Ralph Ardnassak

Die Mutter der Macht. Ein Mensch namens Mao Tse-tung.


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unter Druck zu setzen, um sie auf diese Weise von der Guerilla zu trennen, so führt dies in der Regel zur Stärkung der Guerillabewegung, da die Armee oft zu Mitteln des Zwanges, der Folter, der Erschießung von Zivilisten oder deren Zwangsaussiedung greift.

      Es kann sinnvoll sein, dass die Guerilla selbst Zwangsmaßnahmen gegenüber der Zivilbevölkerung anwendet, um diese durch das Arsenal dieser Mittel gefügig zu machen. Solche Zwangsmaßnahmen können sein: gezielter Terror durch Erschießung, Folter und Vergewaltigung, erzwungene Unterstützung durch Geld, Nahrung, Medikamente und Material sowie durch Zwangsrekrutierungen für die Guerilla.

      Es ist nicht gut, wenn die Bevölkerung eines Gebietes neutral bleibt, weil sie dadurch den Regierungstruppen die Möglichkeit zur Anwendung massiver Kriegsmittel gibt oder womöglich sogar mit den Regierungstruppen kooperiert.

      Die Zivilbevölkerung darf daher gar keine Wahl haben. Sie muss gezwungen sein, sich für eine der beiden Seiten zu entscheiden.

      Gut ist es daher, die Zivilbevölkerung über korrupte und kriminelle Regierungsvertreter zu informieren und aufzuklären und über Streitkräfte, die nur ihre eigenen Ziele, beispielsweise durch Plünderungen, verfolgen, anstatt dem Staat zu dienen, wie es ihnen ihr Eid gebietet.

      Es muss daher vor allem verhindert werden, dass der Gegner die wirtschaftliche Lage der Zivilbevölkerung verbessert, um sie auf diese Weise zu gewinnen.

      Es muss ferner verhindert werden, dass der Gegner eine Kontraguerilla schafft, die Gräueltaten anrichtet, welche der eigentlichen Guerilla angelastet werden, um sie in den Augen der Zivilbevölkerung zu diskreditieren.

      Jede kämpfende Guerillaeinheit soll die Nöte und Ziele der Zivilbevölkerung kennen und teilen. Keinesfalls darf bei der Zivilbevölkerung der Eindruck entstehen, dass die Guerilla aus persönlichen Motiven heraus kämpft. Die Zivilbevölkerung muss glauben, die Guerilla kämpfe für sie.

      Werden diese Grundsätze beherzigt, dass ist ein Guerillakampf für den Gegner mit rein militärischen Mitteln im Grunde nicht zu gewinnen.

      Die fehlende Unterscheidbarkeit zwischen Guerilla und Zivilbevölkerung lähmt den Gegner und macht es ihm schließlich unmöglich, überhaupt noch militärische Maßnahmen zu ergreifen, aus Angst, dadurch möglicherweise die Zivilbevölkerung zu treffen und nicht die Guerilla.

      Dies führt dazu, dass der Gegner den Guerillakampf politisch lösen muss, indem er auf die Ziele der Guerilla eingeht und diese ganz oder zumindest in Teilen erfüllt. Tut er das nicht, entfremdet er sich immer weiter von der Zivilbevölkerung.

      Die Vorteile der Guerillataktik bestehen zweifellos darin, dass zu ihrer Umsetzung keine militärisch ausgebildeten Personen erforderlich sind. Jede von Hass beseelte Person ist dazu in der Lage, durch die konsequente Anwendung der Guerillataktik einem Feind den größten Schaden zuzufügen.

      Für viele Aktionen der Guerilla, wie beispielsweise Sabotageakte, sind weder Bewaffnung, noch Erfahrung vonnöten.

      Die Guerillataktik zwingt die gegnerische Armee dazu, einen Eroberungskrieg im eigenen Land führen zu müssen, indem die Armee die Guerilla aufspürt und vernichtet.

      Dazu wird die Armee im großen Stil Straßensperren errichten, Ausgangssperren verhängen, Hausdurchsuchungen und Passkontrollen durchführen. Diese Maßnahmen ziehen schließlich den Unmut, ja den Hass der Zivilbevölkerung auf sich, während die Guerilla sich bei der Zivilbevölkerung verstecken und aus diesem Hinterhalt heraus militärisch zuschlagen kann.

      Die Guerilla kann sich bei der Zivilbevölkerung verstecken und aus diesem Schutz heraus immer dort zuschlagen, wo der Feind am schwächsten ist und wo sie ihn daher am empfindlichsten trifft. Der Feind kann indes keinerlei militärische Vergeltungsmaßnahmen initiieren, da jede dieser Maßnahmen zugleich auch die Zivilbevölkerung treffen und deren Hass auf die reguläre Armee verstärken würde.

