Herbert K. Huschka

Reise nach Irland


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"Business is bad this year", erklärt sie uns diesen Umstand, aber das scheint sie nicht weiter zu sorgen. Wirklich Kummer zu bereiten scheint ihr vielmehr der Blick in den grauen Himmel, an den sie die den Herrgott entschuldigend formulierte Hoffnung anknüpft, dass doch der Regen aufhören, das Wetter sich bessern und die Sicht klarer werden möge.

      Wir verbringen eine störungsfreie Nacht mit tiefem, erholsamen Schlaf, und als wir dann unten das Frühstückszimmer betreten, ist der Tisch fein gedeckt. Wir bekommen beide einen wunderbaren Obstteller, Stabfilterkaffee und zu dem obligatorischen irischen Graubrot Butter und selbst gemachte "marmalade".

      No cereal, thank you, verneinen wir die Nachfrage, und als wir dann angenehm gesättigt in den schön gepflegten Garten schauen, kommt die Landlady aus der angrenzenden Küche zurück, hält eine laminierte Landkarte in ihrer Linken und gibt uns das erste Briefing, dem in den nächsten Tagen an jedem Morgen zur gleichen Zeit vier weitere folgen sollten. Insider-Informationen sind das, wie wir sie in keinem Führer hätten finden können.

      Für heute schlägt sie uns einen Ausflug rings um die Dingle-Halbinsel vor.

      Und hier im Norden, sagt sie abschließend, fahren Sie nicht geradeaus weiter, sondern nehmen die Abzweigung nach Süden. In Camp müssen Sie aufpassen, die meisten meiner Gäste finden den Weg gar nicht und fahren weiter nach Tralee.

      Und sie hat recht. So schwierig es war, das schmale, steil ansteigende Sträßchen in einer Rechtskurve auszumachen, so einmalig und beeindruckend, auch dramatisch, war die Landschaft, die sich uns dort oben bot.

      Eigentlich wollen wir am nächsten Tag weiterfahren, aber als uns Mrs Price mit einer Deutlichkeit und Emphase, der wir nicht widersprechen können, sagt: And tomorrow it's Valentia island, that's a must, willigen wir nur zu gerne ein, noch eine Nacht zu bleiben.

      Und so schafft sie es mit den Lobpreisungen ihrer Heimat, dass wir noch ein paar Tage hier unten im Südwesten verweilen und mit dem Ring of Kerry, Beara, Ross Castle und Muckross House noch eine ganze Reihe von attraktiven und zum Teil wirklich unvergesslichen Eindrücken sammeln. Denn Mrs Price und ihr Mann George stammen aus der Gegend, sie selber ist im Nachbarort Milltown aufgewachsen, und beide sind sie weggegangen, um zu arbeiten, nach Cork, fügt sie hinzu, um Geld zu verdienen. Vor 22 Jahren haben sie dann dieses Haus gebaut und seitdem auch B&B betrieben. Wirtschaftlich scheint es den beiden gut zu gehen, sie fahren zwei Autos, eines davon ist ein Mercedes neueren Baujahrs. Unsere Missis kleidet sich jung und modisch und trägt auch jeden Tag einen dezenten, sehr geschmackvollen Schmuck. Sie ist die erste Irin, die wir treffen, die uns die in den Führern und auch in persönlichen Erzählungen oft zitierte sprichwörtliche Herzlichkeit entgegenbringt. Und als wir am letzten Morgen unsere Sachen ins Auto gepackt haben, schaut sie wie immer mit sorgenvoller Miene in die regenverhangene Landschaft, entschuldigt sich mit ratlosem Achselzucken für dieses Missgeschick, das wir aus ihrer Sicht erleiden. Wir verabschieden uns fast wie Freunde, sie drückt Irene an ihr großes Herz, und selbst ihr Mann George, der sich all die Tage im Hintergrund gehalten hat, taucht an der Eingangstür auf und schüttelt uns scheu die Hand.

      Mit auf den Weg gegeben hat uns unsere fürsorgliche Lady einen Ausdruck des irischen Automobil-Clubs (AA Ireland) mit der Wegbeschreibung nach Norden und eine von ihr handgefertigte Skizze, mit der wir den verzwickten Weg durch die Innenstadt von Tralee sicher und ohne Irrwege finden.

      "Du, schau mal, das sieht toll aus."

      Auf der Suche nach der nächsten Unterkunft sind wir in einer wenig befahrenen Seitenstraße gelandet, die wir nun überqueren, nach rechts durch ein großes, weit geöffnetes Tor einfahren und vor einem zweigeschossigen, fast herrschaftlich anmutenden Wohnhaus anhalten. Die Vorstellung, hier die Nacht zu verbringen, erfüllt uns mit gespannter Vorfreude, denn auf unserem Weg hinauf zur Galway Bay haben wir kein Übernachtungsangebot gesehen, dass sich auch nur annähernd mit diesem hier vergleichen könnte.

