Ludwig Wolf

Unter den Bäumen des Himmels


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dreifarbigen Glückskatze zu sein, deren deformierter Schädel, von hinten her überfahren und wirklich sauber plattgewalzt, die Kiefer unnatürlich weit und gespreizt und vollkommen intakt, schief röchelnd von sich nach vorn wie ein paar nutzloser Flügel von sich drückte. Inmitten des musigen Breies bildete das atmende Wesen rötliche Schaumbläschen; dort wo die abgerissene Luftröhre aus dem organischen Elend ragte.

      Um diese frühe Tageszeit, noch bar jeden kontrollierbaren Gedankens und also blank wie ein frisch ausgepackter CD-Rohling, hatte das Geschehen doch eine stimulierende Wirkung die weit über jene der zwei Tassen Kaffee hinausging, die er sich morgens verabreichen musste, um überhaupt aus dem Haus und in die Arbeit zu kommen. Oder überhaupt irgendwohin. Wie er es schaffte vorher aus dem Bett und zur Kaffeemaschine zu kommen, diese auch noch zu bedienen, ein ungelöstes Rätsel, selbst für ihn selbst. Im Moment jedenfalls, lediglich auf den Kollegen wartend, der ihn zur Arbeit mitnahm, sich leicht darüber wundernd, dass nichts von der ganzen Blutsoße auf ihm gelandet war, war glasklar, was zuerst zu tun war. Ohne zu zögern trat er dem Tier das heraushängende Gehirn aus, nahm beruhigt wahr, dass der Körper sein blasebalgartiges Dasein beendete und endlich still liegen blieb. Erlöst. Was man von jenem, trotz bereits fortgeschrittenen Alters von siebenundzwanzig Jahren, immer noch Halbstarken, der das Tier mit seinem lächerlichen Schwanzersatz samt Rennstreifen und Breitreifen ins Jenseits befördert hatte, nicht gerade behaupten konnte. Dieses Mitglied der neuen, noch schlimmeren Softiegeneration als es die alte Generation war, die Mitglieder, die ständig eine dicke Lippe riskierten und mit solch großer Freude unverändert seit Säuglingszeiten an Mutters Rockzipfel hingen wie es die Zecken an wolligen Schafwänsten tun, wie sie ihr faunbäuchiges Dasein in einem Fort voll und voller saugten, es maßlos aufblähten, was eigentlich der Hauptgrund dafür war, dass diese feigen Milchbubis nie eine Frau lange genug im Bett halten konnten. Solange, dass die Frau ihnen wirklich einmal das Bewusstsein bis zum Urgrund löschen konnte. Bis zu jenem Zustand, nach dem man den eigenen Schwanz nur als dumb gefühllose Schwere und seine Eier als schmerzendes Zwillingspaar erfuhr. Dafür bot Pension Mammi Speis und Trank, gratis Unterhosenwaschen und unbegrenzten Kredit, sollte mal das neueste Handy oder Ähnliches dringend benötigt werden. Doofe Dödel bekamen nur halbsteifen Sex. Gottseidank. Das Leben wäre sonst wirklich ungerecht.

      Josef war erstaunt, dass er zu solch unduldsamer Intoleranz neigte, zu genussvoll ausgekosteter Rachsucht. Wie ein unverdorbenes Kindergartenkind.

      „Sohn, was soll ich dir denn morgen kochen wenn du von der Arbeit nach Hause kommst? Pikant oder eher Süß? Ein hübsch krosses Schnitzerl oder goldgelb gebackene Apfelradeln? Ich mach dir was du dir wünscht. Unser Alter frisst eh alles was ich ihm vorsetze, gell Schatzi?“

      Ja, Josef konnte sich die Bilder sogar noch plumper ausmalen, genoß es sehr. So lief das wirklich mit diesen Jungs, ja, das tat es. Josef war überzeugt davon. Und diese verwöhnten Schlappschwänze, die eh keiner ernst nahm, die hatten keine Ahnung warum ihre Freundin nur mit halber Kraft oder gar mit null Knoten lief, wenn sie endlich abgefüllt nach Hause kamen. Geil ficken auch noch nachdem Mutti eh schon das beste Programm war? Da kriegt der Junge doch besser ein leidlich kühles Bier kredenzt und die Bundesliga dazu. Den geilen Sex holt sich die Freundin am nächsten Tag beim Fitnesslehrer ab. Mit Sixpack fährt Frau viel besser als mit Bierbauch. Da konnte einfach in tiefere Regionen vorgestoßen werden als mit Muttis Verzärteltem. Der konnte derweil ja zuhause in der Garage die Breitreifen wuchten oder irgendwelche steilen Alufelgen aufziehen. Ja, als Freundin übte man da besser an den vielen Geräten im Studio, die hatten erotisches Potential, die trieben Schweiß und shapeten Bodies, und der fachkundige Bizepstrainer bot frei Haus die geilsten Gelegenheiten dazu. Herrlich! Josef fühlte sich wunderbar bei diesem geistigen Rachefeldzug, gleichsam von seiner eigenen, unausgesprochenen Niveaulosigkeit reich getröstet.

