Karl May

Old Surehand I


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      »Ich denke daran, und ebendeshalb strenge ich mich jetzt nicht an, um später bei guter Force zu sein. Umkehren! Welcher Gedanke! Werde mich blamiren!«

      Ja, blamiren wollte ich ihn freilich nicht gern; aber durfte ich es weiter mit ihm riskieren? Es war ja möglich, daß er sich jetzt schonte, um später ganz au fait zu sein; auf weitere, dringende Fragen versicherte er, daß dies wirklich der Fall sei. Übrigens hatten wir jetzt schon die Hälfte des Weges zurückgelegt; also vorwärts, mochte es nun gehen, wie es wolle! Meine Sorge wurde trotz dieses Entschlusses keineswegs geringer, und schon nach weiteren fünf Minuten erkundigte ich mich:

      »Wollt Ihr Euch nicht mit dem Oberkörper auf das Floß legen? Da ruht Ihr aus und habt dann frische Kraft.«

      »Das ist richtig. Aber wird es Euch nicht zu schwer?«

      »Nein; thut es nur.«

      Er folgte meinem Rat und sagte, als ich unser Wasser-Vehikel weiter trieb:

      »Mir ist ein Gedanke gekommen, Sir. Die Wächter werden Verdacht schöpfen, auch wenn sie uns nicht sehen.«

      »Warum?«

      »Weil sie sich fragen werden, woher unser Schilf die Bewegung bekommt. Der See steht ja still.«

      »Da irrt Ihr Euch. Er schickt sein Wasser da unten dem Rio Pecos zu, und infolgedessen hat es eine, wenn auch nicht sehr wahrnehmbare Bewegung nach dem Abflusse hin. Ein losgerissenes Schilf wird also langsam da hinunter schwimmen. Das werden sich die Roten wohl auch sagen. In dieser Beziehung habe ich keine Sorge.«

      »Aber wohl in andrer?«

      »Ja.«

      »Weshalb?«

      »Wegen Euch.«

      »Pshaw! Ich will mich jetzt nicht anstrengen. Wenn es losgeht, werdet Ihr mich ganz bei der Sache finden.«

      »Hm! Vom Schwimmen will ich jetzt nichts mehr sagen; dazu komme ich noch, ehe ich den Rückweg antrete. Es handelt sich jetzt vielmehr um das Tauchen. Wenn Euch das nicht gelingt, können wir verloren sein.«

      »Redet nicht, Sir! Ich habe ja weiter nichts zu thun, als im richtigen Augenblicke das Floß loszulassen, unterzutauchen und an der andern Inselseite wieder heraufzukommen. Das ist kinderleicht, zumal bei meinem Körperbau. Wer so wenig Fleisch und so viel Knochen hat, dem wird es leicht, im Tauchen Meister zu sein.«

      Da hatte er freilich recht, und das Selbstvertrauen, welches er zeigte, beruhigte mich einigermaßen, obgleich ich einsah, daß es besser gewesen wäre, ihn zurückzulassen und das Vorhaben allein auszuführen.

      Wir näherten uns der Insel mehr und mehr, und ich lenkte jetzt das Floß von der bisherigen geraden Richtung nach aufwärts, weil wir uns später abwärts treiben lassen mußten. Die Lagerfeuer der Comantschen leuchteten hell, doch nicht zu uns herüber; das auf der Insel war klein; es brannte hinter dem Gebüsch; darum konnten wir die Flamme nicht sehen. Die wenigen sichtbaren Sterne des heutigen Himmels blickten von dem Firmamente herab in die Flut und aus derselben wieder herauf. Ich schwamm so stät und ruhig wie möglich, um keine Wellen zu verursachen, in denen der Rückstrahl der Sterne schwankte, weil dies ziemlich weit zu sehen ist. So kam ich ohne Hast bis in solche Nähe der Insel, daß wir nun das Floß treiben lassen konnten. Ich machte Old Wabble darauf aufmerksam:

      »Jetzt ist die Zeit gekommen, Mr. Cutter. Wir müssen nun unter das Schilf kriechen.«

      »Well, soll gleich geschehen,« antwortete er.

      »Noch einen Augenblick! Wenn wir mit den Köpfen in den Löchern stecken und uns eine Mitteilung zu machen haben, so darf das nur flüsternd geschehen.«

      »Versteht sich ganz von selbst!«

      »Obgleich wir das Floß treiben lassen, muß es doch leise gelenkt werden; das überlaßt Ihr mir allein!«

      »Ist mir lieb. Sagt mir nur, wann das Tauchen losgehen soll! Bin dann gleich dabei.«

      »Werdet Ihr es wirklich fertig bringen?«

      »Ich sage Euch allen Ernstes, habt keine Angst um mich. Ich gebe Euch mein Wort, daß ich Euch gar nicht, aber auch gar nicht beschwerlich fallen werde!«

      Das war ein ganz andrer Ton als vorher. Hatte er sich nur verstellt? War er wirklich ein guter Taucher?

