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Johannes Christian Lenz


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Leibrock, eine weisse Weste mit schwarzen sammtenen Knöpfen und Knopflöchern, Schuhe und Strümpfe an, in der linken Hand mein gewöhnliches spanisches Rohr und in der rechten Hand meinen Huth. So ging ich zu ihm und stellte mich stillschweigend auf die linke Seite. Der Verbrecher saß an Händen und Füßen geschlossen mit bloßem Kopfe, in einer rothstreifigen leinwandenen Jacke und in schwarzen Hosen und Strümpfen ohne Schuh. Mit der größten Aufmerksamkeit betrachtete ich ihn von Kopfe bis zu den Füße, ging einige Schritte rückwärts und fragte endlich:

      »Wie heisset er?«

      Er antwortete:

      »Lenz«

      Darauf stellte ich mich aus seine rechte Seite, betrachtete ihn wieder sehr genau und fragte:

      »Woher ist er gebürtig?«

      »Aus Oranienburg«, erwiederte Lenz zaghaft und zitternd. Mit lauter und stärkerer Stimme wiederhohlte ich meine Frage:

      »Aus Oranienburg ist er gebürtig?«

      Er antwortete aber nicht. Darauf ging ich wieder auf seine linke Seite, sah ihn mit scharfen Blicken an, und suchte in seine Physionomie zu dringen. Ich bemerkte ein sehr ängstliches Seufzen und dieses veranlaßte mich zu fragen:

      »Warum seufzt Er?«

      Lenz schwieg, zitterte aber destomehr mit seinen Ketten an Hände und Füßen. Weil er mich nicht ansah, sondern krumgebückt saß, dabei sehr viele Gewissensunruhe verrieth, so sagte ich mit dreisten Worten:

      »Ich bin nicht dazu gesandt, ihm seine Strafe zu vergrößern, sondern sie ihm nur zu vermindern. Er thät wohl, wenn er statt der Seufzer, lieber ein freies Geständniß aussagte.«

      Mit einem trostvollen Tone setzte ich dazu:

      »Ob er wohl wüßte, daß ein jeder Arbeiter seines, verdienten Lohnes werth wäre, so wie er handelte bei Leibes und Leben es sei gut oder böse.«

      Jetzt verweilte ich mich nicht länger, sagte noch:

      »Gott erhalte ihn gesund!« und ging aus dem Gefängnisse. Der Schließer und der Soldat standen noch, wie sie gestanden waren. Dieses geschah Sonnabends.

      Den hohen Vorgesetzten bat ich, daß man binnen drei Tagen niemand zu Lenz lassen möchte, denn ich vermuthete, daß er es gestehen würde.

      Montags war ich wieder Nachmittags um zwei Uhr bestellt. Als ich um die bestimmte Stunde erschien, so sagte man mir, es wäre alles schon gut! Wie ich wieder herauskam, so fand ich sehr viele Menschen und hörte Murmeln und Lispeln. Der eine sprach dieses, der andere jenes. Da stand ein Häuflein und berathschlagte sich, dort wartete ein anderes, ob es nichts neues hören würde. Ich hielt mich weiter nicht auf, sondern ging meinen Nahrungsgeschäften nach. Und wenn ich auch Zeit gehabt hätte, so würde ich mich dessen ungeachtet doch nicht darum bekümmert haben, weil ich solche Neugierde niemahls liebte. Gedankenvoll drängte ich mich durch die Menschen, konnte aber nichts als das Verstehen:

      »Das ist der Scharfrichter aus Stargard!«

      Ich that aber, als ob ich es nicht hörte und folgte meinem Berufe ...

      Volks-Urtheile

      über den berüchtigten

      Straßen-Räuber und Mörder Lenz

      Ich gab bereits eine Probe, daß ich über den Mörder Lenz etwas zu entwerfen im Stande war. Auch dürfen die Leser glauben, daß sich alles, was von dem unglücklichen Menschen geschrieben wurde, auf keine Erdichtung gründet noch weniger aus Geldschneiderei hinaus läuft. Einen Gegenstand auf welchem nicht nur das ganze inländische, sondern sogar auch manches ausländische Publicum so aufmerksam geworden ist, muß jeder rechtschaffene Volksschreiber so wie ich mit größter Behutsamkeit behandeln.

