Mirko Krumbach

Der Hund seiner Nachbarin


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Aber das war unter den gegebenen Umständen, bisher leider nicht möglich gewesen. Jedoch diesen kleinsten, gemeinschaftlichen Grundkonsens galt es nun, beherzt zu verteidigen; bevor weitere Unholde und Störenfriede sich an dem Verhalten, der jungen Frau und ihrem Hund, ein schlechtes Beispiel nehmen konnten! Aber wie, um Himmels Willen, es am vernünftigsten anstellen, ohne das Gemüt des neu Zugezogenen empfindlich zu stören!?

      Einige Tag verbrachte der Mann schlaflos und von verschiedensten Ideen hin und hergerissen, auf der Suche nach einer machbaren Möglichkeit. So sehr er sich auch mühte, ihn wollte keine einfache Lösung anspringen. Der völligen Erschöpfung nahe, kam bei einer Drehung im Halbschlaf, ein sehr lebensechter Traum vorbei geschaukelt. War das etwa die rettende Antwort?! In diesem Kammerspiel der Illusion erschien eine kleine Abordnung, der gestressten Mieterschaft, an der Tür der jungen Frau. In ruhigem, freundlichem Ton wurde über die lästige Ruhestörung verhandelt. Um nicht kleinbürgerlich, sondern weltoffen zu wirken, sollte beiläufig ebenso Verständnis für unvermeidliche Störungen und menschliches Fehlverhalten offenbart werden. Schließlich steckt der Fehlerteufel in jedem von uns! Dadurch bliebe die Atmosphäre locker und gleichsam offen. Somit wurde das Problem, ganz nebenbei, einvernehmlich aus der Welt geschafft. Soweit der kleine Traum!

      Die Vorteile bei dieser Vorgehensweise lagen klar auf der Hand: Die Beschwerde sollte keineswegs eine direkte Anweisung zum Handeln und schon gar keine Drohung darstellen! Eher eine Bitte! Und es entsteht nicht der Eindruck, als handle es sich nur um einen einzigen, unzufriedenen Nachbarn.

      Soweit die Theorie! Und in der Praxis?

      Die Idee ist gut, scheitert aber manchmal daran, dass sich niemand bereit erklärt die Abordnung zu stellen.

      In den folgenden zwei Tagen schickte Herr M. eindringliche Appell an die restliche Mieterschaft aus. Sorgen und Nöte wurden ausführlich von jenem erläutert. Der ältere Herr mühte sich redlich um Unterstützung. Doch seine Bitte um Beistand, stieß auf taube Ohren. Von den angesprochenen Damen und Herren, im Hause, fand sich niemand, der das Bedürfnis, ihres Nachbarn, nach Ruhe und Ordnung angemessen teilte. Verständlich, da niemand zur Zeit der Störung am Ort anwesend war. Herr M. blieb vorerst mit seinem Wunsch nach angemessener Mithilfe völlig allein im Hause. Somit verpuffte die gute Idee ungenutzt im Windzug des Hausflurs. Es gab noch eine Alternative; die Hausverwaltung einzuschalten! Es war der einfachste, aber auch unsensibelste Schritt. Völlig Unbeteiligte einzuschalten kam fast einer Kriegserklärung gleich und bedeutete, dass die Mieter untereinander unfähig schienen, ihre überschaubaren Problem selbst lösen zu können. Und tatsächlich, wollte Herr M. nicht mit Haubitzen auf Spatzen schießen. Der Hund und sein lautstarker Einsatz in den eigenen vier Wänden sollte, am Ende mit der Besitzerin und allen Beteiligten, friedlich geregelt werden.

      Und Bello? Wie hätte er in dieser Situation reagiert? Wusste er überhaupt, was sein ständiges “Rufen“ dem menschlichen Nachbar für Qualen bereitete? Mit großer Wahrscheinlichkeit nicht! Er folgte brav seinem natürlichen Impuls, auf den er sich immer verlassen konnte. Ganz besonders auf seine Nase! Sie hatte ihn bisher, in seinem Leben nicht im Stich gelassen. Dann und wann, wenn er dem Nachbarn, nach seinem Rundgang begegnete, hatte er einen wahrhaft unschuldigen Blick in seinen Augen. Dazu wedelte er unverfänglich mit seiner Rute und schlängelte sich, fast unbemerkt an dem älteren Herren vorbei. Fast so, als könne er kein Wässerchen trüben und hätte nichts unrechtes getan. Seine Besitzerin teilte das unbekümmerte Verhalten ihres Haustiers. Bei etlichen Begegnung mit dem Nachbarn grüßte sie freundlich und blieb dabei immer um Abstand bemüht. Hierbei wirkte sie andauernd rastlos und fahrig. An einer Unterhaltung bestand nicht das geringste Interesse.

      Ein paar Tage gab sich Herr M. noch der vagen Hoffnung hin, dass eine schicksalhafte Erscheinung, oder ein Wunder seine missliche Lage bereinigen könnte. Aber auf dieses Geschenk des Himmels wartete er vergeblich. „Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott“, so lautet ein weit verbreitetes Lebensmotto.

