.

      Kapitel 2: Schmetterlinge im System

       „Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?“vi Eine absurd klingende Frage und dennoch ist es der Titel eines wissenschaftlichen Vortrags, welcher unsere Vorstellung über Zusammenhänge und Logik ordentlich durcheinander rüttelt. Beginnen wir die Geschichte am Anfang. Der Name des Schmetterlingseffekts geht auf den Meteorologen Edward Lorenz zurück. Ziel war es, ein möglichst präzises Computermodell zur Wettervorhersage zu entwickeln. Er nahm eine Vielzahl von Faktoren auf, um möglichst präzise vorhersagen zu können, ob Sie morgen besser einen Schirm oder die Sonnencreme mit auf den Spaziergang nehmen sollten. Das Ergebnis war: Absolutes Chaos. Das Wetter machte im Modell einfach was es wollte. Kleinste Abweichungen führten zu großen Veränderungen. Seinem Modell zur Folge konnte ein Flügelschlag in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen.

      Wir denken an eine Kettenreaktion. Wir bauen eine Reihe von Dominosteinen auf und durch das Anschubsen eines Steines fallen auch alle anderen Steine. Jedoch ist uns beim Aufbau der Dominosteine bereits bewusst, was wir dort aufbauen. Auch ein Schneeballsystem, wie es gerade auf wirtschaftlicher Ebene allerorts zusammenbricht, ist darauf ausgelegt zusammenzubrechen. Der Schmetterling selbst jedoch hat nicht die Absicht einen Tornado auszulösen. Er hat gar keine Absicht. Er fliegt einfach. Der Effekt jedoch ist, dass ein Tornado über Texas hinwegzieht. Der wahre Kern des Schmetterlingseffekts steckt in der Unvorhersehbarkeit bestimmter Phänomene, die als deterministisch chaotisches Verhalten bezeichnet werden.vii Deterministisch, also einer bestimmten Regel folgend, und Chaos, ist das nicht ein Widerspruch in sich? Mathematisch auf keinen Fall und auch verschiedene Beispiele aus der Meteorologie, unserem Planetensystem und der Kommunikation zeigen ähnlich deterministisch chaotische Muster. So war es kein Zufall, dass ich im Rahmen meines Psychologiestudiums unter anderem bei Jürgen Kriz, intensiv in Kontakt mit der Chaosforschung kam. Der Schmetterling war seit dieser Zeit die Vorlage für eine Vielzahl von Filmen, wissenschaftlichen Artikeln, psychotherapeutischen Schulen, politscher Beiträge und Studien.viii Er wurde ausreichend gewürdigt und doch blieb er lange das, was Modelle so an sich haben: Sehr abstrakt! Theoretisch war es vorstellbar, dass irgendein Schmetterling gerade für die Windbewegungen vor meinem Fenster verantwortlich ist. Es war ein gängiger Scherz bei meinem Kommilitonen und mir, wann immer unsere Seminararbeiten nicht fertig werden wollten oder wir zu spät zur Vorlesung kamen. Immer dann hatte ein Schmetterling den Windhauch ausgelöst, der dem baufälligen Haus, in dem ich lebte, den Rest gegeben hatte und es zum Einstürzen brachte. Einem Pferdeschweifschlag ist es zu verdanken, dass ich mich aber gerade noch retten konnte. Für meine Seminararbeit kam jedoch jede Rettung zu spät. Machen wir uns nichts vor, der Schmetterlingseffekt wurde gerne bemüht, aber solche Freakphänomene treten nur in der Matrix oder in Berechnungen auf. Es kam uns doch arg weit hergeholt vor. Bis ein kleiner Virus sich über die Welt verbreitet hat.

      Der Schmetterling ist ein Virus

      Er trägt den Namen: COVID-19, wird landläufig als Corona Virus bezeichnet und gehört zu der Gruppe der Grippe-Viren. Er ist so klein, dass wir ihn nicht sehen können und so wirkmächtig, dass er die Welt der Menschen, um es kurzzufassen, vollständig lahmgelegt hat. Für den historischen Leser, wir schreiben das Jahr 2020, es ist der 31. März und auf der ganzen Welt fliegen kaum Flugzeuge mehr, kein Restaurant hat geöffnet, die Industrieproduktion ist eingeschränkt, in Deutschland dürfen wir nur noch zu zweit auf die Straße. Versammlungen sind verboten. Geschäfte haben geschlossen. Kirchen, Synagogen und Moscheen haben geschlossen. Menschen dürfen keine Partys mehr feiern. Es ist kein größenwahnsinnig-paranoider Diktator am Werk, es ist ein Virus. Ein kleiner Virus hat Kontinente in den Hausarrest gesteckt und wenn es die Pressefreiheit nicht geben würde, wären alle Freiheitsrechte ausgesetzt. Ein kleiner Virus, welcher sich erst in China verbreitet. Aus ein paar Infektionen in einer kleinen Industrieenklave im Dezember 2019 hat sich eine Pandemie entwickelt mit weltweit 622.450 Infektionen, Aktuell sind 457.877 Menschen infiziert, 135.779 genesen und 28.794 Menschen gestorben (Stand 28.3.2020).

