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Aber nun fühlte er sich endlich ausreichend fit und war bereit, sich wieder in der Öffentlichkeit sehen zu lassen. Es lockte ihn wieder nach draußen. Er wollte unbedingt wieder teilhaben an dem öffentlichen Leben da draußen. Schließlich war Max kein Eigenbrötler oder Eremit.
Nachdem er sich das Essen für Mittag in der Mikrowelle aufgewärmt und hungrig verspeist hatte, las Max noch etwas lustlos in der Zeitung, und döste anschließend an seinem Lieblingsplatz. Dann war es soweit! Er beschloss endlich mal wieder einen ausgiebigen Spaziergang zu machen. Vorher machte er sich noch daran sich gründlich zu rasieren. Das Rasieren hatte er auch ein wenig vernachlässigt. Gitti hatte darüber schon des Öfteren abfällige Bemerkungen fallen lassen. Endlich war er bereit und hergerichtet um sich unter die Leute zu begeben.
Als er unten auf der Straße stand, atmete er tief durch und beobachtete den Verkehr. Die Menschen liefen geschäftig umher. Max mischte sich unter die Fußgänger, ging ganz bewusst dahin, wo sich viele Menschen aufhielten.
„Ah, das tut richtig gut, wieder an der frischen Luft und unter Menschen zu sein.“
Max hatte es sich automatisch angewöhnt mit sich selber zu reden. Üblicherweise so leise, dass es Umstehende nicht gleich mitkriegten. Irgendwie war ihm das peinlich. Doch die Zwiegespräche waren ganz von allein gekommen.
Aus einer Bäckerei mit kleinem Café roch es so lecker nach
Das Café bestand lediglich aus vier kleinen Tischen. Leider waren alle schon besetzt. Aber an einem der Tische sass nur eine einzelne Frau. Max fackelte nicht lange und beugte sich zu der Frau hinunter.
„Ist hier noch etwas frei? Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich noch dazu setze?“
Die Frau las in einem Büchlein und sah gedankenverloren zu ihm auf. Sie musterte ihn wortlos. Ihre Blicke trafen sich wie zufällig. Sie nickte ohne jegliche weitere Regung. Es war ein bisschen eng in der Ecke für die vier Tische. Trotzdem quetschte sich Max an den Tisch. Max schälte sich aus seinem Mantel und hängte ihn über die Stuhllehne und nahm umständlich Platz.
Er sass eine Weile wartend herum, bis die Frau schließlich ihren Blick von dem Buch wendete und ihn ungewöhnlich laut ansprach:
„Hier ist Selbstbedienung angesagt!“
Sie hatte eine tiefe, rauchige Stimme, die aber irgendwie erotisch klang. Komisch, aber in letzter Zeit hatte Max selten an so etwas wie Erotik gedacht.
Na, ja immerhin ein Zeichen, dass man noch nicht ganz zum alten Eisen gehört, dachte er bei sich.
„Oh, vielen Dank, das wusste ich nicht.“
Max grinste die Frau an und machte sich auf den Weg an die Theke. Sie hatte sich jedoch schon längst wieder ihrer Lektüre gewidmet und ihn nicht weiter beachtet.
Kurz darauf kam er mit einem kleinen Tablett wieder.
„Ahhh“ strahlte er den Teller an. Mit einem Heißhunger verspeiste er in Windeseile das Stück Käsekuchen und die Schlagsahne dazu. Dann rührte er eine halbe Ewigkeit in seinem Kaffee.
Nun hatte er Zeit sein Gegenüber gründlich in Augenschein zu nehmen.
Die Frau war mittleren Alters, vielleicht ein wenig über vierzig Jahre alt und hatte eine unglaublich wilde, gelockte Mähne aus dichtem rötlichen Haaren. So rote, feste und gekräuselte Haare hatten Max schon immer gefallen. Die Haare dieser Frau hatten genau diesen dunklen, feurigen Farbton, wie er in der Natur sehr selten vorkommt. Max überlegte, ob die Haare gefärbt waren. Er kniff die Augen zusammen, um am Haaransatz einen anderen Ton
Beinahe jeder ihrer Finger war jeweils mit einem gewaltigen Ring bestückt.
Max war fasziniert. Er versuchte die Verzierungen ihrer Ringe zu deuten. Einer hatte eine große grüne Kugel, die so schien es ihm, ein geheimnisvolles Licht ausstrahlte. Ein anderer glänzte silbrig und hatte ineinander verschlungene Schriftzeichen auf seiner Oberfläche. Max war so in Gedanken versunken, dass er gar nicht gemerkt hatte, wie die Frau das Lesen eingestellt hatte.
Ohne konkretes Ziel wanderte sein Blick nach oben und traf plötzlich auf ihr Gesicht. Er erschrak. Sie hatte ihn die ganze Zeit über angesehen.
Sie hatte ein überaus hübsches Gesicht. Ein paar Fältchen zierten ihre Augenpartie und die Mundwinkel. Das passte aber gut zu ihrem Alter und ihrer Erscheinung. Das Einzige, was in ihrem Gesicht ein wenig störte, war die große Nase. Sie war außerdem einen Tick zu kantig geraten. Trotzdem war sie sehr attraktiv, das musste Max zugeben. Auf ihren Lippen waren noch Reste von Lippenstift zu sehen, der die gleiche Farbe wie ihre Nägel hatte.
Aber das Beste waren ihre Augen.
Sie hatten eine tiefgründige, grüne Farbe, als würde sich dunkles Blätterwerk in einem Teich spiegeln. Es war derselbe Farbton wie die große Kugel auf einem ihrer Ringe. Max begann verträumt in diesen Augen nach dem Geheimnis ihres Glanzes zu suchen. Er konnte sich gar nicht losreißen von ihrem Blick. Diese Augen sahen tief in sein Inneres und gewährten ihm einen Blick wie ein Kaleidoskop. Max wusste sofort, dass er solche geheimnisvollen grünen Augen schon einmal gesehen hatte. Wie lange war das her?
Nein, er mochte gar nicht daran denken. Das war schon wieder so eine heikle Sache, die er unglaublich lange verdrängt hatte ...
2
Es waren bestimmt schon weit über vierzig Jahre vergangen. Das konnte man getrost eine kleine Ewigkeit bezeichnen. Ein halbes Leben sogar. Damals hatte Max ein außergewöhnliches Mädchen kennengelernt, das ihn auf ähnliche Art und Weise fasziniert hatte. Doch das Kennenlernen war damals leider nicht so verlaufen, wie er sich das vorgestellt hatte. Es war die Zeit, als Max gerade seine Lehre abgeschlossen hatte und die intensive Suche nach einer passenden Freundin seine Freizeit beherrschte. Immerhin war damals die freie und ungezwungene Liebe auf dem Vormarsch. Miniröcke, Hotpants, lange Haare und bunte Kleidung prägten das Straßenbild. Natürlich verzichteten die meisten Mädchen auch noch auf den BH! Es gab wirklich was zu sehen damals! Flower Power Zeit nannte man die Jahre um 1970 herum. Die Männerwelt war von den offen zur Schau gestellten weiblichen Reizen total aus dem Häuschen!
Max stand der neuen Mode, sich in nie gekannter Art freizügig zu kleiden, wie die meisten Männer natürlich absolut positiv gegenüber.
So manche, spezielle Modeerscheinungen, wie das Tragen von Stirnbändern und Jesuslatschen, empfand Max