ihrem Zimmer verschwunden war, sagte die Mutter: „Das ist die alte Leuchtbrosche von Tante Greta, wie sie im Krieg getragen wurden, damit die Menschen nicht auf den Straßen zusammenprallten, als in den Städten die Fenster verdunkelt wurden und bei Nacht keine Laternen brannten.“
„Ach, darum hat sie in der Dunkelheit geleuchtet. In hatte mich schon darüber gewundert. Sie müssen aus diesem phosphoreszierenden Material angefertigt worden sein, das Licht in sich aufnehmen kann wie eine Batterie elektrischen Strom, um es dann in der Dunkelheit für einige Zeit wieder auszustrahlen.“
„Ja, so etwas ist das. Wie ist sie nur in den Garten gekommen?“
Da lachte der Vater. „Wer weiß, welche Fee das getan hat, damit unsere Lea sie findet?“
„Du mit deiner Fantasie! Findest du das wirklich gut, dem Kind damit etwas vorzumachen? Sternenkinder, die auf die Erde fallen!“
„Wieso mache ich ihr etwas vor? Kinder lernen viel mehr durch ihre Fantasie als durch trockene Erklärungen.“
„Ich bitte dich, was hat sie denn heute dabei gelernt?“
„Dass aus dem Universum etwas zu uns zur Erde kommen kann. Später ist es Zeit für sie, zu erfahren, dass es kleine Meteore sind, vielleicht nur Staubteilchen, die aus dem Schweif eines Kometen stammen, der vor langer Zeit vorbeigezogen ist und viele von ihnen verloren hat. Dann wird sie auch verstehen können, dass sie aufleuchten und verglühen, wenn sie mit der Erdatmosphäre in Berührung kommen.“
„Aber davon fällt nichts auf die Erde, höchstens Aschestaub. So hast du Lea belogen.“
„Nein, das habe ich nicht, denn es gibt auch noch die Meteoriten, das sind oft Gesteinsbrocken unterschiedlicher Größe, die zwischen den Planeten durch das Universum wandern. Die schaffen es durchaus, die Atmosphäre zu durchdringen und zur Erde zu gelangen. Am Himmel erkennt man sie daran, dass sie länger als eine Sternschnuppe leuchten.“
„Nur Lea kann sie nicht finden und aufheben“, spottete die Mutter.
Der Vater lachte. „Natürlich nicht! Sie sind auch viel seltener als Sternschnuppen. Nun sei einmal ehrlich, sollte ich ihr das alles erzählen? Da hätte sie doch vor Langeweile gegähnt.“
„Dann wäre sie wenigstens einmal freiwillig ins Bett gegangen.“
„Lass uns doch unsere Geschichten. Für ein Kind ist es schön, Märchen erzählt zu bekommen, und mit jedem lernt es etwas.“
„Zum Beispiel, dass man Sternenkinder im Wald suchen und dann bei uns im Garten eins finden kann.“
„Da war doch die alte Brosche von Tante Greta noch zu etwas Nütze. Wie gut, dass die Nadel daran abgebrochen ist, so kann Lea sie nicht als Brosche erkennen. Nun glaubt sie, ein Sternenkind zu haben, und ist glücklich darüber.“
„Vati, Vati! Mein Sternenkind leuchtet nicht mehr.“ Aufgeregt kam Lea auf nackten Füßen aus ihrem Zimmer gelaufen und hielt in der ausgestreckten Hand Tante Gretas Leuchtbrosche.
Der Vater nahm Lea auf seinen Schoß, zog die Stehlampe heran und ließ sie die Brosche unter das Licht halten. „Sternenkinder wollen auch schlafen. Dann sind sie so dunkel wie jeder andere Stein. Aber sie werden sofort wach, wenn sie Licht spüren und dann leuchten sie auch wieder, bis sie müde sind und schlafen. So, nun haben wir es geweckt. Jetzt bringe ich euch beide wieder ins Bett. Aber wenn es dann wieder dunkel ist, dann lässt du es schlafen und schläfst auch selbst, ja?“
Lea versprach es. Der Vater nahm sie an die Hand und ging mit ihr zu ihrem Zimmer.
Die Mutter sah ihnen nach. „Kindsköpfe!“, murmelte sie und lächelte.
Sein großer Wunsch
Jeden Morgen, nachdem seine Mutter ihm noch einmal über das Haar gestrichen und zum Abschied einen Kuss gegeben hatte, hüpfte Klaus fröhlich den kurzen Weg um die Ecke zum Kindergarten die Straße entlang. Die kleine Umhängetasche schien ihm dabei auf seinem Rücken hinterher zu springen. An der Ecke der Straße, drehte er sich noch einmal um und winkte seiner Mutter zu. Dann bog er ab und entschwand ihrem Blick.
