Karin Itzigehl

Saris, Götter, Sandokan - Ein Reisetagebuch


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Mal hat der eine die Kofferträger mit Trinkgeld beglückt, mal der andere, das Abendessen, Tuktuk-Fahrer, Schuh-Aufpasser bezahlt, und vieles mehr fällt über den Tag verteilt an. Das wird dann abends auseinander klamüsert, und danach sehen wir, wie viel Geld wir noch in bar haben und wann das nächste Geldabholen fällig ist. Wir machen die Klimaanlage aus und schalten den Ventilator an in der Hoffnung, dass wir besser schlafen können.

      09 - Straßenszene in Mandawa mit Friseur

      10 - Ein Haveli während der Restaurierung, Elefanten als Glückssymbole

      11 - Ein restauriertes Haveli (Kaufmannshaus)

      12 - Ein kunstvoll bemaltes Haveli von Innen

      3. Tag – 18. Oktober 2012 – Mandawa – Bikaner

      Leider hat das nicht geklappt mit dem Schlafen, ich war die meiste Zeit wach. Blöderweise hatte ich nach dem Baden das Einschmieren mit Nobite-Gel vergessen. Die Quittung: Drei Insektenstiche. Ich hoffe, dass die nicht gefährlich sind. Laut WHO-Karte war im Oktober das Malaria-Risiko in Rajasthan nur gering. Mit den Malarone-Tabletten soll ich erst später beginnen. Jetzt wäre es eh zu spät. Wir fotografieren noch in der edlen Hotel-Anlage mit Garten und Pool und frühstücken noch einmal in dem schönen Dinning room. Dann bestellen wir die Kofferträger, drücken ihnen wie immer 50 Rupien in die Hand, und da sehen wir auch schon den Guide, der noch auf seinen Voucher wartet, den ich am Vortag nicht dabei hatte. Suresh ist auch schon da, fährt mit dem Auto auf den noch nicht so schön restaurierten Hof der sonst schönen Hotelanlage. Dann düsen wir ab. Dieses Mal ist die Straße insgesamt besser, wenngleich es auch immer wieder schlechte Abschnitte gibt. Suresh hält an einem Hanuman-Tempel. "Heute ist Dienstag, und Dienstag ist Hanuman-Tag", erklärt er. Er macht das Ritual vor, wir machen es nach und fotografieren uns dabei. Zuerst wird die Glocke am Eingang betätigt, dann bekommen wir vor dem Altar einen roten Punkt mit Reis auf die Stirn, wir bekommen aus einem Löffelchen einen Schluck Wasser mit einem Stück Minzblatt. Es wird aufgepasst, dass wir das auch wirklich essen. Beim Trinken stelle ich mich absichtlich dumm an, das Wasser ist bestimmt nichts für unsere Mägen. Zumindest in der ersten Woche sollte man das Wasser nur aus original verschlossenen Trinkflaschen trinken, wenn man sich keinen Durchfall einfangen will. Ich bin zwar gegen Cholera, Typhus, Hepatitis A und B, Tollwut und Grippe geimpft, aber es können ja auch andere Erreger drin sein. Dann bekommen wir eine silberne Haube aufgesetzt, und zum Schluss müssen wir mit zwei Stöcken zwei Pauken bedienen. Wir fragen Suresh, was das alles bedeutet, was wir machen, aber entweder weiß er es selbst nicht oder kann es nicht in Englisch ausdrücken. Aber er ist erfreut über unser Interesse, scheint mir. Auf jeden Fall beschützt uns Hanuman jetzt in unserem Auto, er hängt als Plastikteil am Vorderspiegel und wird auf der Reise ständig seinen Schwanz verlieren, der dann irgendwann nur noch auf der Armatur liegt. Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir auch gerade durch unsere Chauffeure, mit denen wir ja viel zusammen sind, besser Englisch lernen, aber Suresh kann es nur schlecht. Es ist für die Inder halt auch nur eine Fremdsprache, auch wenn sie dort Amtssprache ist. In den Schulen wird zuerst die Heimatsprache gelehrt, außerdem Hindi und Englisch. Aber meistens unterhalten sich Inder, wenn sie aus verschiedenen Sprachregionen kommen, auf Englisch. Unsere anderen Fahrer in Südindien und Mumbai sprechen dann besser Englisch. Husni sagt, dass er über seine Firma schon öfter Kontakte zu Indern hatte und sie je nach der Region, woher sie kommen, auch unterschiedliche Englisch-Dialekte haben. Viel vermischt sich wohl auch mit den zahlreichen indischen Dialekten. Letztlich lerne ich aber auch viel von den englischsprachigen Guides. An manchen Orten war es mir wichtig, deutschsprachige Guides zu haben, z.B. in Varanasi, wo man schnell etwas falsch machen kann als Ausländer oder in so wichtigen Städten wie Jaipur, wo es viel Historisches und Baugeschichtliches zu verstehen gilt. An einer Raststätte halten wir, Suresh braucht ein Mittagessen. Wir sparen das immer ein, knabbern mittags nur immer etwas Kleines. So kommt auch keine Müdigkeit auf. Wir wechseln unser Großgeld in Kleingeld, indem wir erste Mitbringsel einkaufen. Ich suche mir zwei Armreifen aus. Die Auswahl fällt schwer, weil mich die Fülle fast erschlägt. An den Raststätten die Geschäfte sind immer etwas teurer als in den Städten, dafür wird man aber nicht so sehr von den Händlern genervt, was wir zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht wissen. Die Vegetation in Rajasthan ist nicht gerade üppig: Ein paar Sträucher am Straßenrand hin und wieder, eine kleine Fläche mit medizinischen Heilpflanzen und Kräutern. Wir fahren am Rand der Thar-Wüste entlang, wo im Jahr zwischen 150 und 350 mm Niederschlag fallen. Dieses Jahr und die beiden Jahre davor hat es gut geregnet, berichtet Suresh. Davor gab es eine ganze Reihe Jahre Trockenheit. Dabei verdorren nicht nur ganze Landstriche, sondern auch die Tiere verenden, weil sie nichts zu Fressen finden. Also, der Monsun kommt nicht immer überall hin. Seit 1986 versorgt der Rajasthan-Kanal die Wüstenbewohner mit Wasser aus Punjab, aber für eine flächendeckende Landwirtschaft reicht es natürlich nicht. Nur hier oder da gibt es Plantagen und Felder. Die Menschen dort leben vor allem vom Handwerk und Handel, erfahren wir, sehr viele sind arm. Wir checken ein in das Lallgarh Palace Hotel in Bikaner, ein rotes Sandstein-Pracht-Ensemble. Unser Guide kommt nicht, deswegen springt ein anderer ein: Anny, ein Mann, der uns zuerst das berühmte Junagarh Fort zeigt, ganz ausführlich erklärt, die einzelnen Palast-Teile, den Thronsaal, die Technik-Sammlung des Herrschers und die Waffenkammer. Rai Singh, der dritte Herrscher von Bikaner, hat das Fort im 16. Jahrhundert bauen lassen. Wir sehen eine unglaublich goldene und mit farbigen Bemalungen und Intarsien versehene Pracht. Das Fort ist umgeben von einem Graben, in dem einst Krokodile zur Abschreckung der Feinde dienten. Dann geht es zu einer Kamelzucht. 2500 - 5000 Kamele sind ständig dort, erfahren wir, und es ist die einzige staatliche Kamelzucht in Indien. Es gibt ein Museum mit den nötigsten Informationen, dann streunen wir vorbei an Ställen und versuchen, nicht so viel trockenen Lehmstaub mit unseren Füßen aufzuwirbeln. Es ist heiß, 35 Grad Celsius. Wir kommen genau zur richtigen Zeit, denn gerade kommt eine große Herde von draußen an die Tränke. Wir bleiben abseits und fotografieren das und wie sich junge Kamele an den Zitzen ihrer Mütter bedienen. Wieder am Auto schicken wir Fahrer und Stadtführer zum Getränkekauf, Einheimische werden nämlich nicht so abgezockt, Suresh hatte uns anfangs geraten, das so zu machen.