      Eine Glasveranda, rechts und links von zwei mächtigen Rundsäulen eingefasst, schützt die Bewohner und Gäste vor Wind und Wetter, wenn sie das Haus betreten. Wir müssen natürlich läuten, es dauert eine Weile, aber dann kommt Bewegung ins Halbdunkel der dahinter liegenden "hall".

      "Hallo, good evening."

      Eine große, schlanke Frau um die 50 begrüßt uns, das dunkelbraune, kinnlange Haar umrahmt ein vornehmes, fast strenges Gesicht, das sich aber jetzt zu einem breiten Lächeln öffnet. Ich stelle die übliche Frage nach einem Doppelzimmer.

      "Ja, ich habe noch was frei, kommen Sie mit."

      Und zu unserem Erstaunen tritt sie aus der Haustür an uns vorbei und bedeutet uns, ihr zu folgen. Parallel zum Wohnhaus der Vermieter steht ein Gebäude mit ausgebautem Dach, das uns zunächst überhaupt nicht aufgefallen ist. Durch den seitwärtigen Eingang führt sie uns eine steile, mit Teppichboden ausgelegte Treppe hinauf. Rechts und links des oberen Flures verraten uns die nummerierten Holztüren die Anzahl der Zimmer, die hier oben verfügbar sind.

      "Aus Deutschland sind Sie?"

      Die stolze Frau und Besitzerin formuliert Frage eher wie eine Feststellung und sinniert dann hinterher:

      "Warum wohl so viele Deutsche nach Irland kommen? Wegen des Wetters sicherlich nicht", fährt sie fort, öffnet die Tür mit der Nummer eins und sieht uns fragend an.

      Unter einer weinroten Tagesdecke vermuten wir das Doppelbett, das wir wohlgefällig betrachten, aber gerade in diesem Moment fährt draußen auf der Straße ein riesiger Traktor vorbei, und ich frage, ob es nicht auch ein Zimmer nach hinten gäbe.

      "Sie machen sich Sorgen wegen der Ruhe hier, das brauchen Sie nicht, es ist wirklich ruhig, Tag und Nacht."

      Aber ich beharre auf meinem Wunsch.

      Ja, nach hinten hinaus habe sie noch dieses Familienzimmer, mit drei Betten, ja, das könnten wir auch haben.

      Und sie führt uns ans andere Ende des Flures, das Zimmer ist groß und geräumig, außer den drei Betten mit einem Tisch und zwei Sesseln ausgestattet und hat ein Fenster in den Garten.

      Wir zögern nicht und sagen zu. Unsere Landlady erklärt uns noch den Gebrauch der Schlüssel, Frühstück gebe es morgen Früh um halb zehn in dem Raum darunter.

      Als wir hinunter gehen, um unser Gepäck aus dem Auto zu holen, werden wir von unserer Vermieterin erwartet, denn dem Gästehaus sind drei Parkplätze zugeordnet. Und obwohl noch keiner dieser Parkplätze besetzt ist, überlegt sie hin und her, welchen sie uns wohl zuweisen solle. Sie entscheidet sich dann für den ganz links außen. Warum, bleibt uns ein Rätsel.

      Auch hier schlafen wir prächtig, und als wir uns am Morgen fertiggemacht haben und die Treppe hinunter gehen, finden wir im Frühstücksraum an die zehn gedeckte Tische. Wir sind und bleiben die einzigen Gäste, frösteln in dem nach Norden gelegenen Raum und freuen uns auf ein heißes Getränk. Draußen im Gang und in Richtung Küche hören wir sanfte Geräusche, und dann schiebt sich im Zeitlupentempo ein junges Mädchen auf uns zu, die Haare blond und lang, verfilzt und wild zerzaust, ist das nun eine Frisur oder kommt sie direkt aus dem Bett? Irgendwie bewegt dieses Geschöpf beim Gehen die Beine nicht, ihre Augäpfel haben sich hinter die halb geschlossene Lider verkrochen, und ihre Frage nach unseren Wünschen intoniert sie mit einem kaum hörbaren Stimmchen. Also doch müde oder noch im Halbschlaf. Aber sie akzentuiert deutlich, und als wir geantwortet haben, schiebt sie sich lautlos zurück durch die Tür und hinaus in den Gang.

      Wir mutmaßen, das könnte die Tochter der Vermieterin sein, es ist Ferienzeit in Irland, und dieses erbarmenswerte Ding hat die gestrenge Mutter heute, da der Kalender den Samstag anzeigt, zum Frühstücksservice verdonnert.

      Immerhin, der Kaffee schmeckt, und als das dürre, hoch gewachsenene, sich im Halbschlaf befindliche Gespenst noch einmal in den Raum schwebt, teile ich ihm mit, dass wir noch eine Nacht bleiben möchten.

      Das Mädchen nickt, die Botschaft ist angekommen, denn sie sagt bestätigend: "I'll tell my mother." Also richtig vermutet, sie ist die Tochter des Hauses.

      Am nächsten Morgen die gleiche Prozedur wie schon am Samstag, wir fragen uns fast, ob die junge Frau echt ist, so sehr gleichen ihre Handlungen