Heidi Oehlmann

Glück auf Spanisch


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      Ich schaue in den Rückspiegel. Während Carlotta zufrieden mit dem heutigen Babysitter ist, scheint Alfredo nicht begeistert zu sein. Er schaut verträumt aus dem Fenster.

      Als wir Klara letztens am Strand getroffen hatten, verhielt er sich schon so komisch. Am Abend, als ich die Kinder ins Bett brachte, fragte ich ihn, was los war, aber er sagte mir nichts. Aus Sorge über sein Verhalten habe ich mit Sarah darüber gesprochen. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen und meinte, er würde vielleicht nur seine Mutter vermissen.

      Auch heute Nachmittag verhielt sich Alfredo merkwürdig, als ich ihm und Carlotta von ihrer heutigen Babysitterin erzählte. Erst hörte er aufmerksam zu und nickte, nur um kurz darauf rauszulaufen und sich stundenlang draußen aufzuhalten. Langsam bin ich verzweifelt. Ich kann nur hoffen, dass am Abend alles gut geht, wenn Klara da ist und Alfi nichts anstellt.

      »Schläft Klara auch bei uns?«, fragt Carli nach einer Weile.

      »Nein«, antwortet Alfredo, noch bevor ich etwas sagen kann.

      »Alfi, was ist denn los?«, hake ich vorsichtig nach. »Magst du Klara nicht?«

      »Geht so«, wiederholt er sich.

      »Warum darf sie nicht bei uns schlafen?«

      »Darum«, schreit er mich an.

      Ich schweige. Am liebsten würde ich jetzt anhalten, um mit meinem Sohn in aller Ruhe zu sprechen, aber wir sind spät dran. Wenn ich Klara und die Kinder noch nach Hause fahren muss, habe ich keine Zeit zu trödeln. Ich bin nicht mal umgezogen.

      Wir kommen am Hotel an. Wie abgemacht, wartet Klara auf dem Parkplatz. Als sie uns sieht, kommt sie auf uns zu und steigt sofort ein. Sie nickt mir zu. »Hallo, ihr beiden«, sagt sie und wendet sich den Kindern zu.

      »Hallo Klara«, trällert Carlotta fröhlich.

      Von Alfredo kommt wie befürchtet keine Reaktion. Er schaut aus dem Fenster und ignoriert Klara einfach.

      18. Klara

      »Was ist denn mit ihm?«, flüstere ich und deute mit dem Kopf in Alfredos Richtung.

      »Ehrlich gesagt weiß ich das nicht. Ich versuche schon seit Tagen, hinter sein komisches Verhalten zu kommen.«

      »Hm.«

      »Ich hoffe, Sie kommen mit ihm klar.«

      Das hoffe ich auch! Natürlich spreche ich das nicht laut aus. Stattdessen bete ich, Alfredo läuft mir nicht weg, so wie er es am Strand gemacht hat. Bevor das passiert, nehme ich es lieber in Kauf, wenn er mich ignoriert.

      »Meinen Sie, Sie schaffen das, Klara?«

      »Ich denke schon.«

      »Gut, ich muss mich jetzt schleunigst umziehen. Sie haben bei mir etwas gut.« Miguel verschwindet aus dem Wohnzimmer.

      Ich gehe nach draußen und wende mich Carlotta zu, die auf der Terrasse am Tisch sitzt und ihrer Lieblingsbeschäftigung dem Malen nachgeht. »Na, was malst du Schönes?«

      »Das bin ich, das ist Alfi, das hier ist Papa und rate mal, wer das ist!«, während sie redet, zeigt sie auf die einzelnen Figuren.

      »Keine Ahnung, wer ist das denn?«

      »Rate?«

      »Hm, deine Tante.«

      »Nein«, kreischt sie vor Freude. »Rate noch mal!«

      »Hm, ich weiß nicht. Die Paula?«

      »Neiiiin«, ruft sie mit schriller Stimme.

      »Wer denn dann? Kannst du mir das nicht verraten?«

      Einen Augenblick lang schaut sie mich überlegend an. Ich rechne schon mit einer Abfuhr und der Aufforderung, erneut raten zu müssen, doch dann überrascht sie mich. »Das bist du-huu. Das muss man doch erkennen! Guck, das sind deine blonden Haare, hier sind deine blauen Augen und das ist das rote Kleid, was du anhast. Siehst du das nicht?«, erklärt sie mir altklug und zeigt dabei auf die einzelnen Stellen. Das ist so süß.

