„Macht sie sich eine Kette davon?“
„Das glaube ich nicht. Sie wird sie wohl wegwerfen.“
„Findest du das nett? Sie waren so lange in deinem Mund, haben dich Nahrung zerkleinern lassen und sahen bestimmt auch hübsch aus. Und wenn sie nicht mehr gut genug sind, schmeißt sie sie einfach weg. Ich finde das gemein!“
„Bitte entschuldige, aber ich bin noch nie auf die Idee gekommen, sie mit nach Hause zu nehmen und mir womöglich eine Kette davon zu machen.“
„Warum nicht?“
„Was macht ihr denn in Drachenland, wenn ihr mal einen Zahn verliert?“
„Zum Glück geschieht das nur ganz, ganz selten. Aber sollte es doch passieren, wird der Zahn von der ganzen Familie und den Ältesten in einer großen Zeremonie der Erde übergeben. Wir danken ihm für sein Leben und dass er für uns da war. Wir betrauern seinen Verlust. Am letzten Tag pflanzen wir ein kleines Zahnstocherbäumchen, das wir fortan hegen und pflegen. Wenn es größer ist, wachsen ihm sehr spitze Dornen. Und wenn jemand etwas zwischen den Zähnen hat, bricht er vorsichtig einen Dorn ab, bedankt sich bei dem Bäumchen und benutzt ihn. So lebt er weiter mit uns. Aber es gibt nur sehr wenige dieser Bäumchen in Drachenland.“
„Wie lange geht denn eine solche Zeremonie?“
„Sieben Tage.“
„Ja, das nenne ich einem Zahn respektvoll die letzte Ehre erweisen. Sollte ich jemals wieder in die Situation kommen, mir einen Zahn ziehen lassen zu müssen, werde ich sicher klüger handeln. Versprochen!“
Die Zeit schreitet gnadenlos voran, es stellt sich kein Hungergefühl ein, und ich packe ihm alles, was Fleisch war, ein, damit er es mitnehmen kann.
Kurz vor der elften Stunde des Mondes werden wir beide ein wenig melancholisch.
Die Zeit des Abschieds naht und die Fee der Zeiten würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wir sehen nicht sehr glücklich aus und jeder schielt zum anderen hinüber.
„Wenn deine Eltern es erlauben würden und auch die Fee der Zeiten nichts dagegen hätte, hättest du dann Lust, mich wieder zu besuchen?“
Er sieht mich an und strahlt über das ganze Gesicht. „Oh ja, sehr sehr gern. Als Mensch bist du nämlich gar nicht übel.“
„Schön, dass du das so siehst.“
„Und ich könnte dir sicher auch noch sehr viel beibringen, und du könntest mir das eine oder andere aus deiner Zeit erklären. Und bestimmt werden wir auch viel Spaß haben.“
„Ja“, lache ich ihn an, „da bin ich mir ganz sicher …“
„Geht es?“, fragt jetzt ganz aufgeregt mein Drachenkind und sieht auf den Sessel uns gegenüber.
Die Wanderin zwischen den Zeiten muss schon hier sein, um ihn mitzunehmen. Ich kann sie nur nicht sehen. Und hören, was sie sagt, kann ich ebenso wenig.
„Das werden sie erlauben, ganz bestimmt!“ Er sieht mich an und erklärt mir: „Die Wanderin zwischen den Zeiten hätte nichts dagegen, wenn meine Eltern es erlauben – vorausgesetzt, die Ältesten stimmen zu und du bringst das mit dem Frosch in Ordnung. Wenn die Wunschfee von deinem sehr fragwürdigen Verhalten erfährt, hält sie dich für verantwortungslos.“
Verantwortungslos, respektlos, achtlos – alles ganz üble Verfehlungen, die im Reich der Feen genauso schwer angeklagt werden wie in Drachenland. Nie hätte ich geglaubt, dass man mir auch nur eines davon vorwerfen könnte. Ich hielt mich immer für einen recht netten Menschen, aber das scheint wohl nur meine eigene Wahrnehmung zu sein.
„Gleich morgen“, verspreche ich, „bringe ich das mit dem Frosch in Ordnung!“
„Das musst du wirklich“, sagte mein Drachenkind, „sonst sehen wir uns nie wieder.“
Um nichts in der Welt würde ich das riskieren. „Du kannst dich auf mich verlassen!“
Nicht viel mehr als ein Flüstern drang aus dem Nebel … „Mach’s gut, Drachenblume, und denk an den Frosch!“
„Mach’s gut …?“ Mir fällt erst in diesem Moment auf, dass ich immer noch gar nicht seinen Namen kenne. Danach frage ich ihn das nächste Mal.
Jetzt werde ich erst einmal eine Strategie entwickeln, um den Frosch von der Kollegin zurückzubekommen. Im Notfall breche ich bei ihr ein!
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