sie uns bei dieser Entscheidung unterstützen würde.
Der Kapitän ist für das Schiff verantwortlich, weder Reeder noch Charterer können ihm Entscheidungen im Sinne der Schiffsicherheit streitig machen, so ungefähr auch die Antwort der Reederei.
Wir blieben bei unseren 400 sm.
Zeitweise müssen wir sogar befürchten, dass unser Kapitän noch näher an die somalische Küste möchte.
Die wunderliche Begründung für diese Idee, welche ihm von einem unserer Ingenieure souffliert wurde, ist, quasi hinter die "feindlichen Linien" zu fahren. Wir, die drei nautischen Offiziere, widersprechen dem und sind froh, dass es doch nicht zu dieser Entscheidung kommt, da sie eindeutig unsere Loyalität zu unserem Kapitän infrage gestellt hätte - bereits jetzt.
Eine andere Sache, die uns während der Reise beschäftigt, sind die ständigen Ermutigungen des Kapitäns während unserer Wache ggf. Wegpunkte abzuschneiden, sprich kleine Abkürzungen zu nehmen - die uns allerdings wiederum näher an Somalia gebracht hätten.
Vlad, Slava und ich unterhalten uns darüber und sind uns einig - sollten wir während unserer Wache dazu die Anordnung erhalten, dieser deutlich zu widersprechen und ggf. die Wache an den Kapitän abzutreten.
2.2 Der 04. April 2009
In der Nacht des 04. April stehe ich ab Mitternacht auf der Brücke. Ich habe selten so eine klare und ruhige Nacht gesehen. Der Sternenhimmel ist so deutlich, als wäre er zum Greifen nah, das spiegelglatte Meer reflektiert ihn und es wird schwer, sich durch diese Schönheit nicht ablenken zu lassen.
Wie mitten im Indischen Ozean üblich, ist kein Verkehr und nachts ist die Wahrscheinlichkeit eines Angriffes gering, aber das ändert nichts daran, dass wir aufmerksam sein müssen. Trotzdem, den Schein einer so herrlichen Nacht sollte man teilen und so rufe ich unseren technischen Offiziersassistenten Christian an.
Wir sind uns einig, das sind die Eindrücke und Momente, welche die Seefahrt trotz ihrer Entbehrungen schön machen können.
Auch wenn ich mich von meinen Pflichten auf der Brücke nicht ablenken lasse, kann ich doch für einen Moment das Gefühl vergessen, dass es hier im Indischen Ozean, irgendwo etwas Böses gibt, das auf uns lauert.
Zu Hause scheint man sich der Gefahren im Indischen Ozean wohl auch bewusst zu sein, kaum ist Christian wieder unten, bekomme ich ein Fax auf die Brücke, von einem anderen Christian, meinem Vater. Er schreibt, wie so oft, ich solle mich vor Piraten in acht nehmen und schreibt über ein paar Ideen zur Abwehr von Kaperversuchen.
Zum Ende meiner Wache antworte ich, mit ziemlicher Überzeugung, dass wir hier schon heil durchkommen. Zu früh gefreut …
Kurz nach vier ist meine Wache an den ersten Offizier übergeben und ich gehe auf Kammer. Gegen fünf Uhr schlafe ich ein. Keine vier Stunden später werde ich durch einen Alarm geweckt - ein langer Ton und die Durchsage vom dritten Offizier
"Vessel under Pirates Attack".
'Scheiße, das kann doch nicht sein ...', denke ich mir. Während ich mich rasch anziehe, kommt mir für den Bruchteil einer Sekunde der Gedanke, dass es sich um eine Übung handeln könnte.
Aber nein, die hätte ich ja dann selber vorbereitet und angesetzt - und das habe ich nicht. Eine kurze Zeit später bin ich oben auf der Brücke.
Zum Zeitpunkt des Angriffs, welcher sich ungefähr gegen 09:00 Uhr einleitete, ist die Brücke mit dem 3. Offizier besetzt. Der Wachmann wurde leider durch die Schiffsführung mit einer anderen Aufgabe betraut.
Die Vorgänge auf der Brücke bevor ich hochkomme sind mir nicht genau bekannt.
Aus der Erzählung scheint es sich jedoch so zugetragen zu haben, dass der 3. Offizier das Skiff an Backbord voraus in angeblich bereits 6 nm wahrnahm. Zunächst visuell, dann zur Bestimmung von Peilung und Distanz mit Hilfe des Radars.
Da das Skiff auf die HS Kurs nahm, änderte er den Kurs ca. 15° nach Steuerbord, das Skiff folgte und nahm Geschwindigkeit auf.
Kurz darauf wurde sofort Alarm ausgelöst.
