Gerald Lembke

Digitalisierung im deutschen Mittelstand


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für den Interview-Leitfaden. Durch dieses Vorgehen wird gewährleistet, dass aktuelle Trends sowie unterschiedliche Facetten der Digitalisierung bei der Befragung berücksichtigt werden.

      Das gesamte Thesengerüst ermöglicht die systematische Überprüfung der übergeordneten Leitthese: Über die Beantwortung der Fragen, die aus den säulenspezifischen Thesen hervorgehen, lassen sich die Hypothesen pro Säule verifizieren bzw. falsifizieren. Deren Überprüfung lässt letztlich die Validierung der Leitthese zu.

      2.2 Methodik der Studie – Der Fallstudienansatz nach Yin zur Überprüfung der Leitthese

      Grundsätzlich basiert die vorliegende Studie auf dem Fallstudienansatz nach Yin. Da bereits vielfältige Untersuchungen zum Thema Digitalisierung existieren, sollen mit dieser Studie neuartige Perspektiven erarbeitet werden, die bisher noch nicht betrachtet wurden: Welche Trendsäulen der Digitalisierung disrumpieren Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle und aus welchen Gründen? Das pragmatische praxisorientierte Konzept nach Yin dient dazu, tiefgreifende und umfangreiche Erkenntnisse über Einzelfälle zu erhalten und potenzielle Gemeinsamkeiten zu clustern. Eine statistische Generalisierung wird nicht angestrebt. Stattdessen sollen archetypische Cases pro Branche erstellt werden, anhand derer unterschiedliche Unternehmenstypen und deren Umgang mit den Herausforderungen der Digitalisierung beleuchtet werden.

      Yin versteht unter einer Fallstudie (engl.: case study) „an empirical inquiry that investigates a contemporary phenomen [sic!] in depth and within its real-life context, especially when the boundaries between the phenomen [sic!] and context are not clearly evident” (2009, S. 18).

      Er differenziert grundsätzlich sog. single-case studies und multiple-case studies, also Einzelfallstudien und vergleichende Fallstudien (vgl. Yin 2009, S. 19; Borchardt/Göthlich 2007, S. 36). Erstere ähnelt dem Einzelfallexperiment und wird vor allem dann durchgeführt, wenn neue Erkenntnisse bei bisher eher nachlässig betrachteten Themen gesucht oder bestehende theoretische Erkenntnisse angezweifelt werden. Die vergleichende Fallstudie hingegen reflektiert vor allem die Unterschiede zwischen einzelnen Fällen.

      Bedingung für die Auswahl eines Falls ist der Bezug zur Forschungsfrage. Prinzipiell dürfen jedoch die Fälle sowohl beliebig als auch begründet ausgewählt werden, um bspw. bestimmte Typen zu erfassen (vgl. Borchardt/Göthlich 2007, S. 36).

      Die vorliegende Studie basiert auf einem multiple-case design mit insgesamt 21 durchgeführten Interviews aus acht verschiedenen Branchen: (1) Klassische Medien, Verlage und Informationsvermittlung, (2) Software- und IT-Dienstleister, (3) Agenturen, (4) Medizintechnik und Pharma, (5) Maschinen- und Anlagenbau, (6) Personaldienstleister, (7) Handel und Vertrieb sowie (8) Carsharing. Die Entwicklung, Durchführung, Auswertung und Ergebnisdarstellung der Studie lässt sich dabei in fünf Phasen gliedern (vgl. S. 11, Abb. 3):

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      Abbildung 3: Methodisches Vorgehen und Ablauf der Studie

      Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Borchardt/Göthlich 2007, S.44; Yin 2009, S.56

      Zunächst wird im Rahmen der Planungsphase das Fallstudiendesign entwickelt (Phase 1). Mit der Ausgestaltung des Denkrahmens wird ein Thesengerüst aufgestellt sowie die Erhebungsmethodik bestimmt: Die Datenerhebung erfolgt über die persönliche oder telefonische Befragung von Geschäftsführenden und leitenden Angestellten bewusst ausgewählter Unternehmen aus den genannten Branchen in Deutschland. Diese werden mithilfe eines halbstrukturierten Interview-Leitfadens befragt, der auf Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse zukunftsorientierter Literatur konzipiert wurde. Bei der Erhebungsmethode handelt es sich um episodische Interviews, die sich vor allem durch den offenen Dialog zwischen Interviewer und Befragtem auszeichnen (vgl. Flick 2002, S. 165). Die Verwendung eines Leitfadens mit zielgerichteten Fragen lässt eine Verknüpfung zwischen den verschiedenen geführten Interviews zu, sodass die Daten vergleichbar werden (vgl. Lamnek 2005, S. 362f.).