      Wir schlüpften unter das Floß und steckten die Köpfe in die dazu bestimmten Löcher; dann schoben wir die Arme in die Lederschlingen und hingen nun in aufrechter Haltung ungefähr so unten an dem Floße, wie ein Turner an den Schwingen hängt. Das Schilf trug uns; wir brauchten nicht zu schwimmen, und eine kleine Hand- oder Fußbewegung genügte zum Lenken. Es ging sehr, sehr langsam, und in der Erwartung, die uns ergriffen hatte, wurde uns die Zeit doppelt lang.

      »Verwünschte Eilschiffahrt!« raunte mir der Alte zu. »Könnt Ihr gut sehen, Sir?«

      »Ja.«

      »Ich auch. Jetzt müßte ein Haifisch kommen und uns in die Beine beißen! Thunder, würde da unser Steamer in Bewegung kommen! Wie gut, daß es hier keine solchen Bestien oder gar Krokodile giebt! Da, schaut!«

      »Ich sehe ihn.«

      »Und er sieht uns. Was wird er thun?«

      Wir waren jetzt vielleicht sechzig Schritte von der Insel entfernt. Im Gebüsch derselben gab es eine breite Lücke, durch welche das Feuer zu sehen war. Im Scheine desselben erblickten wir einen Indianer, welcher am Ufer Wasser schöpfte und dabei unser ›Dampfschiff‹ bemerkte. Er sah kurze Zeit zu uns herauf und kehrte dann zum Feuer zurück.

      »Prächtiger Kerl!« flüsterte Old Wabble. »Will gar nichts von uns wissen.«

      »Das kann uns ungeheuer lieb sein; aber warten wir es ab, ob ihm unser Schilf nicht doch noch auffällt.«

      Es verging Minute um Minute; wir kamen der Insel immer näher, und der Wächter erschien nicht wieder. Noch vierzig, noch dreißig, noch zwanzig, endlich nur noch zehn Schritte! Wir glitten vorüber.

      »Mr. Cutter, jetzt!« raunte ich dem Alten zu. »Ich tauche links und Ihr taucht rechts um die Insel herum, damit wir nicht zusammengeraten und uns hindern. Drüben steigen wir auf und sind im Rücken der Wächter. Aber bitte, gebt Euch alle Mühe! Habt Ihr die Arme noch in den Schlingen?«

      »No.«

      »Seid Ihr fertig?«

      »Yes, es kann losgehen; th'is clear

      »Dann fort vom Floße!«

      Ich machte mich los, tauchte tief hinab, schwamm um die Hälfte der Insel und kam drüben vorsichtig wieder empor; zwei Stöße brachten mich an das Ufer. Old Wabble war an dieser Stelle nicht zu sehen; er erstieg die Insel jedenfalls nicht weit von hier an einer andern; ich konnte mich nicht um ihn bekümmern, sondern mußte vor allen Dingen zu den beiden Wächtern. Mich auf die Erde legend, kroch ich durch die Büsche. Sie saßen an dem kleinen Feuer, welches nur durch fünf oder sechs dünne Holzstücke genährt wurde; der eine kehrte mir den Rücken, der andre die linke Seite zu. Etwas abseits von ihnen lag der Gefangene im Schatten eines überhängenden Strauches. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen; aber die Füße lagen im Lichte des Feuers; sie waren gefesselt. Nun schnell ans Werk!

      Ich richtete mich auf und war mit zwei schnellen Sprüngen am Feuer; ein Hieb hüben und ein Hieb drüben an die Schläfen der Roten – sie sanken um. Ich bückte mich zu ihnen nieder; sie waren betäubt.

      »Heavens, ein Weißer!« erklang da die Stimme des Gefangenen. »Kommt Ihr, um mich – –«

      »Ja,« unterbrach ich ihn. »Reden wir später; jetzt müssen wir handeln. Weg mit den Fesseln!«

      Ich kniete zu ihm nieder, zog das Messer; hinter mir gab es ein Geräusch.

      »Seid Ihr da, Mr. Cutter?« fragte ich, ohne mich umzusehen, denn wer konnte es anders sein als Old Wabble.

      »Uff, uff, uff, uff!« antworteten statt seiner