Peter, der heute in Kalifornien lebt, lernte ich damals in einer freien Theatergruppe, bei der ich mit Leidenschaft wichtigtuerische Grimassen zog, kennen. Mit keinem Kerl hing ich zu der Zeit mehr herum als mit ihm, leider hatten wir den gleichen Geschmack, was Frauen anbelangt, was das um die Häuser ziehen immer ein wenig verkomplizierte. (Erst vor kurzem gestand er mir sogar, meine damalige Freundin Line gefickt zu haben – watt et nich allet gibt!)
Wir also erstmal um den Laden rumgeschlichen - schließlich musste das Terrain sondiert werden. Kellerfenster noch und nöcher, leider alle vergittert. Eines dieser Gitter jedoch erwies sich als nicht mehr sooo felsenfest im Mauerwerk verankert, was uns auf die folgerichtige Idee brachte wie die Galeerensklaven an diesem Mistding zu rütteln. Das schmiedeeiserne Kleinod mimte nach kürzester Zeit den Klügeren und gab nach, wodurch uns der Weg ins Innere nicht mehr versperrt blieb. Kaum drinnen ließ ich mich auf Grund meines bereits erwähnten, bei Sessions redlich erworbenen Selbstbewusstseins und diverser im Vorfeld genaschter Alkoholderivate nicht lange bitten und trötete ungefragt Harp spielend in irgendein gerade vakantes Mikrofon - Diestelmanns säuerlichen Gesichtsausdruck stoisch ignorierend!
Später erst verstand ich Stefans Säuernis nur zu gut – wie oft sind irgendwelche Möchtegernmuntispieler hybrisbehaftet von sich selbst überzeugt bei MONOKEL auf die Bühne gesprungen und haben mit ihrer Jämmerlichkeit die gute Stimmung gefährdet.
Ich muss aber ziemlich gut gewesen sein. Lello – zu der Zeit Drummer bei Engerling – quatschte mich sofort an und gab mir mit der Bitte zu überlegen, ob ich nicht vielleicht bei Engerling mitmachen wolle seine Telefonnummer. Whow! Icke bei Engerling – ich dachte ich träume! Immerhin war das zu der Zeit schon `ne Band von Rang und gutem Namen. Dann, paar Minuten später, stand ein langhaariger Spargel vor mir, der sich - wie originell - als Speiche vorstellte um mit einem höchst interessanten Vortrag zu punkten: „Ja, wir ham vor kurzem `ne Band jegründet, und so wat wie dich könnten wa grade noch jebrauchen.“
„Der Alte“
Okay, denk’ ich, gibste dem Onkel deine Adresse, (Telefonbesitzer war’n damals eher `ne seltene Spezies, zu der ich nicht gehörte) mal sehen, was passiert.
Prompt - nächsten oder übernächsten Tag - steht doch tatsächlich Peter Schneider - damaliger Bandleader (oder wie es schrulliger weise offiziell hieß - der KAPELLENLEITER) von Monokel vor meiner Wohnungstür in Johannisthal. Na, wir beschnupperten uns erstmal mittels Gitarren und Gesang und Harp, auf meinem alten Harmonium wurden paar Akkorde gedrückt, und nach einigem musizimbeln und quatschen stellten wir fest, dass wir musikalisch auf einer Welle schwimmen und uns obendrein noch sympathisch waren, und die erste Probe wurde für nächste Woche in Pankow in der Grabbeallee anberaumt.
Klar dass ich zusagte, zumal ich mir dachte, in so’ner neu gegründeten Band mitzumachen wird mir mehr Möglichkeiten geben meine eigenen Ideen zu verwirklichen, als wenn ich mich in eine bestehende Kapelle einreihe. Hinzu kam eben erschwerend, dass Engerling in Body ja auch schon einen exzellenten Sänger hatte, und ich `ne Gänsehaut nach innen bekam bei dem Gedanken eventuell immer nur die zweite Geige spielen zu dürfen – also: bye - bye Engerling, hallo MONOKEL! Okay, Speiche, der „Alte“, also am Bass, Basti Baur und Pet Schneider an den Gitarren und Micha Werner am Schlagzeug.
