bin vorsichtig geworden, wie neulich, als ich meine zweitjüngste Enkelin beim Spiel im Sandkasten beobachtete und wo sich ein etwa gleichaltriges Kind, um die vier, breit machte. Eine überaus korpulente Frau tapste schwerfällig durch den Sand, um dem Kind ein Schüppchen zu bringen, beugte sich keuchend nieder und sprach mit dem Mädchen.
Als Rheinländerin kontaktfreudig, war mir nach einem Schwätzchen zumute. Ich wusste aus Erfahrung, dass ich ein Gespräch von mir aus „anstoßen“ musste, wie eine Billardkugel, die von allein und selbst in hundert Jahren nicht in Bewegung gerät. Vor zig Jahren in die Diaspora des Humors emigriert, sprach ich diese Schwerfällige an.
„Ein nettes Enkelkind haben Sie!“ Die Frau stutzte, guckte über mich hinweg und würdigte mich keines Blickes. „Eine wenig selbstbewusste Oma,“ konstatierte ich, bis es mir wie Schuppen von den Augen fiel, als das spielende „Enkelkind“ verzweifelt „Mama“ brüllte, als meine Enkelin ihm eins auf den Pelz schlug!
Seit dem, bin ich hellsichtiger und vorsichtiger geworden, man lernt bekanntlich auch im Alter noch dazu. Ich behaupte lieber gleich, wenn mir gelangweilt nach einem Schwätzchen zumute ist, wie hübsch ich doch das nette Töchterchen oder den netten kleinen Sohn finde. Mit ungläubigem Augenaufschlag und stolzgeschwellten Brüsten schenken mir diese Omis, von Omi zu Omi sozusagen, ihr liebstes Lächeln, was sie ehrlich um Jahre verjüngt.
Halsstarrige Omas würden meiner Beobachtung nach, niemals zugeben, ihre Vorlieben zu haben. Ich behaupte, sie haben sie!
Überzeugend versuchen sie, aus welchem Grund auch immer, sich selber zu belügen, in dem sie behaupten, alle Enkelkinder gleich zu halten.
Meiner Erfahrung nach ist das schier unmöglich. Jedes Kind hat andere Vorlieben. Differenzieren ist hier gefragt.
Meine Julia, das erste Kind aus der zweiten Verbindung unseres Sohnes war das Enkelkind „meiner Wahl“ möchte ich behaupten.
Das Kind wuchs mir immer mehr ans Herz, wie ich immer wieder entzückt feststellte.
An einem Montag hatte ich Julia in meinem Auto mitgenommen, um ihr die versprochenen Pferde auf einer Vorortweide zu zeigen. Als wir dort ankamen, war das Kind eingeschlafen. Auf dem Rückweg kamen wir bei Hetti vorbei.
Armin weiß um meine technischen Defizite und schnallte das Kind deshalb höchstpersönlich vor der Abfahrt an. Zugegeben, ich bin eine technische Idiotin, was ich unter Beweis stellte, als ich versuchte nach dem Besuch, den Kindersitz festzuzurren. Es misslang. Die Großtante befestigte unter Kopfschütteln die kleine Person, meinte unmutig: „Deine Oma ist doof Julia, sie kann deinen Sitz noch nicht mal befestigen!“
Julia, sie mag um die drei gewesen sein, verzog ihr Mündchen und ich stellte mich auf eine Heulorgie ein. Sie reckte plötzlich ihren Kopf nach vorne, in die Richtung derjenigen, die behauptet hatte, ihre Oma wäre doof. Sie sah wie ein kleiner wilder Schwan aus, schrie in einer nicht zu überhörender Lautstärke:
„Du bist doof!“ Hetti brach in Gelächter aus, hielt sich den Bauch und sagte:
„ Du bist richtig, Julia, verteidigst deine Oma, das gefällt mir!“
Ja, und so ist es bis heute geblieben. Julia ist meine Favoriten gewesen. Lange Zeit.
Sie war es, die mir nach dem Fußbruch, als ich um die Sechzig alt war, bei Familientreffen meinem genagelten Fuß auf ihrem Schoß Schutz gewährte. Ich wäre vor Berührungsschmerz ohnmächtig geworden. Wenn ich auf meinem Küchenstuhl kniete, um etwa aus dem Fenster zu schauen, pinselte meine kleine Katze meinen Fußrücken mit ihrem hochgereckten Schwänzchen, was bei mir schon einen gehörigen Schmerz auslöste.
Ich sprach davon, dass Julia meine Favoriten war. Sie bleibt die erste, es gibt aber mittlerweile eine zweite, wie es auch eine zweite Siegerin geben kann.
Greti ist die erste Tochter meiner Tochter. Kurz nach der Geburt bekam das kleine Menschlein eine Sepsis und nur der Himmel wusste, ob das Kind durchkommen würde. Greti ist mir ebenfalls sehr nah. Mir zuliebe hat sie häufig die Übungen mitgemacht, die mir die Therapeutin nach einem Glatteissturz mit nachfolgendem Schulterbruch aufbrummte, um ein Versteifen der Schulter zu vermeiden.