      Zur Überprüfung der Leitthese ist ein tiefgreifendes Verständnis über die Wertschöpfungsprozesse und deren Digitalisierungsgrad innerhalb jedes einzelnen Unternehmens nötig. So werden die Interviews nur mit Personen aus dem mittleren und oberen Management geführt, die entsprechend in die Geschäftsprozesse involviert sind bzw. umfassende Kenntnis darüber besitzen. Es handelt sich grundsätzlich um eine qualitative Erhebung, bei der vor allem das subjektive Gespür einzelner Interviewpartner interessiert und unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt werden sollen.

      Eine schriftliche Datenerhebung oder eine Onlinebefragung erfolgt nicht: Zum einen gibt der Interviewpartner durch die Angabe persönlicher Ansichten einen Teil seines Informationsvorsprungs preis, zum anderen kann so sichergestellt werden, dass die Fragen verstanden und vollständig beantwortet werden.

      Ein persönliches oder telefonisches Gespräch erscheint geeigneter dazu, einen Raum zu schaffen, in dem sich der Teilnehmer offen äußern kann, detailliertere Antworten gibt sowie die Möglichkeit für Rückfragen besteht.

      Zur Wahrung der Anonymität der Interviewpartner und ihren Unternehmen werden diese Namen nicht veröffentlicht.

      Der halbstrukturierte Leitfaden führt durch das Interview, kann jedoch vom Interviewer angepasst werden, um bei Bedarf tiefer in eine Thematik vorzudringen. Neben der Konzeption des Leitfadens werden parallel die Unternehmen ausgewählt, kontaktiert und zwei exemplarische Interviews als Pilot Cases geführt, um die Eignung der Fragen zu überprüfen.

      Im Anschluss beginnt die Phase der Datenerhebung (Phase 2), d. h. die Befragungen werden durchgeführt, aufgenommen und transkribiert.

      Im nächsten Schritt werden die gewonnenen Daten nach Trend und Branche strukturiert sowie im Zuge einer qualitativen Inhaltsanalyse kategorisiert und paraphrasiert (Phase 3).

      Korrespondierend zum multiple-case design erfolgt dann eine fallübergreifende Analyse und Interpretation der Daten, eine sog. Cross-Case-Analyse: Auf der einen Seite wird jeder Trend über die verschiedenen Branchen und branchenspezifischen Cases hinweg auf Muster, Überschneidungen und ungewöhnliche Abweichungen untersucht sowie in einem Zwischenfazit die säulenspezifische Hypothese verifiziert bzw. falsifiziert (Phase 4). Auf der anderen Seite werden für jede Branche die einzelnen Trendsäulen der Digitalisierung auf ihre Bedeutung und Relevanz untersucht.

      In einem Abschlussfazit erfolgt letztlich auf Basis der verifizierten bzw. falsifizierten saülenspezifischen Hypothesen die Validierung der Leitthese.

      Sämtliche Untersuchungsergebnisse werden in einer Ausarbeitung zusammengefasst und veröffentlicht (Phase 5).

      3. Trendsäulen der Digitalisierung

      3.1 Big Data

      Big Data dient dazu, „die richtigen Informationen dem richtigen Adressaten zur richtigen Zeit in der richtigen Menge am richtigen Ort und in der erforderlichen Qualität bereitzustellen“ (Schermann et al. 2014, S. 281).

      Der Trend wird auch als eine „Veränderung der Datencharakteristika hinsichtlich Volumen und Struktur“ (Hansmann et al. 2013, S. 485) beschrieben, weil eine Vielzahl unstrukturierter Daten über verschiedene Quellen wie GPS oder Social Media erfasst werden können. Ausgelöst von 2,9 Milliarden Menschen, die im „weltumspannenden Kommunikationsnetz“ (Klein et al. 2013, S. 319) Internetdienste und Anwendungen nutzen, greifen 75% der User über ihre mobilen Endgeräte zu (Statista.de 2014).

      Um Big Data eindeutig zu identifizieren, stellt man die Frage nach den vier Vs:

      Volume (Datenvolumen), Velocity (Datengeschwindigkeit), Variety (Datenvielfalt) und Veracity (Datenglaubwürdigkeit), die nach „multidisziplinären und evolutorischen Verbindungen“ (Buhl et al. 2013, S. 67) neuer Technologien