Nun war er unbeobachtet. Das ließ ihn noch fröhlicher im morgendlichen Sonneschein an all den Menschen vorbeihüpfen, die, wie seine Mutter, zur Arbeit eilten. Sie beachteten den kleinen Jungen kaum, der mit klopfendem Herzen auf das große Schaufenster des Spielwarengeschäftes zu lief. Davor blieb er stehen, hob seine Hand, legte sie zum Gruß an die Stirn und murmelte: „Guten Morgen, Kapitän!“ So hatte er das in seinem Bilderbuch gesehen, wenn die Matrosen auf einem Schiff ihren Kapitän grüßten.
Und diese Puppe da im Schaufenster mit diesem blauen Anzug und der weißen Mütze war bestimmt ein Kapitän, davon war er überzeugt. Wie sie ihn ansah mit ihrem Puppenlächeln. Sie war nicht einmal sehr groß. Zu gerne hätte er sie gehabt. Er wagte aber nicht, es irgendjemand zu sagen. Eigentlich wusste er nicht, warum. Doch um ihn herum hatten stets nur Mädchen Puppen, und Papa sagte oft: „Du willst sicher ein richtiger Junge sein, oder?“. So schwieg er lieber und diese Puppe in dem Schaufenster war sein Geheimnis.
Jeden Morgen drückte er sich die Nase an der Scheibe platt und träumte von den großen Fahrten übers Meer, die er mit seinem Kapitän machen könnte. Jeden Morgen befürchtete er dabei, seine Mutter könnte ihn wieder zum Kindergarten bringen und er müsste an dem Schaufenster vorübergehen. Doch zum Glück meinte sie: „Du bist ja nun schon ein großer Junge, um allein um die Ecke zum Kindergarten zu laufen.“ – Ein großer Junge, der sich sehnlich eine Puppe wünscht? Nein, er sagte lieber nichts davon. Wenn er also mit Mutter oder Vater an dem Spielwarenladen vorbeiging, dann warf er nur einen vorsichtigen Blick zu dem Schaufenster, um sich nicht zu verraten.
*
So ging das lange Zeit, bis sein Geburtstag herankam. Da fragte ihn die Mutter, was er sich dazu wünsche. Allen Bedenken zum Trotz, begann er plötzlich zu hoffen, diese Puppe doch erhalten zu können. Vielleicht brauchte er sie sich einfach nur zu wünschen.
So oft er konnte, stand er nun vor dem Schaufenster und drückte sich an der Scheibe die Nase breit, dass sie weiß und kalt wurde. Sehnsüchtig schaute er auf seinen Kapitän, sollte er ihm wirklich bald gehören? Er brauchte sich nur zu überwinden und ihn Mama zu zeigen, wenn sie an dem Spielwarenladen vorbeigingen. Jeden Morgen nahm er sich das vor. Wenn Mama ihn dann aber mittags vom Kindergarten abholte, fehlte ihm wieder der Mut dazu, und er schlich an ihrer Hand nur mit einem scheuen Blick auf seinen Kapitän am Schaufenster vorbei.
Es dauerte noch einige Tage, bis er sich überwand und all seinen Mut zusammennahm. Kurz vor dem Spielwarengeschäft zog er an der Hand der Mutter und zog sie zum Schaufenster. „Was willst du mir zeigen?“, fragte sie.
„Da, diese … den kleinen Kapitän, den … den …“, stammelte er, bis es zuletzt aus ihm herausschoss: „Den wünsche ich mir!“
Ungläubig blickte die Mutter ins Schaufenster. „Zum Geburtstag?“, fragte sie noch zweifelnd.
„Ja!“, bestätigte er und fügte ängstlich hinzu. „Du hast gesagt, ich soll dir sagen, was ich mir wünsche.“
„Schon! Aber Klaus, das ist eine Puppe, eine Matrosenpuppe, wie kannst du dir …“
„Das ist ein Kapitän“, verbesserte sie Klaus.
„Nein, das ist eine Matrosenpuppe, wie sie kleine Mädchen gerne haben“, beharrte die Mutter und lachte nachsichtig. „Du bist ein Junge. Wie kannst du dir eine Puppe wünschen. Was sollen die andern Kinder dazu sagen, wenn du in die Schule kommst?“
„Ich muss sie ihnen ja nicht zeigen“, versuchte Klaus, seine Mutter zu überzeugen.
„Wie willst du damit überhaupt spielen?“, wollte die Mutter wissen.
Oh, das wusste er! Er würde ein großes Schiff aus Papier bauen und damit den Kapitän übers weite Meer fahren lassen. Vielleicht konnte er das Boot sogar auf den kleinen Teich im Garten setzen. Doch er sagte es nicht mehr. Mama hatte über seinen