Julian Wendel

Lowlife


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der bei Dunkelheit angeleuchteten Freiheitsstatue, die am Dach der Werkstatt, vor der Treppe zum Wohnhaus, auf ihrem Sockel thronend den Arm in die Luft reckte. Der Karren dampfte wie der Kühlturm eines Atomkraftwerks und unten lief das Kühlwasser in Strömen aus. Kaum eine Sekunde nachdem der Besitzer des Wagens ausgestiegen war, eilte das Wiesel auch schon zur Haustür hinaus und die Treppe herunter. Man kannte den Besitzer des Wagens… Er war Fliesenleger und Stammkunde der Werkstatt… Und wusste schon genau, dass nichts Gutes blühte, sobald er mit der heruntergewirtschafteten Kiste angefahren kam… Sofort schickte das Wiesel uns auf Gefechtsposition und ehe man sich versah stand der Wagen auf der Hebebühne. Das Leck, aus dem das Kühlwasser ausdrang, war schnell gefunden. Der Zeiger stand auf fünf vor Sechs. Doch anstatt die Sache auf sich beruhen zu lassen und den Wagen am nächsten Tag zu reparieren, hieß es sofort ran an die Arbeit… Aber bitte mit Feuereifer! Los! Los!

      Der Motor des Wagens war unter der Fahrerkabine verbaut. Man konnte ihn nur von unten oder durch eine Wartungsklappe im Fahrgastraum erreichen. Die Hebebühne schraubte den Wagen der Decke entgegen, während man mich in die Fahrkabine befahl, damit ich von oben durch die Wartungsklappe leuchten und etwas Platz machen konnte. An Kabeln, Rohren, porösen Keilriemen und veröltem Metall vorbei, sah ich das Wiesel, zusammen mit dem Kollegen, unter dem Auto hantieren. Eine der Wasserleitungen war durchgerostet… Natürlich war es wie so oft gerade die am schwersten zugängliche Leitung… Die ganze Hebebühne wackelte und knarzte, als sie dort unten anfingen, sich eine Bresche durch das Gewirr im Motorraum zu schlagen. Immer mehr Teile landeten auf dem Boden, Ratschen knarrten und man schnaubte, schraubte, fluchte und prustete… Da hatte sich mal wieder jemand überschätzt… Bald lag ich mit dem Bauch auf dem Motor und mein Arm versank mitsamt der Lampe immer tiefer in dem schwarzen Schlund, wand sich an scharfen Kanten und heißem Metall vorbei… Ob ich ihn da wohl je rausbekommen würde?… Jetzt bloß nicht die Lampe fallen lassen, dachte ich wie blöde in einem fort.

      »Hier unten sieht man NICHTS! Schläfst du da oben?!«, blökte es von unten hoch. Ich erschrak, die Haut berührte etwas Heißes und die Lampe fiel.

      »AUUFHEEBÄÄÄÄN!« Ich schnellte hoch, wühlte mich aus dem Wageninneren hervor und sprang die Bühne herunter… Erst als ich wieder oben war bemerkte ich die blutende Schramme, die sich über den gesamten Unterarm zog und die Brandstelle direkt daneben… Das Rütteln und Wüten ging weiter, zwischendurch kommandierte man mich herunter, um abwechselnd zu assistieren oder Werkzeug herbeizuholen.

      Bald war man selbst wie alles andere von oben bis unten mit dem klebrigen Kühlwasser eingeschmiert… Die Soße quoll aus dem klaffenden Brustkorb des Wagens, als wolle dieser sich somit seiner Vergewaltigung erwehren. Immer wieder bekam jemand was ins Gesicht und gab entrüstete Laute von sich. Man konnte kaum noch das Werkzeug halten, wurde aber immer hastiger angetrieben. Nach einer Stunde des Entsetzens und der Agonie, war das Rohr halbwegs zugängig, von der Spritzwand abgeschraubt und freigelegt. Das Wiesel erteilte dem Kollegen die Anweisung, eine Flex herbeizuholen und das verrostete Stück Rohr herauszuschneiden… Es wolle dann ein Stück Schlauch zwischen die intakten Teile der Wasserleitung setzen… Ich eilte los, überreichte die Maschine dem Wiesel, welches sie seinerseits in die roten und zitternden Hände des Kollegen abgab, und nahm einen Sicherheitsabstand ein. Es schien mir noch immer höllisch eng da unten und er würde unmöglich gerade schneiden können. Hinzu kamen noch das nervöse Gehüpfe und irritierende Gestikulieren des Wiesels, das dem armen Kerl schlussendlich befehlend an die Arme griff und ihn somit in Stellung zwang… Gespanntes Warten meinerseits.

      »Das Ding verkantet sich, wenn ich so schneide.«

      »Schneid endlich!…«

      Mit Höllenlärm und Funkenflug ging das Sägen los.