      Die Guerillataktik hat jedoch auch ihre Nachteile. Diese bestehen beispielsweise darin, dass unausgebildete und schlecht gerüstete Guerilleros der regulären Armee meist nur Nadelstiche versetzen können.

      Daher kann sich der Guerillakampf über Jahre und Jahrzehnte erstrecken, da der Guerillero den gut gerüsteten Feind nicht entscheidend schlagen kann.

      Reagiert der Gegner schließlich durch Terror gegen die Zivilbevölkerung, so kann dies letztendlich zum Hass der Zivilbevölkerung auf die Guerilla, als dem vermeintlichen Urheber dieser Terrormaßnahmen führen.

      Will die Guerilla erfolgreich sein, so muss sie zu einem Punkt kommen, an dem sie beginnt, sich straff zu organisieren und feste Strukturen zu schaffen. Geschieht dies jedoch zu früh oder unvorsichtig, so wird es dem Feind leicht möglich, sämtliche Strukturen der Guerilla durch Verhaftungen und Liquidierungen aufzurollen und zu vernichten.

      Um Boden zu gewinnen und dauerhaft zu halten, darf jedoch keine Guerilla zu lange unorganisiert bleiben.

      II

      Mao hielt sich mit seinen Getreuen im Jinggang-Gebirge verborgen. Getreu seiner Theorie, wonach ein Guerillero im Volke schwimmen müsse, wie ein Fisch im Wasser, arbeitete Mao Tse-tung in dieser Zeit unermüdlich an der Vertiefung des Bündnisses, das zwischen den Guerilleros und den Bauern der Region bestand. Mit Erfolg. Bereits im Jahre 1928 dominierte Maos Truppe ein Gebiet, welches von annähernd einer halben Million Menschen bewohnt war, die sie mit allen notwendigen Dingen nach Kräften unterstützten.

      Der unausgesetzte militärische Druck der Kuomintang auf das Zentrum der Guerilla führte schließlich dazu, dass Mao das Zentrum seiner Stützpunkte etwas weiter in Richtung Süden verlagerte.

      Im Jahre 1931 kam es im Gebiet, welches von den Guerilleros beherrscht wurde, schließlich zur Gründung der Jiangxi-Sowjetrepublik.

      Für Mao war diese Zeit jedoch keineswegs frei von Machtkämpfen, die er mit denjenigen Gruppierungen unter den Guerilleros ausfocht, welche sich stark an der Komintern orientierten.

      Der Jiangxi-Sowjet bestand von 1931 bis 1934, nachdem Mao unter dem Druck der Kuomintang ausgewichen und sich mit seinen Getreuen im Grenzgebiet von Jiangxi und Fujian niedergelassen hatte.

      Jiangxi ist eine Binnenprovinz Chinas, die sich südlich des Jangtsekiang befindet.

      Im Norden grenzt sich an Hubei und Anhui, im Osten an Zhejiang und Fujian, im Süden an Guangdong und im Westen an Hunan.

      Dominiert wird diese Provinz durch den 751 Kilometer langen Gan-Fluss, welcher dem Gebiet auch seinen Namen gab.

      Von Süden nach Norden durchquert dieser Fluss die Provinz, ehe er schließlich in den Poyang-See einmündet. Ganze Teile der Provinz Jiangxi bestehen aus ausgedehnten Süßwasserflächen.

      Bedeutendste Süßwasserfläche ist mit 3.600 Quadratkilometern der gewaltige Poyang-See, die größte Süßwasserfläche Chinas überhaupt. Nach dem Hochwasser erreicht er mitunter eine Fläche von annähernd 5.000 Quadratkilometern.

      Zwischen Trockenzeit und Monsun kann der Unterschied im Wasserstand dieses Sees bis zu 20 Meter betragen. Während der Trockenzeit hingegen, schrumpft die gewaltige Wasserfläche bis auf gut 1.000 Quadratkilometer und bietet dann zahlreichen Wasservögeln ein Winterquartier.

      Auf dem Poyang-See fand 1363 die wichtige Flottenschlacht gegen den Han-Prinzen statt, die schließlich zur Etablierung der Ming-Dynastie führte.

      Im Norden ist das Land der Provinz Jiangxi beinahe völlig eben. Erst nach Süden hin steigt das Land an.

      Hier befindet sich das Tal des Gan-Flusses, welches im Osten, im Süden und im Westen von Bergen umgeben ist.

      Im Osten grenzt das Wuyi-Gebirge, Wuyi Shan genannt, mit seinen immergrünen Laub- und Nadelwäldern, darunter Gingkobäume, die 700 Jahre und älter sind, mit dem gut schiffbaren Fluss der neun Windungen und den 36 imposanten Felssäulen an seinen Ufern, die Provinz Jiangxi gegen das benachbarte Fujian hin ab. Auch sprachlich bildet das Wuyi-Gebirge eine Grenze. Während man in Jiangxi Nordchinesisch spricht, sprechen die Bewohner Fujians bereits die dem Taiwanesischen nahe