      Wie dem auch sei; - darüber hinaus brachte der ganze abgeschmackte Psychoschas der toten Katze genauso wenig wie ihm, denn glücklich ist, wer vergisst, auch dass das Leben eine immerwährende verdammte Wiederholung ist. Ein Kugerl, das rollt und rollt in einem fort, und sich so immer wieder selbst begegnet. Und Josef sich verdammt noch mal schon wieder fragte, was heute neuerlich verdammt schon wieder los war. Gedanklich wurde die negative Schiene wieder voll ausgefahren, trotz zwischenzeitlichem Trostes war sie unvermeidlich eingerastet, der Tag voll im Arsch. Dabei war der Kollege noch gar nicht da, der Betrieb noch nicht erreicht, der Arbeitstag noch nicht einmal angebrochen. Aber immerhin war das Frühstück schon vorbei, konnte als durchaus positiv erledigt bezeichnet werden. Es begann zu regnen, und er bemühte sich, nichts mehr zu denken. Keine Allgemeinplätze mehr. Kurz. Josef hatte keinen Schirm dabei. Wenn er einen dabei hätte, würd´s aber auch nicht regnen. Das war immer so. Die Frage war was besser war. Umsonst einen Schirm herumzutragen, oder in echt nass zu werden. Er ging zur anderen Straßenseite, um das dortige kurze Vordach zu nutzen.

      Der silberne Chrysler Rickis brauste um die Kurve, der rechte Hinterreifen legte sich limousinengerecht satt, aber unauffälligen Geräuschs nochmals auf, und somit über, den geschundenen Katzenleib. Das gab noch so ein Gänsehautgeräusch wie es von der Vorstellung existiert wenn ein Frosch überfahren wird. Ein fetter Frosch.

      „Mogn.“

      „Mogn.“

      „Gemmas wieda oo?“

      „Scheiss Weda.“

      „Jo.“

      „Eh nomal.“

      „Is wenigstens nit um die Zeit schod.“

      „Eh nit.“

      „Jo, eh.“

      „Is jo´s gonze Munat scho so gschissn.“

      „Jo.“ (1)

      (Hier sei dem geneigten Leser angemerkt; - soviel Schmarrn kann nun wirklich nur ein echter Tiroler daherreden. Oder zwei. Da wird´s noch mehr. An traditioneller Süßspeise. Da er, oder die, das aber wirklich tut, wirklich tun, oder tun muß, tun müssen, muß es aus realistischen Gründen hier auch eins zu eins wieder gegeben werden. Entschuldigung. Aber da müssen wir gemeinsam durch. Ein gemeinsamer Nenner von Produzent und Konsument. Hoffentlich nicht der letzte in dieser Geschichte. Übersetzung siehe jeweils Fußnote. Auch im weiteren Verlauf. Grosses Danke für Ihr Verständnis!)

      Der Chrysler fuhr unaufgeregt an, zog geräuschlos an und brauste los. Das hatte schon was. Kostete aber zuviel dafür. An sich wäre das ein Gesprächsthema gewesen, da es Josef aber im Grunde überhaupt nicht interessierte, wurde eine Zeitlang geschwiegen, was unter Männern durchaus funktionieren konnte, ohne dass deswegen einer gleich furchtbar nervös wurde.

      Der Arbeitstag verlief bis zum Mittag exact genau so wie der vorige. Ein bisschen Ware übernehmen, kurz den Lehrling illegal mit der Stapelgabel in die Höhe fahren, weil ein partout benötigtes Transparent natürlich ganz hinten oben lagerte. Das Schleifmittelregal nachteilen, die Aktionspreise nach dem neuen Flyer ausbessern. Ein paar Schrauben verkaufen. Eine Bestellung für Hannes machen. Mit der Filiale telefonieren, ob sie noch eins von den Trampolinen aus der Werbung hätten. Hatten sie nicht. Mit dem Kunden telefonieren. Die schlechte Nachricht weitergeben. Die Preise im Kleineisensortiment neu ausdrucken und der Etikettenschlange zusehen, wie sie immer länger wurde, sich über den halben Boden der Info verteilte. Madeleine rollte einmal mit ihrem Bürostuhl darüber. Nachdem sie ihn erschreckt ansah, befand Josef, dass die paar leicht geknickten Etiketten so gerade noch ihren Zweck erfüllten. Die Halbwertszeit von diesen Dingern betrug ohnehin nicht viel mehr als ein halbes Jahr. Nichts passiert also. Madeleine war erleichtert.

      „Magst ein Zuckerl?“

      „Hat mir der Arzt verboten. Ist schlecht für meinen Magen. Ich darf nur mehr Weizenbier trinken.“

      „Echt?“

      Ihre Naivität war unschlagbar.

      „Ja. Aber nur im Winter.“

      „So ein Blödsinn.“

      „Ja, sicher.“

      Sogar die Frage von Hannes - „Gehst du um zwölf oder lieber um eins Mittag?“ war die gleiche wie jeden Tag. Hannes meinte damit, dass er um zwölf mit den anderen in die Pizzeria wollte und Josef deshalb für