Wolfgang Greuloch

Anea


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Kurven über das Hügelland, an Baumgruppen und akkuraten Feldern vorbei, die manchmal mit langen Halmen, die in dicken haarigen Ähren enden, oder mit kurzem grünblättrigen Kraut, bepflanzt sind.

      Ein Geräusch, über ihr, in dieser blauen Glocke, die über dieser Welt liegt. Ein Zirpen, ein Trällern, seltsame Töne. Sie sieht das Wesen, das durch die Luft flattert und sich auf der braunen Erde eines Ackerbodens niederlässt, auf dem schon andere Artgenossen mit auf und ab nickenden Köpfen in der Erde picken.

      Eins, zwei schwarze Schatten, ebenfalls durch die Luft schwebende Wesen, kommen herbei und lassen sich auf dem Ackerboden nieder. Sie sind größer als die ersteren und schreiten majestätisch ruckartig vorwärts, zeigen mit ihren kräftigen Schnäbeln mal hier und mal dort hin. Die Kolonie der kleineren Wesen flattert laut schimpfend auf, steigen in sichere Höhe, drehen eine Kurve wie von einem Anführer gelenkt und lassen sich in der gegenüberliegenden Ecke der freien Ackerfläche nieder.

      Was sind das für Wesen, die durch die Luft laufen können?

      ‚Vögel!’, antwort die Stimme aus ihrem Inneren. ‚Sie fliegen’.

      Und was raschelt da drüben in den Hecken?

      ‚Ein Tier!’

      Sie glaubt, ein glitzerndes Augenpaar in der Dunkelheit des Unterholzes zu sehen, das sie neugierig beobachtet. Sie lauscht nach innen. Ist da etwas, das ihr sagt, von diesem Tier geht Gefahr aus? Nein, sie spürt nicht das warnende Signal der Gefahr, so wie sie es wahrnahm, als sie aus dem Sandloch kroch. Dann dreht das Tier um und verschwindet gelangweilt im Blattwerk. Anea sieht flüchtig die Umrisse des Wesens, klein, weitaus kleiner als sie.

      Sie wandert weiter Richtung Sonne, die unbeweglich über den Bergen steht und ein mildes, angenehmes Licht auf die Landschaft wirft. Das Gelände steigt an, aber die Hügel rücken kaum näher. Nach einer Kuppe schaut sie in eine flache Senke, die eine größere Ausdehnung besitzt und bis zu den ersten schroffen Hügeln reicht. In der Ferne ragen seltsame, ja was, Bauwerke, aus dem Gelände, aus Holz der Bäume gefertigt, manchmal auch teilweise aus Stein; abgeschlossen von nach beiden Seiten schräg nach unten laufenden vergilbt schimmernden dickem Blattwerk.

      Icks und Ips

      Und nun hört Anea auch Stimmen von Wesen, die in der Umgebung der Hütten auf Feldern und Wiesen beschäftigt sind. Sie ähneln den Geschöpfen, die mit ihr in der Wüste vor dem Moloch zu flüchten versucht haben. Dann sehen sie mir ähnlich, stellt Anea fest. Aber diese Wesen besitzen unterschiedliche Größen, teilweise sind sie hoch gewachsen, dann folgen alle Größenabstufungen, bis zu zwergenhaftem Wuchs. Besonders diese Sorte hüpft und wuselt um die Größeren herum oder sie jagen in kleinen Gruppen um einander.

      Anea steht unter dem Blätterdach eines mächtigen Baumes, dessen Äste fast bis zum Boden reichen, und überblickt das Treiben in der Senke. Sie beobachtet die Gruppe der kleineren Wesen, die rufend, manchmal schreiend, vor einem einzelnen Wesen weglaufen, zwischen den Hütten auseinanderstieben und verschwinden. Das einzelne kleine Geschöpf geht nach einigen Augenblicken den anderen hinterher. Aber das Geschöpf kommt nur langsam voran, es kann nicht schneller. Eines seiner Beine funktioniert nicht, es zieht es ruckartig hinterher. Seine Spielgefährten springen lachend aus ihren Verstecken, schneiden Grimassen und fordern das hinkende Kind provozierend zu einer schnelleren Gangart auf.

      Kind?

      Das sind die Icks und ihre Kinder von denen Larus erzählte. Hier beginnt meine Aufgabe.

      Aufgabe? Ja, meine Aufgabe. Sie ist sicher. Wie in der Wüste, als etwas sie vor der drohenden Gefahr warnte.