      Dann fahren wir ein paar Kilometer nach Deshnoke und halten an einem Tempel, über den uns vorher niemand aufgeklärt hat. Nur dass er Karni Mata heißt. Wir ziehen wie vorgeschrieben wieder die Schuhe aus, geben sie ab und gehen hinein. Ich bin noch gar nicht richtig drin, bewundere noch das große, kunstvolle silberne Tor, da huscht etwas Weiches über meinen Fuß, und Husni hinter mir quietscht. Ich schaue mich um. Überall laufen Ratten herum, an manchen Stellen haben sie Fressnäpfe. Wir sind im Rattentempel! Anny schaut mich erwartungsvoll an, hat wohl gehofft, dass ich kreische. Aber mit Ratten habe ich kein Problem. Hätte er uns in einen Spinnentempel geführt, hätte er nicht so schnell gucken können, wie ich wieder draußen gewesen wäre. Er sagt, es sei der größte und bedeutendste Rattentempel Indiens. An dem bunten Altar sitzen Männer um eine Futterstelle für Ratten herum. Frauen, Männer und Kinder gehen an den Altar, berühren eine rote Stelle und gehen wieder. Es riecht nach Kot. Überall ist er zu finden, ein alter Mann mit Besen kommt gar nicht so schnell hinterher. Ratten spielen miteinander, balgen sich. Wir sprechen zwei schöne Frauen in farbenfrohen Saris an, die einen kleinen Jungen dabei haben. Sie freuen sich, dass ich ein Foto mit ihnen gemeinsam mache. Als ich ihnen anbiete, es ihnen per E-Mail zu schicken, lächeln sie und sagen, sie hätten nicht einmal eine Adresse. Schade, sie bedauern es, dass sie nie dieses Bild mit der Europäerin haben werden. Anny stellt uns dann vor die Wahl: Entweder wir besuchen eine Produktion von Kamelwolle mit Verkauf oder eine Hochschule der Künste mit Verkauf. Ich komme mir vor wie bei einer gehobenen Kaffeefahrt, aber wenn es denn schon sein muss, entscheiden wir uns für die Malerei. Die ist dann auch wirklich exzellent. Obwohl, eine Hochschule ist das wahrscheinlich nicht, nur eine kleine Kaschemme. Aber egal. Der Künstler führt uns vor, wie er mit einem einzigen Pinselhaar hauchzarte Linien malt. Schöne Bilder mit Göttern, Tieren, Menschen und verschiedenen Szenen