Frederik Euskirchen

Die Entführung der MS Hansa Stavanger


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SIM-Lock-Funktion erklären kann. Ich sage einfach, es ist kaputt vom Wasser. Er versteht nicht ganz, ich bin etwas gereizt und sage auf Deutsch: “Ja, Wasser, weil ihr uns in Brand geschossen habt!” “Broken?” antwortet er. Endlich begreift er, glaube ich … seitdem kam fast jeden Tag ein anderer Pirat, bis man mir das Telefon nach einem Monat zurückgab - völlig entnervt.

      Nun bin ich wieder wach, als einer der Letzten.

      Es geht weiter mit dem Aufräumen. Die Brandwachen während der Nacht waren zum Glück ergebnislos. Wir beginnen, Teile der abgebrannten Kammern auszuräumen und machen damit weiter, den Wasserschaden einzudämmen. Vlad hat das Schiff in eine leichte Schräglage gebracht, sodass wir das Löschwasser besser entfernen können.

      Während wir das tun und bevor weitere Piraten an Bord kommen, möchte ich Ihnen die fünf in traditionelle Wickelröcke gekleideten Seeräuber vorstellen, welche uns gekapert haben.

      Der Anführer ist Tarik, oder auch Somali-Captain genannt. Er ist der Anführer der fünfköpfigen Gruppe, die uns angegriffen und gekapert hat, womit die Hansa Stavanger auch “sein” Schiff wurde, wodurch er, nach dem “Commander” der Piraten, auch bedeutenden Einfluss auf die Lösegeldforderung hat, dazu später mehr.

      Tarik ist 21 Jahre alt. Ein Alter in dem viele jungen Menschen bei uns in Deutschland gerade mit dem Berufsleben anfangen und erwachsen werden. Tarik jedoch scheint schon lange im wirklichen Leben zu stehen. Ich habe noch nie einen so abgebrüht wirkenden jungen Menschen gesehen. Mögen es seine klaren Gesichtszüge sein, weswegen ihn der Kapitän immer als “sehr hübscher Junge” bezeichnet. Oder die Art, wie er jemanden anschaute. Er wirkte unheimlich streng, wie jemand, der seine Prinzipien hat, welche aber nur auf ihn selber zugeschnitten sind. Andere scheinen ihm gleichgültig zu sein. Ich bezweifle, dass er lange überlegen würde, jemanden für ein Stück Brot zu töten. Ein Jugendlicher ist das nicht, ich zweifle auch stark daran, ob er jemals so etwas wie eine Kindheit oder Jugend hatte. Leider habe ich nicht viel über ihn erfahren können. Zwar holt er mich im Verlauf der Haft einmal zu sich, auf Tee und Zigaretten, aber er spricht kein Wort Englisch und die anderen Piraten sprechen ungern über ihre Kollegen.

      In meiner Vorstellung ist er das typische Waisenkind eines Dritte-Welt-Landes, das ausgesetzt wurde und nichts hat, außer seinem angeborenen Überlebenswillen. In meiner Welt, zu Hause, würde mir so ein Leben leidtun, jetzt tun mir die leid, die in seine Hände geraten.

      Ich glaube, dass es vor allem der Eindruck von Tarik war, der mich dazu bewogen hat, an eine eigene, gewaltsame Lösung zu denken.

      Auf keinen Fall wollte ich in die Hände solcher Leute fallen, wie Tarik oder seinen Vertreter, der keinen Deut besser zu sein schien.

      Ich spreche von Hamud. Er ist älter als Tarik, vielleicht um die 25 Jahre, wirkt für einen Somali relativ muskulös und wirkt genau wie Tarik schon sehr abgebrüht. Hamud ist eher der Aktionist, er bewegt sich auch immer sehr hektisch, schreit gern mal rum und ist auch schnell mit der Waffe, wie sich später rausstellen wird.

      Er war es auch, der nach Erreichen der Brücke bei der Kaperung die Anweisungen gab, uns nach Waffen durchsuchte, als wir zum Feuer gingen, uns dort regelmäßig kontrollierte und schließlich ist er es, der die restlichen Piraten während der Überfahrt nach Somalia auf ihre Wachposten verteilt.

      Zunächst denken wir, Hamud sei der Anführer, so aktiv war er. Aber als Tarik letztendlich sagt: “Me boss!” wird mir bewusst, dass sie auf eine seltsame Art und Weise tatsächlich das typische Kapitän - Erster Offizier Verhältnis widerspiegeln.

      Abdullah ist eine Art Unteroffizier in der Gruppe. Er hat, nach eigenen Angaben, die Granaten auf uns abgefeuert. Er ist zunächst sehr ruhig, ich nehme ihn kaum wahr. Erst nach vielleicht zwei Monaten, von welchen er auch einige Zeit nicht mehr an Bord verbringt, kann ich mit ihm in Kontakt kommen.