ERSTE EINSTUFUNG
Um in der DDR überhaupt auftreten zu dürfen benötigte jede Band eine vom Rat der Stadt erteilte Genehmigung, der zwangsläufig immer eine EINSTUFUNG vorausging. „Na wo komm’ wa denn da hin – hier einfach so laute Hottentottenmusik machen, und das ungekämmte Langhaar lustvoll schütteln – nee, nee, das muss schon alles seine sozialistisch – deutsche Ordnung haben.“
Man meldete sich also bei irgend ’ner Pullerinstitution Abteilung Kultur an und musste dann meist mit vielen anderen Leidensgenossen coram publico und vor einer so genannten Einstufungskommission sein Bestes geben. (Zu Einstufungskommissionen werd’ ich später noch etwas ausführlicher kommen)
Gala, Micha Werner, Basti Baur, Pet Schneider, Speiche in Micha Werners Probenraum
Unser Ziel war es, bei der nächsten großen Einstufungsveranstaltung, im Jahre des Herrn 1976, nicht nur mitzumachen, sondern auch gleich die Mittelstufe zu ergattern. Da es sich hierbei um die Ersteinstufung handelte, war dieses Ansinnen schon ziemlich mutig – aber an Mut hat es uns ja eigentlich nie gemangelt – trotz einiger Manschetten! Aber ich denke ja, Mut ist nicht das Fehlen von Angst, sondern die Überwindung von Angst.
Wir also nach `n paar Wochen Probe (mittlerweile sind wir in den Probenkeller von Micha Werner in die Ackerritze umgezogen) zum großen Trallala ins EAW Treptow. Im Hauptgebäude dieses Elektroblödsinnskombinats gab’s im obersten Stockwerk so’n riesen Kultursaal mit ziemlich großer Bühne, auf die wir – na klar – nicht mehr rauf durften. Wir sind nämlich – typisch für diese Kapelle – selbst an einem für uns so wichtigen Tag viel zu spät eingetrudelt, was zur logischen Folge hatte, dass die anderen Bands, die ebenfalls an dieser Einstufung teilnahmen, die Bühne total vollgemülllt hatten und für die kleene Monokel-Band kaum noch Platz war.
Okay, okay, wir bauen uns eben unten auf’m Parkett direkt VOR der Bühne auf. Merkwürdige Situation – aber egal – auch Wolkenkratzer haben mal als Keller angefangen! Und überhaupt - ich war gerade `n paar Stunden Vater meiner wunderschönen Tochter Sarah, ich liebte meine Freundin Line, die Bandkollegen waren wie Brüder und das Leben, das vor mir lag, roch nach Abenteuer und Erdbeertorte. Ich fühlte mich bei aller Nervosität unbesiegbar, egal, wer oder was da noch auf mich zukommt.
Na ich mach’s kurz: erwartungsgemäß lief die ansonsten ja eigentlich überflüssige Veranstaltung für Monokel prima. Wir bekamen selbstverständlich (komischer Weise haben wir daran nie auch nur eine Sekunde gezweifelt) unsere beantragte Mittelstufe, was ja für Abrechnungen mit Veranstaltern wichtig war und sich in Heller und Pfennig niederschlug. Darüber hinaus bekam – wen wundert’s – das großartige Jodeltalent Gala für seine solistische Leistung als Sänger einen Sonderpreis vom Magistrat der Stadt Berlin, und eben die sooo wichtige Spielerlaubnis, ohne die keiner was auf den Bühnen dieses komischen Landes zu suchen hatte.
Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie ich mich fühlte. Die erste richtige Mugge mit Band und gleich so’n Sonderpreis abgefasst. Ich wollte die ganze Welt umarmen und das Gefühl der Unbesiegbarkeit hatte in diesem Augenblick seinen Höhepunkt erreicht. Immerhin hingen an diesem Preis zu allem Überfluss auch noch - für damalige Verhältnisse eine Riesensumme – 500 Mark mit dran. Die Kohle wurde ein oder zwei Tage später bei einer Feierlichkeit peinlichster Ausmaße im HdJT (Haus der jungen Talente) an mich ausgehändigt und von den Bandkollegen und mir bis auf einen kleinen Rest umgehend in feinste Spirituosen umgesetzt! Wenn man mal bedenkt, dass z. B. ein Gin Tonic gerade mal 1,50.- gekostet hat, kann sich ja wohl jeder vorstellen, wie wir danach aussahen… Der Grundstein für unseren nicht immer allerbesten Ruf als tapfere Alkoholvernichter war gelegt! Aber darüber wird in diesem Buch noch genug zu berichten sein.
KINO COLOSSEUM
Ab jetzt folgten teils doofe oder eben auch normale, unspektakuläre, aber auch mehr und mehr großartige, ja legendäre Konzerte. Wir spielten in Dorfsälen genau so wie in lächerlich pompösen Kulturhäusern. Diss sieht so nach Kultur aus, diss is wohl das Kulturhaus! Und immer öfter auch in Kinos oder Theatern. Ich erinnere mich natürlich an unser erstes richtig großes Ding im Kino Colosseum in der Schönhauser Allee.
Keine Ahnung mehr, wie die zwei Bands hießen, die nach uns spielten, ich kann mich nur noch erinnern, dass diese Kapellen