hatte sich die Szene unter der angespannten Beobachtung aller Anwesenden abgespielt und Paul zog kommentarlos kopfschüttelnd einen Magnetschlüssel aus seiner Hosentasche. Er überreichte ihn Dek „Hier, dann gehört er jetzt euch. Viel Glück, mein alter Freund.“ er machte eine kurze Pause, fragte nochmals ganz leise „Und du bist dir wirklich sicher?“ Dek gab ihm einen leicht vorwurfsvollen Blick zur Antwort der klar machte, dass er sicher war und die Frage für überflüssig hielt. Paul verstand, klopfte Dek ermutigend auf die Schulter, nickte kurz, schob sich seine Brille auf der Nase zu recht und drehte sich um. Mit der Hand deutete er seinen Wärtern es ihm gleich zu tun und der gesamte Trupp lief zurück zum Gefängniseingang. Der letzte hängte unter Martins Aufsicht vorsichtig die Kette der Mundfessel aus, packte sie ein und ging ebenfalls.
Unterdessen hatten Isara und Riso den gefesselten Zylin je einer links und rechts am Oberarm gegriffen. Ohne die Fesseln zu lösen gingen sie mit ihm zum Jagdgleiter. Dek und Bob unmittelbar hinter ihnen.
Martin Herren, der Sicherheitsleiter der Anstalt war solange stehen geblieben, hatte beobachtet. Schien alles zu funktionieren, ein komisches Gefühl, die Verantwortung abzugeben, jedes Mal. Besonders bei diesem Gast. Zu sich selbst nickte er, dann ging auch er zurück. Ein klein wenig erleichtert, musste er zugeben.
Der schlanke Jagdgleiter bot gerade genug Platz für 8 Personen, einen Extraplatz für den Arzt, eine Liege für einen Verletzten und etwas Material. Auch war es düster im Inneren des Gleiters, denn es gab keine Seitenfenster, nur ein paar kleine LED-Lämpchen die gerade genügend Licht spendeten.
Der Pilot, Cheks, sass bereits auf seinem Platz und wartete darauf, den Gleiter zu starten. Sila und Takwo halfen Isara, Riso und Zylin in den Gleiter zu steigen, nahmen Bob die Tasche ab, setzten sich anschliessend auf ihre Plätze und schnallten sich an.
Kaum waren alle im Gleiter, schloss Cheks, nach einem kurzen Kontrollblick über die Schulter in den Passagierraum, die seitliche Treppe und zündete die Triebwerke. Isara hatte ihren Platz ganz hinten, da sie die Ärztin vom Team war.
Dek sagte ganz trocken an Zylin gerichetet „Willkommen im Team, vorstellen könnt ihr euch selbst.“ setzte sich neben Cheks im Cockpit auf den Copiloten-Platz nachdem er Bob noch den Magnetschlüssel für Zylins Fesseln gegeben hatte und ihn anwies diese damit auch zu lösen.
Bobs Platz war gegenüber Zylins. Zylin selbst sass zwischen Sila, einer gross gewachsenen, kräftigen Soldatin und Riso. Neben Bob hatte Takwo, ein älterer Soldat, Platz genommen. Takwo begutachtete das neue Teammitglied mit Adlersaugen um irgendwie schlau aus diesem zu werden. Denn wie alle hier, wurde auch ihm nur mitgeteilt, dass sie Zylin begleitete um nach Rupes zu kommen, mehr nicht. Diese mageren Angaben waren typisch für Captain Deks Sondereinsätze, daher liess er es einfach auf sich zukommen, wie immer. Täte er es nicht, hätte ihn Dek nicht mitgenommen, so einfach.
Bob stand also als Einziger noch mitten im Raum und musste mit dem Gleichgewicht ringen als Cheks den Jagdgleiter ziemlich ruppig vom Boden hochzog. Um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, musste sich Bob hastig irgendwo festhalten.
Endlich im luftleeren Raum bewegte sich der Gleiter nur noch gleitend und ruhig, sodass sich Bob ohne weitere Verzögerung seiner Aufgabe widmen konnte. Riso grinste ihn schadenfroh an „Soll ich dir helfen?“ „Halt die Klappe, Riso!“ schnauzte Bob zurück.
Bob war der absolute Neuling in der Gruppe und wurde wegen seiner Unerfahrenheit bereits ständig geneckt, insbesondere von diesem Muskelklotz Riso. Das ärgerte ihn, aber er würde es allen zeigen! Das hatte sich Bob fest vorgenommen.
Bob nahm seinen Mut zusammen um Zylin erst einmal das Mundstück zu lösen, was schwieriger war als gedacht, denn seine Hände zitterten. Irgendwie war er sehr nervös. Und das in Zylin dabei so ansah, machte es nicht besser. Diese Augen! Als ob er damit töten könnte. So direkt. Durch ihn hindurch. Der arme Bob musste sich alle Mühe geben es sich nicht anmerken zu lassen. Dieser Kerl war ihm unheimlich, und wenn er an die Szene im Besuchsraum von vor 3 Tagen dachte, schauderte es ihm... er machte sich jedenfalls darauf gefasst, beim kleinsten Anzeichen sofort zurückzuweichen um keine Kopfnuss oder Sonstiges zu kassieren.