      Wie konnte das geschehen? Die Basis der Verbreitung eines Virus ist, dass dieser weitergegeben wird. Es braucht einen Wirt und einen Huster und einen Virus, der sich leicht überträgt und sich dann festsetzt. So wird der Virus weitergetragen von Wirt zu Wirt. Als weitere Faktoren setzen wir einen Wirt in ein Flugzeug und tragen diesen Virus weiter auf weitere Wirte und ab diesem Zeitpunkt ist die Dynamik nicht mehr zu stoppen, denn von Wuhan reist der Virus nach Peking von Peking nach Venedig, Madrid, Riad, München. Von dort aus reist er nach Ischgl, New York, San Francisco, Düsseldorf und so weiter und so fort. Innerhalb kürzester Zeit gibt es selbst auf den kleinsten Inseln jemanden der mit jemandem in Kontakt gekommen ist, der mit jemandem in Kontakt gekommen ist. Ein Schmetterling in Wuhan hat einen Tornado um die ganze Welt geschickt. Jetzt in der sozialen Isolation schauen wir auf die Zahlen die täglich steigen und können es kaum glauben. Es gibt den Schmetterlingseffekt wirklich und die vollen Ausmaße dieses Tornados sind bisher noch nicht auszumachen.

      Neben dieser Infektionsdynamik gibt es jedoch auch eine non-lineare Psychodynamik. Welche von „Das ist in China und damit ganz weit weg.“ über „Das ist nur Grippe und nur für Menschen über 85 Jahren gefährlich!“ hin zu „Ok, es scheint doch wohl etwas ernster zu sein“, und zu Panikkäufen von Jahresbedarfen an Toilettenpapier reichte. Zunächst galt es als Panikmache, wenn Menschen die Situation als ernst beschrieben. Jetzt gilt es als asozial und unempathisch auf der Straße stehen zu bleiben und mit dem Nachbarn zu reden. Die Dynamik ist ebenfalls non-linear und folgt doch einer Ordnung. Schauen wir noch einmal genau hin. Wir befinden uns im Januar des Jahres 2020. Die Wirtschaft brummt, die Börsen verzeichnen Rekorde. Menschen kaufen Häuser, Fernseher und Handtaschen im Wert eines Kleinwagens. Die Stimmung ist: „Everything goes!“. Die Chinesen tun uns leid. Jedoch dringen auch kaum Bilder an die Öffentlichkeit, es herrscht Ausgangssperre. Die Flüge nach China werden gestrichen. Damit sind wir sicher und abgeschirmt. Der Monat geht so dahin und verschiedene Erklärungen werden angeboten, warum die Epidemie nicht nach Europa schwappt. Ich selbst war der Meinung, es ist für Europäer vielleicht gar nicht so gefährlich. Es ist die Phase der Verleugnung, des psychischen Widerstandes gegen eine Bedrohung der wir machtlos gegenüberstehen. Die Tsunami-Welle wird schon nicht hier eintreffen.

      Dann verbreitet sich der Virus in Italien, rasend schnell und ohne rechte Erklärung, wie der Virus es ausgerechnet nach Norditalien geschafft hat. Der Virus kommt näher. Es gibt Auflagen für Flüge. Die Flughäfen leeren sich. Der Virus rückt näher, aber er ist immer noch ausreichend weit weg. Es setzt ein Unwohlsein ein. Firmen ordnen an, dass die Mitarbeiter nur noch im Notfall auf Geschäftsreisen gehen sollen. Die Stimmung ändert sich merklich. Toilettenpapier wird zu einer heißbegehrten Ware. Die Geschäfte leeren sich langsam, nicht so sehr die Waren, aber Menschen bleiben den Geschäften fern. Niemand will es so recht zugeben, aber die Gesellschaft ist aus dem Takt geraten. Der wirtschaftliche Walzer wird hakelig und unrund. Es gibt die ersten Diskussionen über Großveranstaltungen. Messen werden in Frage gestellt. Und die Frage bleibt: „Ist das nicht alles ein wenig übertrieben?“ „Es ist doch noch so weit