      Es fällt mir schwer, nicht laut loszulachen.

      Ich nicke und versuche ernst zu schauen. »Ja, stimmt. Jetzt sehe ich das auch«, sage ich. Bevor ich in schallendes Gelächter ausbreche, beiße ich mir auf die Unterlippe.

      Carlotta nickt zufrieden und malt noch eine Sonne auf das Bild.

      Ich überlege, ob ich zu Alfredo gehen und wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Mir wird ein bisschen flau in der Magengegend, wenn ich an die nächsten Stunden denke. Auf die Zeit mit Carlotta freue ich mich, doch was mit ihrem Bruder auf mich zukommt, ist noch ungewiss.

      »So, ich fahre los!«, holt mich Miguel in die Realität zurück und lässt mich zusammenzucken. Entweder hat er sich angeschlichen oder ich war mit meinen Gedanken in weiter Ferne, wie ich es oft bin, wenn ich mich beim Schreiben ganz auf die Geschichte einlasse. Dann vergesse ich alles um mich herum.

      Ich starre ihn an. Er sieht in dem Anzug verdammt heiß aus.

      Klara, reiß dich zusammen!, ermahne ich mich.

      Miguel verabschiedet sich erst von Carlotta, dann geht er zu Alfredo. Er sagt etwas zu ihm, das ich nicht verstehen kann, wahrscheinlich, dass er lieb sein soll.

      Als er fertig ist, kommt er zu mir und bleibt vor mir stehen. »Wenn irgendetwas ist, rufen Sie mich bitte an, Klara. Es wäre schön, wenn Sie den Kindern noch etwas zu essen machen könnten. Spätestens um acht Uhr sollten sie im Bett liegen.«

      »Okay«, antworte ich und zwinge mich zu einem Lächeln.

      Miguel geht und lässt mich mit seinen Kindern zurück. Nach einem Blick auf die Uhr frage ich: »Habt ihr schon Hunger?«

      »Nein«, antwortet Carlotta wie aus der Pistole geschossen.

      Alfredo zuckt wie immer mit den Schultern.

      Ich nehme meinen Mut zusammen und gehe zu dem Jungen. Er sitzt auf einem großen Felsbrocken und starrt auf den Boden.

      »Na, du.«

      Er reagiert nicht.

      »Alfredo, was ist denn los?«

      Er schaut mich an, öffnet den Mund, als ob er etwas sagen will. Doch einem Sekundenbruchteil später schließt er ihn und läuft ins Haus.

      »Na das kann ja heiter werden«, flüstere ich und gehe zurück zu seiner Schwester. »Sag mal, Carlotta?«

      »Ja.«

      »Weißt du, was mit deinem Bruder los ist?«

      »Klar«, antwortet sie und nickt dabei.

      »Und verrätst du es mir auch.«

      Carlotta schaut sich um, wie eine Geheimagentin. »Aber nur, wenn du es keinem weitersagst.«

      »Okay.«

      »Auch nicht Papa. Du musst schwören!«

      Ich überlege, ob ich solch einen Schwur einhalten kann.

       Falls es etwas Schlimmes ist, kann ich es doch unmöglich für mich behalten, oder?

      Einen Augenblick denke ich darüber nach, das Carlotta zu sagen, bezweifle aber, dass sie es verstehen würde. »Also gut, ich schwöre, niemandem etwas zu verraten. Was ist denn mit Alfredo?«

      Bevor sie etwas sagt, schaut sie sich erneut um und winkt mich näher zu sich heran. Ich komme ihrer Aufforderung nach. Sie formt ihre Hände zu einem Trichter und hält sie mir ans Ohr. »Alfi vermisst die Mama«, flüstert sie.

      Muss man deshalb so unfreundlich sein?, frage ich mich in Gedanken, behalte es jedoch für mich.

      »Ich will für den Papa eine neue Frau finden, wir brauchen ja auch eine neue Mama. Aber Alfi findet die Idee doof. Der Blödmann denkt, die Frau läuft dann wieder weg.«