Vorsichtig löste er also an Zylins Hinterkopf das Schloss der Mundfessel. Nahm Zylin langsam und vorsichtig die Stange aus dem Mund. Er beobachtete Zylin, wie er den Unterkiefer hin und her bewegte um ihn zu lockern. Stellte sich vor, wie unangenehm so ein Ding im Mund sein musste. Dass das überhaupt ging. Dann blickte ihn Zylin wieder direkt in die Augen, Bob erstarrte innerlich, ohne dass er es wollte und hielt die Luft an. 'Mist, er hat gemerkt, dass ich ihn anstarre!!' Bob schluckte. Eine dieser Pausen entstand, bei der man das Gefühl hatte, die Zeit würde einfrieren. Was nun?! war die Frage, die im Raum hing.
Es geschah nichts. Mit seiner tiefen, wirklich beeindruckend fester Stimme sagte Zylin schliesslich nur „Danke.“ und das nicht einmal unbedingt laut. Bob atmete aus und Riso fing an schallend zu lachen „Schade wie? Da kam weder Feuer noch ein Blitzstrahl heraus!“ Riso lachte Tränen, hielt sich den Bauch, bis ihm Takwo von gegenüber mit dem Schuh eine ans Knie knallte und fluchte „Lass das, wir sind nicht im Kindergarten! Für dich war es auch einmal das erste Mal im Aussendienst. Trottel!“ und zu Bob sagte er ebenso grob „Jetzt mach schon vorwärts, du Weichei und setz dich hin verflucht. Das ist doch nicht die Möglichkeit.“
Bob machte sich daran die Handfesseln von Zylin zu lösen, welche ihm dieser bereits unaufgefordert entgegenhielt soweit es die Ketten zuliessen. Jetzt deutlich schneller, öffnete Bob die beiden Handfesseln und starrte auf Zylins Handgelenke, die von den Fesseln blutig gescheuert waren. „Was ist das denn?“ fragte Bob „Wie lange tragen Sie diese Handfesseln schon?“ Zylin nahm dem verdutzten Bob leicht genervt den Magnetschlüssel ab, gab als Antwort auf dessen Frage nur ganz knapp „Lange genug“ und beugte sich zu seinen Fussfesseln hinunter um auch diese zu endlich abzunehmen. Denn, auch wenn man es ihm nicht wirklich ansah, aber die letzten Tage mit den verlängerten Aktivphasen hatten ihm, wie von Martin erwünscht, tatsächlich mehr Kraft abverlangt wie sonst und er war hundemüde. Die verletzten Handgelenken waren sein kleinstes Problem.
Nachdem er die Fussfesseln gelöst hatte, richtete er sich wieder auf, streckte Bob den Schlüssel hin und bat um seine Tasche. Ohne weitere Worte reichte ihm Bob die schwarze Tasche, die er vorhin entgegengenommen hatte. Sie war nicht schwer und kaum was drinnen. Neugierig von seinem jungen Aufpasser beobachtet, nahm Zylin seine Tasche entgegen, ohne etwas zu sagen. Wer war dieser unheimliche Kerl? fragte sich Bob ununterbrochen. Welche Geheimnisse versteckten sich wohl hinter diesem Mann, der einmal Commander gewesen sein soll? Ein für ihn so weit entferntes Ziel. In was für einem merkwürdigen Spiel befand er sich hier? Fragen über Fragen und keine Antworten. So hatte er sich seinen ersten Ausseneinsatz definitiv nicht vorgestellt.
Während Bob so in seinen Gedanken versunken da stand, öffnete Zylin seine Tasche und nahm ein kleines dunkelgrünes Samtsäckchen heraus. Das Säckchen enthielt ein oranges Pulver, womit sich Zylin seine von den Fesseln wundgescheuerten, blutenden Handgelenke einrieb. Anschliessend krempelte er sein rechtes Hosenbein hoch, darunter kam eine stark blutende Schnittwunde in der Wade zum Vorschein, die er sich ebenfalls mit dem orangenen Pulver einrieb, dann das andere. „Das ist reines Steintränenpulver, nicht wahr?“ fragte Isara erstaunt von ihrem Platz aus „Wir kriegen das immer nur verarbeitet oder verdünnt zu kaufen. Ich habe noch nie reines Pulver gesehen. Das ist sehr wertvoll! Woher haben Sie das?“ Zylin hatte kein Interesse an irgendwelchen Gesprächen und ignorierte Isaras Fragen einfach, versorgte auch sein anderes Bein, schloss dann das Säckchen wieder und stellte es neben sich auf den Boden.
Ausser Dek und Bob, war Isara die einzige im Team, die Zylins Bekanntschaft bereits vorher hatte machen dürfen und sie hatte ihn nicht als sehr gesprächig kennen gelernt. Daher erwartete sie auch keine Antwort auf ihre Frage. Und seine Gefängnisverletzungen überraschten sie