Solidarisch mit mir zog das kleine Kind an dem Seil, das ihr Opa oben an der Decke für mich eigens befestigt hatte. Ein kleines Vierjähriges liebes Etwas, über das ich hoch beglückt bin.
Ich revanchiere mich häufig. Ich habe die Angewohnheit, Tierstimmen zu imitieren. Unter anderem gelingt es mir, das Röhren eines brünstigen Hirsches, ich muss schon sagen, gekonnt von mir zu geben, was bisher für Heiterkeit beinahe in der übrigen Familie gesorgt hat.
Die rühmliche Ausnahme ist dabei Adda, Gretis Mama also. Sie hasst das Geräusch wie die Pest.
Ich könnte mir denken, dass diese Art von Gegrunze sie an ihre Patienten beim Spülen ihrer Münder, erinnern mag. Greti macht mir zuliebe jedenfalls mit. Sie legt ihre beiden Händchen an den Mund, als wenn sie im Sturm jemandem was zurufen möchte und schon geht das Röhren und Grunzen los. Sie ist lernfähig, wird immer besser, was mich außerordentlich freut. Ehrlich gesagt, ich würde niemals etwas tun, was das Verhältnis zwischen Mutter und Kind verwässern würde. Aber auf das Grunzen meiner Enkelin, mir zu Ehren, kann und möchte ich nicht verzichten. Neuerdings üben wir heimlich und ich stelle mir dabei das entrüstete Gesicht meiner Adda vor. Augenblicklich bekomme ich Harndrang und renne zur Toilette. Natürlich ist auch meine Blase nicht mehr das. was sie früher einmal war! Greti läuft gleich mit. Aus Sympathie!
Seit einer Reihe von Jahren findet in unserer Westfalenhalle ein Wettröhren statt, wozu die Jäger mit oder ohne Hilfsmittel ihr zweifelhaftes „Können“ alljährlich unter Beweis stellen.
Neulich haute mich der Armin an: „Sag mal,“ knurrte er und hielt höchst pikiert ein Zeitungsblatt mit dem Konterfei eines Jägers hoch.
„Hast du dich dieses Jahr vielleicht für diesen hirnrissigen Wettkampf eingetragen? Zuzutrauen wäre dir das?!“
„Welcher Wettkampf?“ stellte ich mich doof. „Hier“, er wedelte nervös mit seiner Zeitung, „steht Schwarz auf Weiß, dass zum ersten Mal eine Frau mitmischen wird,“ stellte er unmutig fest.
„Mit dem Gedanken habe ich ehrlich gesagt, auch schon gespielt. Du weißt ja selbst, dass ich immer besser werde,“ beichtete ich dem Besorgten. „Aber mir passt es ganz und gar nicht, einen solch blöden grünen „Bibbi“ aufsetzen zu müssen, was ein absolutes Muss für diese versnobten Jagdfritzen ist! Nur über meine Leiche!“
Es stimmte. Hüte standen mir noch nie. Weibliche Brillenträger sollten das Tragen von Hüten tunlichst vermeiden, meiner bescheidenen Meinung nach.
Früher voller Spott: „Eine Frau mit einer Brille, das ist mein letzter Wille!“, wusste Armin erst jetzt vermutlich und erstmalig meine Brille zu schätzen, könnte ich mir jedenfalls denken.
Erleichtert sank er mit mitsamt seiner Zeitung in seinen Sessel zurück.
Vielleicht röhrt die Greti irgendwann einmal in eigener Regie. Nichts Erlerntes im Leben ist für die Katz! Irgendwann wird sie es vielleicht mal gebrauchen können. Vielleicht als Oma?
Ja, wozu sind Großmütter speziell,“ eigentlich sonst noch gut?“, frage ich mich immer häufiger, je mehr ich mit meinen Enkelkindern in Berührung komme.
Die Chinesen behaupten, weil Gott nicht den Müttern alles allein aufbürden möchte, hätte er die Großmütter erschaffen. Völlig unlogisch, wie ich meine. Schließlich waren ja die Großmütter eher da. Oder ist es möglicherweise wie bei der Geschichte mit dem Huhn und dem Ei. „Welches von beiden war zuerst da?“ stellt sich hier die Gretchenfrage. Wenn man die heutigen Mütter betrachtet, könnten sie bequem auch als Großmütter durchgehen. Zum Glück werden ja die Menschen mittlerweile viel älter, so dass sie ihre Kinder noch lang genug, will heißen, bis die flügge sind, auf dieser schönen Erde begleiten können.
Um beim Thema zu bleiben. Adda sagte mir neulich ziemlich arrogant, sie würde ihre Kinder bildungsmäßig