werden Sie einige der eben gelesenen Begriffe wiederfinden, nur werde ich diese dann erläutern und auf übermäßig verwendete, kreative Abkürzungen verzichten. Ich werde sogar Gebrauch von der mysteriösen Gabe der Fußnoten machen – ein abschweifender Blick hin zum Seitenende wird mitunter erforderlich sein, aber ich habe vollstes Vertrauen in Ihre Lesefähigkeiten.
Apropos Fähigkeiten: die Fähigkeiten, die meine Tochter erlernt, werden aus ihrer Perspektive beschrieben, indem sie direkt angesprochen wird – schließlich ist sie die Protagonistin in dieser Handlung. Diese Fähigkeiten sind grundsätzlich mit Symbolen versehen, auf dass man schon am Symbol erkennen möge, worum es bei der Fähigkeit gehen mag, oder um einen gewissen Wiedererkennungswert zu schaffen. Das ist sehr typisch für ein Rollenspiel und wird selbstverständlich aufgegriffen.
Zwischendurch werden Sie Gedanken, Anregungen, Berichte und wüste Schimpftiraden von mir selbst finden – quasi als externer Erzähler, der das Geschehen vorantreibt und beleuchtet. Und all die anderen Elemente des folgenden Textes werde ich Ihnen anschaulich darlegen, damit Sie auch verstehen, was vor sich geht, wenn Sie selbst kein Rollenspieler sind. Sollte dem so sein, so müssen Sie dies tunlichst ändern, denn spaßig ist es allemal, und einen gewissen Übungseffekt fürs Gehirn erzielen Sie dadurch ganz nebenbei. Und sind wir ehrlich: jede Übung ist willkommen. Dann wünsche ich Ihnen GL + HF(1) für die kommende Lektüre!
Ein kleiner und freundlicher Hinweis noch: bitte lesen Sie sehr aufmerksam – am besten also auf dem Klo. Mir ist klar, dass das theoretisch bei jedem Werk angebracht ist, aber hier hat es tatsächlich einen Nutzen – dieser soll momentan aber noch im Verborgenen verbleiben.
Tag der Geburt
Ich versuchte meine Tochter mittels eines Charakter-Erstellungs-Werkzeugs zu erstellen. Sie wissen schon: Haare, Augenfarbe, Gesichtsform, Wangen, etc. Das uns zur Verfügung gestellte Werkzeug war jedoch derart schlecht, dass meine Frau sich darüber so sehr aufregte, dass sie geschlagene sieben Stunden lang schrie wie am Spieß. Ich sah das zwar nicht als allzu großes Problem an, denn man muss dann nur etwas weiter tüfteln und sich mit den gegebenen Möglichkeiten auseinandersetzen, aber meine Frau hatte darauf wohl absolut keine Lust – es sollte eher so schnell wie möglich gehen.
Danach war unsere Tochter da. Für den Zufallsgenerator ganz ordentlich. Meist sind die Ergebnisse des Zufalls bei sowas eher dürftig: Dumbo-Ohren, riesiger Joker(2) -Mund, krause Haare…hier war alles ganz hervorragend gelungen.
Ich nahm meine Tochter sogleich auf den Arm.
╔═ LEVEL UP! ═╗
Schlafen (Level 1)
Lege das Ziel in tiefen Schlaf – also dich selbst. Du siehst dabei besonders entzückend aus. Nimm kaum etwas aus der Umgebung wahr. Deine Darmfunktionen sind weiterhin unverändert gut.
Regeneriere 5% Lebenspunkte pro Stunde. Diese Fähigkeit ist nur auf dich selbst anwendbar. Das ist deshalb kaum zu glauben, da nahe Charaktere, meist die Eltern, das Heil des Schlafes suchen, sobald du eingeschlafen bist.
Deine Wachstumsrate erhöht sich, während dieser Fähigkeit, um 50%.
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Danach war es Zeit für das erste Windeln. Unsere Kleine wurde angezogen und gewogen. Die Waage zeigte beachtliche 3300 Gramm. Das ist, wie ich finde, ganz ordentlich. Ich streute „Fette Sau!" ein, um die Szenerie etwas zu entzerren. Die Hebamme lacht, meine Frau nicht – hat eben echt keinen Humor.
