Frank Hille

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 3


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ist, dass meine guten Seile hier bleiben müssen, weil die Banditen zur Abschreckung ein paar Tage hängenbleiben sollen. Aber ich habe mir schon Gedanken gemacht. Man könnte doch sozusagen eine Art Staffellauf einrichten. Also ich meine das so: die hier hängen werden in ein paar Tagen von den uns folgenden Einheiten abgenommen und verscharrt. Damit haben die dann meine Seile. Wenn wir andere Erhängte finden gehören die Seile uns. Und so weiter und so fort. Was hältst du davon?“

      „Keine schlechte Idee“ antwortete Weber uninteressiert, was gingen ihn solche Dinge an.

      „Ich werde mal mit dem Chef reden“ sagte der Spieß von sich selbst begeistert „vielleicht lässt sich daraus eine Dienstanweisung formulieren. Ich werde heute Abend mal was aufschreiben.“

      Er ging weg.

      Günther Weber stand auf dem sich immer mehr leerenden Dorfplatz. Die Männer der Einheit gingen zu ihren Fahrzeugen oder suchten sich ein Quartier. Sie würden heute hier übernachten und dann morgen weiterziehen. Einige der Männer sahen sich immer noch die Erhängten an, Weber konnte manchmal Lachen hören. Er hatte kein Mitleid mit den toten Russen, sie hatten nach seinem Verständnis als nichtreguläre Kämpfer kein Recht gehabt ihre Einheit anzugreifen. Er zündete sich eine Zigarette an und ging dann langsam zu seiner Kompanie zurück. Es regnete jetzt wieder mehr, er fröstelte und zog den Kragen seiner Feldbluse hoch.

      Vor 4 Tagen hatte der Bataillonskommandeur den Tagesbefehl Adolf Hitlers verlesen, der die letzte Entscheidungsschlacht des Jahres ankündigte aber auch auf die Gefahr hinwies, die bei einem Scheitern des deutschen Angriffes auf Moskau entstehen würde, denn dann müsste man Verhältnisse für Europa befürchten wie zu Zeiten der Hunnen- oder Mongolenstürme. Ihr klares Ziel wäre es, binnen kürzester Frist Moskau einzunehmen und so den letzten Widerstand der Bolschewiken zu brechen. Anfangs sah es so aus, dass die Deutschen wieder Schwung gewinnen könnten, denn am 3. Oktober wurde Orjol durch die Panzergruppe 2 blitzstreichartig eingenommen.

      Heute aber hatten die Männer der Panzerkompanie ein Erlebnis gehabt, das ihr Selbstvertrauen stark erschüttert hatte. Die Luftaufklärung hatte heranrückende Panzer der Russen in einer Stärke von ungefähr 25 Fahrzeugen gemeldet und die Deutschen hatten sich auf ein kurzes Begegnungsgefecht eingestellt, wie es schon öfter stattgefunden hatte. Die Panzer hatten sich routiniert entfaltet und den Feind in einer Hinterhangstellung erwartet, sie wurden von einigen abgeprotzten 5 cm Pak 38 flankiert. Infanterie war hinter den Panzern in Stellung gegangen. Das Gelände vor der deutschen Stellung fiel leicht ab, so dass die Russen bergan kämpfen mussten. Das würde auch bedeuten, dass der Feind beim Angriff vermutlich wenig Geschwindigkeit entwickeln konnte und so in der schlechteren Lage war. Fred Beyer saß ruhig auf seinem Sitz und schaute durch die Winkelspiegel der Kommandantenkuppel. Er erwartete, dass die Russen wie bislang üblich ungestüm aber schlecht koordiniert angreifen würden und die deutsche Feuerdisziplin ihnen wieder starke Verluste beifügen würde. Erstaunlicherweise kamen die Russen schnell näher und Beyer sah, dass es keine BT 5 oder 7 waren. Diesmal griffen T 34 an, die in noch geringer Zahl zur Verfügung standen aber bei den Deutschen bereits für recht hohe Verluste gesorgt hatten. Während sich der Gegner näherte erinnerte sich Beyer an die Lehrtafeln zu diesem Panzer. Im Gegensatz zu den deutschen Modellen war seine Panzerung abgeschrägt und die 76,2 mm Kanone war ihrer 37 mm Waffe um Längen überlegen. Das Christie Fahrwerk sorgte für hervorragende Geländegängigkeit und die breiten Ketten verhinderten ein Einsinken im weichen Boden.