      Schlussendlich, eines schönen abends, befand sich Herr M. erneut in der heiklen Mission “ Ruhe und Ordnung“,vor der Wohnungstür der Hundehalterin und drückte beherzt die Klingel. Augenblicklich hallte der warnende Ruf des wachsamen Haustiers durch die gesamte Wohnung, bis in den Hausflur herüber. Diese “Melodie“ war dem Nachbarn wohl vertraut und in den letzten Wochen, tagsüber sein ständiger, unangenehmer Begleiter geworden. Der Widerhall des Tieres verlor sich alsbald. Dann herrschte Totenstille.

      - Eigentlich war dieser Mann, der nun mit flauem Gefühl im Magen dastand, trotz des ganzen Ärgers, erleichtert und gleichwohl froh über die Vermietung der Nachbarwohnung gewesen. Daran sei hier noch einmal kurz erinnert.- Denn Herr M. war ebenso ein Mieter; Anfang Fünfzig und alleinstehend. In heiklen Situationen behielt er einen kühlen Kopf. Bei Meinungsverschiedenheiten vermittelte er gekonnt und sehr oft erfolgreich. Diese ruhige Art, mit viel Geduld war bisher seine Stärke.

      Ebenso war er den Tieren nicht abgeneigt; hätte selber gerne einen Hund gehalten. Jedoch war er sich bewusst, dass ein Haustier eine Menge Freude und Abwechselung in das Leben eines Menschen bringt, aber auch viel Verantwortung und umsichtiges Handeln des Halters erfordert. Zumal eine artgerechte Haltung der Tiere oberstes Gebot sein sollte. Überdies verfügte er nicht über nennenswerte Erfahrung mit solchen Tieren. Somit hielt er sich in seiner Wohnung üppige Grünpflanzen und stachelbewehrte Kakteen; erfreute sich an ihrer Pracht und hin und wieder an einer Blüte, die sich, je nach Saison, schüchtern offenbarte -.

      Frau Y. öffnete gerade einmal zwei handbreit ihre Tür. Überrascht schaute, die junge Frau ihrem Nachbarn, mit verschlafenen Augen, ins Gesicht. Ihr verkniffener Blick ließ erahnen, dass sie um diese Zeit nicht zwingend mit einem Besuch gerechnet hatte. Bevor dieser ein Wort des Grußes an sie richten konnte, knurrte Bello bedrohlich aus der dunklen Ecke, hinter ihr.

      „Still, Platz“. fauchte sie ins Innere. Sofort war es im Flur ihrer kleinen Wohnung still.

      „Guten Abend. Ich hoffe, ich habe sie nicht gestört“, begann der Nachbar unentschlossen und ein wenig zögerlich zu fragen. Leichtes Kopfschütteln bei seiner Nachbarin.

      „Ich habe eine Bitte an sie...Eigentlich ist es dieselbe Bitte, wie vor zwei Wochen...Ihr Hund bellt den Tag über oft und stört meine Ruhe und die nötige Konzentration bei meiner Tätigkeit... Wäre es möglich, dass sich Bello in der Wohnung ruhiger verhält?... Oder geht es dem Tier nicht gut“?

      Sie zuckte gleichgültig mit ihren Schultern.

      „Doch, eigentlich schon. Er braucht nur etwas Zeit, sich hier an die neue Umgebung zu gewöhnen, denke ich. Er ist einfach sehr nervös und unheimlich sensibel...Bitte entschuldigen sie das Verhalten. Ich werde mich darum kümmern“.

      „Verstehen sie mich bitte nicht falsch. Ich habe Verständnis, dass ein Tier auch mal Laut geben muss. Aber es ist mir, in letzter Zeit, doch zu viel geworden“.

      „Ich werde mich darum kümmern, versprochen“, wiederholte die junge Frau mit ernsthaftem Ton, aber dennoch freundlich.

      Zum Ende der Unterhaltung wurden noch ein paar belanglose Nettigkeiten ausgetauscht. Dann fiel dem bangen Nachbarn ein mächtiger Stein vom Herzen. So erleichtert hatte er sich seit dem Einzug der jungen Frau nicht mehr gefühlt.

      Mit dem kurzen, unkomplizierten Verlauf des Gesprächs, konnte Herrn M. wirklich sehr zufrieden sein. Das anstandslose Entgegenkommen der Hundebesitzerin war, in dem Fall, vorbildlich zu nennen. Mit Freude und Zuversicht blickte er ab jetzt voran.

      Die versprochenen Maßnahmen hatten auf das Verhalten des Hundes keinen besonderen Eindruck gemacht. Den Beweis hierfür, bekam der gutgläubige Mann schnell an die Ohren. Ab jetzt bestanden ernsthafte Zweifel, dass die junge Frau mit dem nötigen Ernst und Eifer, dem Wunsch ihres Nachbarn nachkommen würde. Die traurige Erkenntnis! Es hatte sich nichts gebessert. Ganz im Gegenteil. Der Zustand verschlimmert sich! Das Bellen des Hundes klang mit einem mal heller und kraftvoller, als zu Anfang. Der Grund hierfür wurde bald offensichtlich. Die neue Mieterin, Frau Y. musste neuerdings halbtags arbeiten. Sie ließ deshalb ihre ängstliche Fellnase zwangsweise, vormittags für ein paar Stunden alleine. Die Hoffnung auf mehr Ruhe, in dem Wohngebäude, war damit endgültig Vergangenheit.

      Zudem beschäftigte Herrn M. neuerdings ein kleines