╔═ LEVEL UP! ═╗
Schreien (Level 1)
Erzeuge ohrenbetäubenden Lärm. Füge allen Charakteren in der näheren Umgebung 5 Prozent Nervenschaden pro Sekunde zu. Füge allen Charakteren in der weiteren Umgebung halbierten Nervenschaden zu. Familienangehörige nehmen grundsätzlich nur halbierten Nervenschaden, weil sie das müssen. Nervige, alte, meckernde und bzw. oder verbitterte Charaktere nehmen doppelten Nervenschaden - und das ganz zu Recht. Maximale Dauer - Bis die Stimme versagt – also unendlich.
╚═════╩═════╝
Die eben erworbene Fähigkeit wurde exzessiv angewendet, bis die Sache mit dem Anziehen erledigt war. Danach herrschte Ruhe und ein klein wenig Entspannung. Bis jetzt weiß ich nicht warum. Aber ich komme sicher noch irgendwann dahinter. In Rollenspielen ist es übrigens wichtig, neue Charaktere erst zu studieren, um ihre Verhaltensmuster zu erkennen, und ggf. Schwächen zu erfahren, die man dann gegen sie verwenden kann. Gegen meine Tochter möchte ich zwar nichts verwenden, aber ich möchte das hier ausdrücklich anders paraphrasieren! Ich möchte derartige Erkenntnisse – für – sie verwenden. Und für uns natürlich, also für unsere Ruhe.
Gerade erinnere ich mich daran, dass meine Frau immer gesagt hat, im Kindesalter möglichst viele peinliche Bilder und Videos zu machen, damit man das Kind in der Pubertät mit Facebook-Drohungen zu unserer Meinung nach richtigem Verhalten erpressen kann. Ich habe eben die beste Frau – dermaßen vorausschauend.
Dann wurden meine zwei Damen auf ein Stationszimmer gebracht. Erst am nächsten Tag würde ich beide wiedersehen, denn beide benötigten jetzt dringend Ruhe und Schlaf.
Ich aber nicht! Denn ich überlegte mir, in bester Rollenspiel-Tradition, dass Charaktere niemals ohne eine aktive Quest(3) während des laufenden Abenteuers sind. Doch im Krankenhaus wird, völlig unverständlicherweise, keine Quest-Liste ab Werk ausgehändigt – und das, meinem Informationsstand nach, bis heute nicht. Da hat die Natur noch Versäumnisse aufzuholen bzw. die Menschheit an sich, denn mit jedem gekauften Flachbildfernseher gibt es eine Gebrauchsanleitung in drei Millionen verschiedenen Sprachen, selbst bayrisch habe ich schon gesehen, und bei einem Kind gibt es absolut gar nichts. Denn woher sollen unerfahrene Eltern jetzt wissen, worauf das Kind fortan hinarbeiten wird, und was man selbst zur bestmöglichen Unterstützung anfangen kann? Aus Büchern oder aus dem Internet? Das ist im schlimmsten Fall gefährliches Halbwissen und kann unangenehme Folge haben, so zum Beispiel wenn Sie Ihre Symptome in einer Suchmaschine nachschlagen, und aufgrund des Gelesenen schlussfolgern, dass Sie einen Schnupfen haben, obwohl Sie doch vom Fahrrad gestürzt sind – allerwenigstens die Kausalkette ist an dieser Stelle vollkommen verkehrt. In den allerwenigsten Rollenspielen gibt es das Internet überhaupt, und Lesestoff ist meist nur in Form von kleinen Textfetzen zu finden, oder es gibt Bücher, die neue Fähigkeiten lehren. Das scheidet hier alles aus, denn das Kind kann ja noch nicht lesen. Aber verzagen Sie nicht! Ich hatte eine Quest-Liste erarbeitet und möchte diese nun mit Ihnen teilen.
Quest-Liste für die Kleine
Sie werden im Folgenden vielleicht geneigt sein, zu denken, „Was sind das denn für bescheuerte Quest-Namen?" – aber seien Sie versichert, dass das ganz normal ist, und Quests üblicherweise sehr kreative Namen erhalten. Denn „Laufe von A nach B" lässt sich besser verpacken, indem man die Quest „Marathon-Übung für Fortgeschrittene" nennt. Ich habe mir diese Eigenart bestimmt nicht ausgedacht. Es ist einfach Usus, dass man alleine aus dem Namen der Quest unter gar keinen Umständen erkennen darf, worum es bei dieser geht, und wenn dann nur sehr zart angedeutet.
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