      Fred Beyer war sich ziemlich klar darüber, dass sein Panzer gegen die T 34 wohl nur wenig ausrichten konnte, es sei denn, er landete einen Glückstreffer. Den wenigen Panzer IV mit der Stummelkanone würde die Hauptlast bei der Abwehr des Angriffs zukommen und auch die Pak 38 könnten Erfolg haben. Auch dem Kompaniechef musste der Ernst der Situation bewusst sein, denn er zögerte den Feuerbefehl so lange heraus, bis die Russen auf 600 Meter herangekommen waren. Diese eröffneten das Gefecht aber schon aus mehr als 1.000 Metern. Einer der Panzer III brühte auf, die Männer booteten aus und suchten Deckung im Gelände. Die Pak 38 schossen wie wild, fast 10 Granaten verließen in einer Minute die Rohre. Zwei T 34 wurden getroffen, einer blieb stehen, der andere drehte sich mit ablaufender Kette auf der Stelle und wandte den Deutschen seine linke Seite zu. Auf dieses Fahrzeug konzentrierte sich der deutsche Granathagel und setzte den Panzer in Brand. Die anderen T34 kamen immer näher und schossen noch zwei deutsche Panzer ab. Die Kanone von Beyers Panzer feuerte ununterbrochen, aber wirksame Treffer gab es nicht. Er wunderte sich, dass die Russen sehr ungenau schossen aber sie gaben die Schüsse während der Fahrt ab und legten keinen Schießhalt ein. Außerdem war ihm bekannt, dass die Kommandanten der T34 gleichzeitig die Funktion des Richtschützen übernehmen mussten und ihnen damit der notwendige Überblick über die Lage auf dem Gefechtsfeld fehlte. Funkgeräte waren nicht an Bord, nur der Kompaniechef verfügte über so eine Anlage.

      Der Abstand zwischen den Gegnern hatte sich auf 500 Meter verringert und jetzt wurden einige T34 durch die Pak in Brand gesetzt. Auf deutscher Seite explodierten 2 Panzer. Die deutschen Panzer waren schon auf dem Feld herumgekurvt um keine statischen Ziele abzugeben und versuchten die Russen an den Flanken zu bekämpfen. Die stärker bewaffneten Panzer IV blieben im Zentrum, die schwächeren Panzer III an den Seiten. Obwohl es einigen Fahrzeugen gelang die dünner gepanzerten Seiten der T34 zu beschießen und Treffer anzubringen konnten sie die russischen Panzer nicht vernichten weil die Panzerung nicht durchschlagen werden konnte. Beyers Panzer war schon soweit vorgeprescht, dass er sich jetzt im Rücken einiger T34 befand. Ihm war klar gewesen, dass er die russischen Panzer nicht an der Front angreifen brauchte, es wäre sinnlos gewesen.

      „Lahmann“ rief er „6 Uhr, Panzergranate.“

      Der Turm drehte sich, als das Heck eines T34 in das Visier kam feuerte der Richtschütze die Kanone ab. Die 37 mm Granate prallte ab, aber der nächste Schuss ging bis in den Motorraum durch und setzte den Panzer in Brand. Der T34 blieb sofort stehen, die einteilige Turmluke öffnete sich und drei Männer kletterten heraus. Lahmann feuerte das Turm-MG ab, der Funker das im Bug befindliche. Die drei russischen Panzersoldaten wurden von den Geschossgarben wie Marionetten geschüttelt und vom Panzer heruntergefegt. Der Panzer III drehte sich jetzt so, dass sein Bug auf die Seite der anderen T34 zeigte. Im gleichen Moment krachte eine Granate gegen den Turm und Beyer spürte die Erschütterung deutlich.

      „Turmantrieb ausgefallen“ brüllte Lahmann.

      „Müller“ rief Beyer „sofort das Gefechtsfeld verlassen.“

      Der Panzer III rasselte mit Höchstgeschwindigkeit über das Gelände auf die Ausgangsstellung zu, um Schutz hinter den anderen Panzern zu finden. Mittlerweile hatten vor allem die pausenlos feuernden Pak 38 einige T 34 stoppen können, als noch 2 andere explodierten drehten die Russen ab. Auf dem Gelände standen 13 abgeschossene T 34, 7 deutsche Panzer waren vernichtet worden. Es schien so, als würde die Zeit der mühelosen Siege gegen einen scheinbar unterlegenen Gegner langsam vorbei gehen.

      Ihr Auftrag war klar formuliert gewesen: das Bataillon sollte mit anderen Einheiten der 4. und 9. Armee hinter den Panzergruppen 3 und 4 vorgehen und so dafür sorgen, dass etliche russische Armeen sowie Truppen der sowjetischen Reservefront bei Wjasma in einen Kessel gerieten. Der Plan sah vor, dass sich die Panzergruppen möglichst schnell vom Kessel lösen sollten und das Ausräumen der Einschließung anderen Truppen überlassen würden, denn die noch schlagkräftigen Panzergruppen 3 und 4 sollten sofort auf Moskau eindrehen und den Vorstoß unbedingt forcieren, um die russische Hauptstadt vor dem endgültigen Einsetzen des Winters einzunehmen. Die Männer hockten im Schützenpanzerwagen und hatten die Plane aufgespannt, so waren sie vor dem Schneeregen geschützt. Günther Weber döste vor sich hin und sagte sich, dass sie schon mehr als ein viertel Jahr wie Nomaden durch das Land zogen. Er konnte nicht verleugnen, dass er sich oft erschöpft fühlte und das war seiner Meinung nach auch nicht sonderlich verwunderlich. Wochenlang kamen die Männer nicht aus ihren Sachen, Hygiene war zum Fremdwort geworden und der Schlafmangel sowie die Gewissheit, fortlaufend Gefahren ausgesetzt zu sein und getötet werden zu können zehrten an den Nerven der Soldaten. Obwohl der