Daniel Ratthei

Werther in love


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Werther:

      Ich will mich bessern. Mehr noch. Will alles anders angehen!

       Wilhelm:

      Hör auf mit diesem Scheiß Gelaber! Herz hier, Herz da! Weißt du, wie oft du das Wort „Herz“ benutzt? In jedem verfickten Satz! Du hast mit der einen Schwester gefickt! Mit der anderen wolltest du auch ficken!

       Werther:

      Ja. Dir brauch ich nichts sagen, der du so oft die Last getragen hast, mich vom Kummer zur Ausschweifung und von süßer Melancholie zur verderblichen Leidenschaft übergehen zu sehn. Auch halt ich mein Herzgen wie ein krankes Kind, all sein Wille wird ihm gestattet. Sag das nicht weiter, es gibt Leute, die mir`s verübeln würden.

       Wilhelm:

      Du hast einen Knall.

       Werther:

      Nein.

       Wilhelm:

      Sag mal das Wort ficken!

       Werther:

      Nein.

       Wilhelm:

      Vögeln? Das klingt vielleicht poetischer für dich?

       Werther:

      Nein.

       Wilhelm:

      Nicht empfindsam genug? Wie wäre es mit besteigen? Er bestieg mit seinem Wanderstock den moosbewachsenen Venushügel der Leonore!

       Werther:

      Nein.

       Wilhelm:

      Was Berufliches? Werther überraschte die Bäckerin beim Backen und verpasste ihr zwischen dieselben eine Cremefüllung!

       Werther:

      Niemals.

       Wilhelm:

      Als er Leonore seine Briefmarkensammlung zeigen wollte, stellte sie fest, dass es zwar keine Briefmarken gab, aber trotzdem was zum dran Lecken!

       Werther:

      Du verlachst mich, weil ich meine Zeit nicht mit Tinder und Youporn und deren ganzem Vokabular verschwende? Du steckst in einem Hamsterrad, Wilhelm. Du verarbeitest den größten Teil deiner Zeit, um zu leben, und das Bissgen, das dir von Freiheit übrig bleibt, ängstigt dich so sehr, dass du alle Mittel aufsuchst, ums los zu werden.

       Wilhelm:

      Wird mir grad zu moralisch.

       Werther:

      Mach doch ein Selfie!

       Wilhelm:

      Nur weil du nicht ficken zum Ficken sagen willst – sondern sich lieben - heißt das noch lange nicht, dass es sich um Liebe handelt, während du auf der Schwester draufliegst! Wenn du im Dampfe deiner Leidenschaft den Moment, das Hier und Jetzt, für gut und wahr und schön hältst, und gute und wahre und schöne Worte ins Ohr der Schwester säuselst, dann bedeutet das nicht, dass es sich um Liebe handelt. Sondern um Versprechungen, die ein naives Mädel glaubt, die aber schon eine Stunde später in deinem Inneren und deiner Erinnerung verpufft sind, weil dein kindliches Herz längst ein neues Spielzeug gefunden hat! Ich höre dich noch: „Ihre Lippen haben die Zauberkraft verloren. Wenn ich sie küsse ist mir, als würde meine Seele sich auf einen alten Küchenstuhl setzen …“

       Werther:

      Aber so war es.

       Wilhelm:

      Alle Lippen sind einmal verküsst!

       Werther:

      Daran glaube ich nicht! Du verwechselst meine Suche nach Liebe mit deinem Wettlauf nach Sex!

       Wilhelm:

      Gut getroffen! Das merke ich mir! Leonore, entschuldige bitte, ich werde jetzt gehen. War nett, dass wir miteinander kopuliert haben – natürlich als Teil meiner Suche nach Liebe; aber du bist kein Fundstück. Melde dich mal. Bussi Bussi.

      Du verdrehst den Mädels den Kopf. Was du betreibst ist viel schlimmer als wenn ich zu einer sage: Lust auf ficken?

       Werther:

      Was ist das für ein Haus?

       Wilhelm:

      Hier wohnt die Alte! Komm klingeln.

       Werther:

      Warte!

       Wilhelm:

      Was ist?

       Werther:

      Ich weiß nicht.

       Wilhelm:

      Pech gehabt! Ding Dong!

      Werther:

       Stopp!

      Die ersten Sätze des nächsten Dialoges sind profan.

      So was wie:

       Lotte:

       Guten Tag. Wie geht es? Es ist schwül und dumpfig hie.

       Werther:

      Auch möchte ich in diesem Augenblick nicht palavern über Liebe auf den ersten Blick oder Schicksal. Erwähnen möchte ich nur, dass, als die Tür dieses Landhauses aufging, ein Fräulein heraus trat, für deren Achtung ich glattweg alles getan hätte.

      Alles.

      Nur damit ich hinterher in zwei Augen aufrechter Bewunderung schauen dürfte.

      Hätte sie gesagt:

       Lotte:

      Hüpfe auf einem Bein und singe „Ein Männlein steht im Walde“!

       Werther:

      Dann hätte ich das getan.

      Oder hätte sie gesagt:

       Lotte:

      Schneide für eine Person aus dem Publikum dein dümmstes Gesicht!

       Werther:

      Dann hätte ich das getan.

      Oder hätte sie gesagt:

       Lotte:

      Schreibe mit deinem Po den Namen dieser Person in die Luft!

       Werther:

      Dann hätte ich auch das getan.

      Aber das hätte sie natürlich niemals verlangt.

      Sie hätte gesagt:

       Lotte:

      Schau mich nicht die ganze Zeit so ergriffen an. Das bringt mich in Verlegenheit.

       Werther:

      Das habe ich verdammt