      Er muß zwar die Volksstimmen hören, aber ihnen nicht Glauben zustellen, sondern nur an der Quelle schöpfen, welche rein fließt. Indessen kehren sich bei solchen traurigen Vorfällen die wenigsten daran. Entweder wird das Publicum mit Vertrödeln diesen und jenen Wisches heimgesucht, oder es entstehen solche Urtheile, welche die Langeweile ausheckt. Eben dieselbe Fälle trafen, seit dem Lenz in Verwahrung sitzt und verhört wurde, sehr häufig ein. Öfters hatte ich die Gelegenheit bei öffentlichen Plätzen über Lenz Urtheile zuzuhören. Einer wollte allezeit mehr wissen als der andere. Dann kamen gar Leute und wollten behaupten, Lenz hatte dieses und jenes in dem Verhöre bekannt. Zweifelte man daran, so nahmen sie es sehr ungnädig auf, verriethen gar so viele Schwachheit und glaubten sich beleidigt. - O, über die Schwachheit und Allwissenheit der Menschen! Da grübeln manche bei einem Glase Wein, verplaudern ihre Zeit, und am Ende stehen sie wieder da, wo sie vorher gewesen waren.

      Ernsthaft liebe Berliner! Lasset euch doch nicht so viel dummes Zeug anheften. Wisset, daß dasjenige, was man von Lenz's Verhöre gesprochen hat, auch wohl noch davon spricht, meistentheils nicht Stich hält. Wisset, daß das Criminalgericht heilig seyn muß. Verschwiegenheit ist eines seiner wichtigsten Gesetze. Menschen Leben und Tod abzuwägen sind wahrlich keine Kinder-Spiele. Menschen Elend, Bosheit, Diebstahl und Mord auszuspähen bedürfen mehr Nachdenken als ein Volks-Mährchen.

      So übereilt alle diese Urtheile sind, eben so übereilt war die Nachricht, welche man in dem „Hamburger unpartheiischen Korrespondenten“, No. 197, unter der Aufschrift: „Aus dem Brandenburgischen“, vom 8ten December las, daß neulich das Urtheil des Post-Räubers Lenz zur Vollziehung an den König abgegangen und dahin ausgefallen wäre, daß ihm die Hand abgehauen und er von unten auf gerädert werden sollte.

      Noch weiß ich von allen diesen Vorfällen nichts, dieses aber mit desto mehrerer Gewißheit, daß die Criminal-Acten geschlossen sind, daß Lenz einen würdigen Mann zum Defensor (Verteidiger) erhalten hatte und, daß drei würdige Männer des Cammer-Gerichts die Urtheile abzufassen haben. So bald diese von dem Königl. Cammer-Gericht bestätigt sind, so kommen sie an das Königliche Ober-Tribunal-Departement und von da nach dem Groß-Canzler und Sr. Königl. Majestät. Von da wieder an das Königl. Post-Amt zurück. Als dann erfährt man erst die Gewißheit, was Lenz für eine Strafe zu gewarten hat.

      Auch den Gerüchten, daß Lenz so schlecht in seinem Gefängnisse behandelt, daß er nicht reinlich gehalten, folglich von dem Ungeziefer zernagt würde, daß er kein ordentliches Essen und Trinken bekäme, allen diesen Gerüchten kann man mit Gewißheit widersprechen und versichern, daß es gerade das Gegentheil ist, daß er die gehörigen Speisen bekömmt, daß man ihn in den Freistunden herumführen und ihn frische Luft schöpfen läßt. u.s.w. Dieses wäre also wieder ein Beweis, wie leicht mancher Mensch immer das Schlimmste auch ohne Überzeugung zu glauben geneigt ist. Fällt übrigens etwas vor, an welchem die Göttin Lüge keinen Antheil hat, so darf sich das Publicum darauf verlassen, daß man es sobald als möglich vortragen wird.

      Nachschrift

      So eben läuft die Nachricht ein, daß das Urtheil von dem Königl. Cammer.-Gerichte gesprochen und an das Königl. Postamt abgesandt worden wäre. Einige im Publico behaupten schon, daß Lenz auf einem Schinderkarren in einer Kuhhaut eingewickelt nach dem Hochgerichte gefahren und als dann von unten herauf gerädert werden soll. - Hierbei erinnere ich nichts, als es bleibt bei der Abrede.

      Leben und Taten

      und schreckliches Ende des berüchtigten

      Schlachter-Knechtes, Straßen-Räubers und Mörders

      Johann Christian Lenz

      Ich glaube meinen nach Stand und Würden geehrten Lesern einen kleinen Gefallen zu beweisen, wenn ich ihnen statt eines Wunsches, welchen man bei des Jahres-Wechsel meistentheils aus Gewohnheit zu äußern beliebt, eine und zwar möglichst vollständige Geschichte des berüchtigten Schlächter-Knechtes, Straßen-Räubers und Mörders Johann Christian Lenz, als ein Neujahrsgeschenk überreichet.

      Sie werden sich noch erinnern, daß von mir gemeldet wurde: Wenn Etwas vorfiel,