      Abduallah ist 27 Jahre alt und wohnt in Mogadishu. Das sagt er immer wieder, woraufhin er sich krüppelhaft bewegt und “Karate!” sagt. Manchmal benutzt er auch sein Lieblingsspielzeug dazu, einen Schraubenzieher. Er macht das nicht, um uns einzuschüchtern, ich glaub er will es einfach zeigen. Oft sitzt er auch bei einem und wiederholt immer wieder: “No problem!” Generell erlebe ich ihn, nachdem er dann einmal aufgetaut ist, als recht besonnen und fast schon freundlich. Das gilt für viele der somalischen Piraten, aber bis wir in unserer Haft dieses Verhältnis aufbauen können, dass die Piraten sich uns so zeigen, vergeht eine lange, mühsame Zeit.

      Asman und Masa- al Abdallah sind die beiden Letzten im Bunde, in der Piratenhierarchie scheinen es Soldaten, vergleichbar mit Mannschaftsdienstgrad zu sein. Sie sind vom ersten Tag an nicht sonderlich aggressiv. Als ich kurz nach der Kaperung auf der Brücke stand und darauf wartete, zum Feuer gehen zu können, hat Masa meine Mütze aufgezogen. Als er meinen Blick sah, glaube ich, wusste er, dass es meine ist.

      Daraufhin will er sie mir wiedergeben. Kann er behalten.

      Mit ihm unterhalte ich mich schon kurz nach der Entführung, z. B. auf dem Weg nach Barawe. Er spricht ein wenig Englisch und versucht mir klarzumachen, dass kein Grund zur Sorge besteht.

      Genau wie Asman, mit dem ich mich auch im späteren Verlauf der Geiselhaft recht gut verstehe. Da sie beide zum Kaperteam gehören, haben sie einen höheren Anspruch auf das Geld. An Bord findet ihr Wort außerdem etwas mehr Gehör bei ihrem Chef - damit wird das gute Verhältnis irgendwann nützlich für uns.

      Asman kommt in den letzten Wochen der Haft regelmäßig zu mir, bringt mal ein großes Glas Milch mit oder etwas von den somalischen Bohnen und meint, dass alles ok sein wird. Auch für die Mannschaft sind die Worte gut. Seitdem ich ihn einmal gebeten habe, das mal nicht nur mir zu erzählen, blüht er regelmäßig darin auf, unseren Jungs zu sagen, dass niemals ein somalischer Pirat eine Geisel töten würde, nur Geld wollten sie und mehr nicht. Damit wird er zwar nicht unser Freund, aber immer wieder eine gern gesehene Aufmunterung.

      Zum Ende hin verspricht er mir sogar 500 Dollar vom Lösegeld, auf die warte ich aber leider bis heute noch.

      Bis wir allerdings auf diesem Niveau mit unseren Wärtern umgehen können, dauert es noch einiges. Jetzt beginnt an Bord erst mal die harte Zeit der Eingewöhnung und des psychischen Terrors.

      Wir erreichen Barrawe, wo wir für einige Zeit den Anker schmeißen. Es kommen zusätzliche Piraten an Bord, sie bringen Waffen und Khat. Khat ist in ostafrikanischen Ländern eine weitverbreitete pflanzliche Droge.

      Man kaut die Blätter, entzieht ihnen mit dem Speichel die Wirkstoffe und spuckt den Rest aus.

      Nach unserer Freilassung habe ich oft gelesen, dass Khat, von dem ich vorher nur sehr wenig wusste, so ähnlich wie Speed sei und dass es die Leute aggressiv und unberechenbar macht.

      Das habe ich weder bei den Piraten bemerkt, noch bei uns.

      Auch ich habe es nach einiger Zeit an Bord mal probiert und wenn die Droge Speed, die ich selbstverständlich noch nie probiert habe, so wirkt, frage ich mich, wieso sie verboten ist. Ich will damit sagen, Khat kauen entspricht ungefähr dem Genuss eines starken Kaffees.

      Mit dem Unterschied, dass die Wirkung viel langsamer eintritt und leicht variiert. Man wird zwar wacher, aber der Körper entspannt sich etwas mehr und man muss nicht so häufig auf Toilette, wie nach drei oder vier Kannen Kaffee. Die sonstigen Nebenwirkungen wie nach übermäßigem Kaffeekonsum bleiben auch aus. Lediglich der Appetit wird reduziert.

      Die Piraten, welche wirklich Unmengen davon vertilgen, klagen regelmäßig über Kopfschmerzen und Magenschmerzen. Ich denke, die Schmerzen im Kopf kommen von dem Schlafmangel, der durch die aufputschende Wirkung des Khats verursacht wird. Die Magenprobleme zeigen sich häufig in Form von Übersäuerungen und Blähungen, vielleicht eine Folge der geringen Nahrungsaufnahme und der Inhaltsstoffe der Pflanze.

      Aggressives Verhalten oder sonstige Veränderungen habe ich nie feststellen können, bei uns schon gar nicht und bei den Piraten auch nicht. Jedenfalls nicht in erkennbarem Zusammenhang mit Khat-Genuss.

      Zwar