      Anea will gerade aus ihrem Versteck heraustreten, als Unruhe bei den erwachsenen Icks, die auf den Feldern arbeiten, entsteht. Sie rufen einander zu, zeigen in Richtung Berge. Und jetzt bemerkt es auch Anea. Undeutliche Figuren laufen den Hang hinunter, aus der Deckung eines kleinen Wäldchens und stürmen auf die Icks zu. Dunkle Gestalten, die anders gekleidet sind als die bäuerlichen Icks, mit ihren hellen Stoffen. Die Gestalten fuchteln drohend mit langen Stangen in der Luft, laufen schreiend auf die Icks zu, die ihre Werkzeuge fallen lassen und in die Hütten zu flüchten versuchen. Die Kinder sind schon verschwunden. Aber nicht alle. Das hinkende Icks-Kind steht wie versteinert in der Mitte des kleinen Platzes zwischen den Hütten und schaut den heranstürmenden Gestalten mit großen Augen entgegen. Aber es ist nicht das einzige, das noch keinen Schutz findet, zwei Andere verbergen sich hinter Büschen, die in der Nähe der Hütten stehen.

      Die Angreifer, die mit dunklen, robusten Jobben bekleidet sind und helmartigen Kopfbedeckungen tragen, unter denen dunkles, verfilztes Haar hervorsteht, erreichen die Hütten.

      Die Yps.

      Sie sind gekommen, um die Kinder der Icks zu verschleppen.

      Das Kind steht immer noch wie versteinert auf dem Platz. Keiner der dunklen Gestalten kümmert sich um das kleine Wesen. Die Yps treten die Pforten der Hütten ein, stürmen hinein, aus dem Inneren ertönt wildes hysterisches Geschrei, ein Mann stürzt aus einer Hütte und läuft auf das Kind zu. Ein Yps-Wesen tritt ihm entgegen, stößt ihm seine Stange vor die Brust, wirft ihn zu Boden und tritt den Icks-Erwachsenen mit seinem schweren Stiefel, stößt ihm mit der Stange in die Rippen. Der Icks bleibt bewegungslos am Boden liegen.

      Der Yps-Mann fesselt die Hände des Kindes, bleibt bei ihr stehen, will seine Beute nicht gehen lassen. Die anderen Yps durchsuchen die Hütten. Eine Familie der Icks tritt aus der Hütte, zwei Erwachsene, unterschiedlicher Größe und Körperstatur, die Kleinere der beiden trägt langes Haar, bei ihnen sind mehrere Kinder. Sie alle stehen dicht gedrängt beisammen. Mehrere Yps kommen herbei, schlagen einen der Erwachsenen, einer schreit krächzend einen Befehl, zwei laufen in die Hütte, einen Moment später ertönt ein spitzer Schrei. Ein Yps kommt aus der Hütte und schleift ein schreiendes Kind an dessen Haar hinter sich her. Der große Icks stürzt nach vorne auf das Kind zu, aber er kommt nicht weit. Geschickt nutzt ein Yps die Stange, um den Icks zu Fall zu bringen, und dann schlagen sie zu dritt auf den am Boden liegenden ein, zur Strafe wegen seines Versuches, die Yps zu täuschen und ein Kind vor ihnen zu verbergen.

      Anea steht im Schatten des mächtigen Baumes und beobachtet die Ereignisse.

      Gibt ihr die Stimme, die von einem undefinierbaren Ort zu kommen scheint, ganz im Gegensatz zu den Stimmen aus ihrer Umgebung, einen Hinwies, einen Rat?

      Sie schweigt.

      Anea steht still.

      Die Yps ziehen ab, drei an Händen gefesselte Kinder in ihrem Trupp. Eine Behausung brennt; die Hütte des Vaters, der mit einem Trick versuchte, eines seiner Kinder zu retten.

      Der Trupp zieht langsam Richtung Berge. Sie machen kurz halt, bergen ihre Ausrüstung, die sie vor dem Überfall abgelegt haben. Keiner schaut zurück. Sie sind sicher, niemand der Icks wird ihnen folgen. Die Gemeinschaft der Icks versucht inzwischen den Brand der Hütte zu löschen.

      Verfolgung

      Anea bricht auf. Sie muss nicht besonders vorsichtig sein, ein gewisser Sicherheitsabstand genügt, denn die Yps haben keine Eile, treffen keine Maßnahmen gegen eine Verfolgung, weil sie keine befürchten.

      Anea nutzt die natürlichen Gegebenheiten des Geländes, um nicht gesichtet zu werden. Der Trupp marschiert auf die Berge zu, die Hänge werden steiler, Täler werden zu engen Schluchten, Steilwände ragen auf. Mit den Kindern kommt der Trupp nur langsam voran.

      Und dann wird es ganz plötzlich dunkel. Die Licht spendende Sonne ist verschwunden, ein anderer Himmelskörper wacht über die Welt, ein seltsames sichelförmiges Etwas, das nur wenig mattgraues Licht verschenkt.

      Der Mond?

      Ja, der Mond!

      Der Yps-Trupp kommt zur Ruhe, rastet zwischen Nadelbäumen auf moosbedecktem Boden.

      Sie zünden ein Feuer an. Die Kinder werden an den Füßen zusammengebunden und dürfen sich ausruhen und auf den Waldboden legen. Die Yps-Wesen packen derweil Steinkrüge