Angeblich wurde noch eine volle Wende nach Steuerbord durchgeführt, was natürlich die Reduzierung der Schiffsgeschwindigkeit zu Folge hatte.
Man erkennt also, wie wichtig eine frühzeitige Erkennung ist, damit man noch in Ruhe das Schiff wenden kann, ohne Geschwindigkeit zu verlieren.
Als ich auf die Brücke komme, schaue ich zunächst auf das Radar, wo ich das Skiff nicht entdecken kann und vor allem auch keine Hinweise auf ein Mutterschiff.
Die Angreifer kann ich wenig später achteraus, leicht an Steuerbord versetzt sehen, ungefähr 1,5 sm entfernt.
Auf der Brücke befindet sich bereits der 1. Offizier, welchen ich bitte, das AIS einzuschalten, während ich das SSAS aktiviere. Der Kapitän ist ebenfalls schon auf der Brücke und hat die Maschine schon auf voll voraus gelegt. Die Feuerlöschpumpen laufen ebenfalls schon.
Der 3. Offizier wird runtergeschickt, um die Mannschaft zu mustern, welche sich bereits in der Zitadelle befindet. Allgemein verläuft unsere Reaktion auf den Notfall wie geplant.
Meine Aufgabe ist hauptsächlich die Kommunikation mit den zuständigen Behörden.
Ich schicke einen Notruf über Funk und ein vorbereitetes Telex an UKMTO und rufe diese auch mittels Satellitentelefon an. Mit UKMTO telefoniere ich die meiste Zeit über. Neben reichlich Fragen wie Anzahl der Skiffs und Piraten, Beschaffenheit des Skiffs, sichtliche Bewaffnung und Ausrüstung, welche aus empirischen Gründen gestellt werden, gibt man uns stets hilfreiche Anweisungen. Regelmäßig wird nach der Lage des Skiffs, Geschwindigkeit des Schiffes und der Möglichkeit, evtl. in See und Schwell zu drehen, gefragt. Entsprechend unseren Antworten werden dann Anweisungen und Ratschläge gegeben.
Je nach Situation, immerhin sind wir zwischenzeitlich unter Beschuss, kann ich dies an den Kapitän weitergeben oder selbst durchführen.
Hauptsächlich beinhalten die Anweisungen die Standardmanöver wie Zickzack-Kurs und versuchtes Abdrängen des Skiffs. Besonders hilfreich ist UKMTO, da es einen auch über den richtigen Zeitpunkt der Einleitung des Manövers berät. Eine ruhige und detaillierte Beschreibung der Situation an Bord ist daher sehr wichtig.
Nur eine Sache kann man UKMTO ankreiden. Keine neunzig Seemeilen von der HS befindet sich ein deutsches Marineschiff der Atalanta-Mission, das bereits in der Nacht bei uns ist.
Auf meine Nachfrage bezüglich Marinekräfte sagt mir UKMTO, das nächste Fahrzeug sei mehr als 600 sm entfernt. Das Wissen um unsere Fregatte hätte unser Verhalten nach der Kaperung um einiges verändert.
Zurück auf die Brücke:
Die Kommunikation durchgehend zu besetzen und neben dem Rudergänger auch einen weiteren Offizier dem Kapitän zur Seite zu stellen halte ich für das Sinnvollste.
In der Zeit während des Angriffs bis hin zur Kaperung hat sich dieses System als durchaus effektiv gezeigt. Jeder kann sich auf seine Aufgabe konzentrieren, sei es Rudergehen, Beobachten des Skiffs, Manövrieren oder die Kommunikation.
Insgesamt wurde das Skiff zweimal erfolgreich abgedrängt, beim dritten Mal gelingt dies nicht. Hier eine detaillierte Beschreibung.
Die erste Attacke kommt von Steuerbord aus. Unsere Geschwindigkeit zu diesem Zeitpunkt ist um die 18 bis 19 kn. Während das Skiff immer näher kommt und wir genaue Anweisungen von UKMTO bekommen, die ich weitergebe, hopst der Kapitän wie aufgedreht um mich herum und versucht aus dem Fenster Fotos zu machen. Die Anweisungen rufe ich an ihm vorbei, Jack, der Rudergänger bekommt sie auch so mit. Wir fangen an, je näher sie kommen, Zickzack-Manöver durchzuführen. Als der Kapitän das mitbekommt, unterstützt er unser Vorhaben lautstark: “Ja sehr gut, machst Du weiter so!” während er weiter Fotos macht. Es reicht langsam, ein oder zwei Fotos sind doch genug, wenn wir uns nicht konzentrieren, sind die Fotos sowieso nutzlos – so ist es auch, die