      Wie vorausgesagt verkantete sich die Flex, der überspannten Muskelgewalt des Kollegen trotzend, fing an auszuschlagen und sauste binnen einer zehntel Sekunde zerstörungswütig dreimal in dem Spalt zwischen Motor und Spritzwand hin und her. Braungelbe Flüssigkeit tropfte am Ort eines der Einschläge herab. Eine Bremsleitung war getroffen… Es folgte ein atemloser Moment der Stille, in dem sich die Züge des Wiesels bis zur Unkenntlichkeit verzogen, als es seinen Kopf wieder in den Motorraum steckte… Unser Entsetzen war unbeschreiblich. Das Wiesel riss beide Arme in die Luft und wieder herunter und schrie… »ACH NEEEEIIN!…« Schubste den verstörten Gesellen beiseite und fauchte der beschädigten Bremsleitung entgegen… »SCHEIßE! SCHEIßE!…« Drehte sich um und fuhr den Gesellen zähnefletschend an… »Kannst du denn deine Saupfoten nich stillhalten?!«

      Ich versuchte auf Abstand zu gehen und sah Christoph wie einen getretenen Hund dastehen, die Flex noch in den zitternden, verschmierten Händen… Die Trennscheibe war nur noch ein Fetzen.

      »Nun brings auch zu Ende!« Und er besorgte eine neue Scheibe… Mit viel Glück gelang es ihm, das Kühlrohr zu entzweien.

      Nach dem Abflauen der Tobsuchtexplosion und nachdem es all die Verwünschungen losgeworden war, zu welchen sein Wortschatz es befähigte, zerrte das Wiesel eine Schublade auf, wuchtete eine Werkzeugbox heraus, drehte sich zu mir und warf sie mir in die Hände.

      »Das Bördelgerät bereitmachen! LOS LOS!«

      Wir mussten die Enden zweier Bremsleitungen bündig abschneiden, bördeln und Schraubverbindungen dazwischensetzen. Das alles unter dem Wagen stehend, während die Suppe weiter und weiter auf uns herabtropfte… Zum Schluss dann noch das Kühlsystem reparieren und den ganzen Kram wieder zusammenbauen, Kühlwasser auffüllen… Dabei angetrieben von der Bedrohung erneuter Wutanfälle… Überall lag in der Hektik herbeigeholtes Werkzeug verstreut herum, so dass man viermal danach gucken musste, wenn man etwas brauchte. Es war der reinste Höllenritt… Für die nächsten zwei Stunden verlor die Zeit jede Bedeutung, jeden sachlichen, greifbaren Gehalt.

      Die Uhr zeigte zehn nach halb neun als ich zur Haustür hereinkam und alles, was zwischen dem Entgleiten der Flex und meinem Heimweg geschehen war, gedanklich nicht mehr rekonstruieren konnte oder wollte… Völlig geschunden und nervlich am Ende… Ich wusste nur, dass es vorbei war, und neuer Schmutz für die nächste Säuberungsaktion entstanden.

      Nachdem ich ein paar Brocken Essen in meinen noch aufgeregten Magen gewürgt und geduscht hatte, malte ich mir im Stillen meines Zimmers aus, wie ich auf vielfältige Art und Weise das Wiesel abmurksen könnte… Ihm den Garaus machen, dem Mistvieh! Auf ein Schindanger werfen!… Dabei spielten große Metallrohre, die wir in der Werkstatt als Hebelwerkzeug benutzten, eine Rolle… Ich würde ihm damit den Schädel zertrümmern, seine hässliche Fratze zu Mus prügeln… Mir könnte beim Flexen, wenn er neben mir stand, plötzlich die Maschine entgleiten und selbige würde sich in seiner Visage wiederfinden… Lange Schraubenzieher würden sich sicherlich auch gut als Stichwaffe eignen… Ein paar leidenschaftliche Hiebe in den schmierigen Wanst des Wiesels wären sicher befreiend gewesen… Dass es nur so spritzt!… Ich hätte es niederschlagen und in der Altöltonne ersäufen können… Hätte ihm mit dem Schraubstock die Scheiße aus dem Hirn quetschen können… Ihm Bremsflüssigkeit oder Batteriesäure eintrichtern können, um zu sehen wie es seine verätzten Innereien auskotzt und dabei noch ein wenig auf es eintreten… Hähähä! Dem räudigen Mistvieh hätte ich zu gerne mit einer Brechstange den Schädel gespalten, oder ihm einfach die Kehle mit einem stumpfen Teppichmesser aufgeschnitten und ihn seine herrlich saubere Werkstatt mit seiner eigenen Suppe bespritzen lassen. Hätte seinen Kadaver auch unter der Hebebühne einklemmen und selbige dann langsam nach unten fahren können… Ich hätte ihm mit dem Gasbrenner langsam das verdorbene Fleisch von den Knochen sengen, oder ihm mit dem Vorschlaghammer die Knochen zertrümmern können… Hach… Es hätte hunderte von Möglichkeiten gegeben, alle gingen sie mir durch den Kopf… Aber wäre es nicht eine pragmatischere Strafe, ihn seinem kümmerlichen, ärgerlichen Dasein zu überlassen?… Was aber, wenn dieser Satansadjutant vom Ärger zehrte?… Was, wenn er es auf perverse Art genoss?

      Life’s a Bitch

      Life’s a bitch and then you die.

      That's why we get high.

      Cause you never know,

      when you're gonna go.

      NAS,