Andreas D. Werner

Buddhismus für Anfänger, Fortgeschrittene und Gottverlassene


Скачать книгу

Sonnenseite des Lebens, dem Leben im Luxus und Reichtum, auch noch eine Schattenseite des Lebens gibt: Krankheit, Armut, Elend, vielfältiges Leid und den Tod. Fortan kreisten seine Gedanken darum, die Ursachen für das Leid und Unglück zu ergründen. So zog er im Alter von 29 Jahren in die Welt hinaus, um auf unterschiedlichen Wegen die Ursachen und die Gründe des Leids ausfindig zu machen. In dieser Zeit der Askese erhielt er den Beinamen „Shãkyamuni“, was so viel bedeutet wie: der Weise aus dem Geschlecht der Shãkyamuni. Er wurde damals ein Suchender, so wie heute einige meiner Leser es sind. Er hoffte, alles Leid abstellen, besiegen zu können, wenn er die Ursachen ergründen könnte. Er wollte die Menschen vom Leid befreien. Das war sein Ziel. Er wollte einen Weg finden, trotz all des Leids, das uns Menschen zustoßen kann, glücklich und zufrieden leben zu können. Was wir heute wollen, ist mit Buddhas Ziel vor rund 2500 Jahren identisch.

      Er erreichte sein Ziel. Nach langer Zeit der Entbehrung und unter großen Anstrengungen gelang ihm mit 35 Jahren, unter dem legendär gewordenen Bodhibaum meditierend, die Antwort auf all seine Fragen klar zu sehen. Er empfand es als Erleuchtung seines Geistes, wie das Erwachen aus trübseliger Verblendung.

      Die Erleuchtung verhalf ihm zu vier ganz wesentlichen Erkenntnissen. Er erkannte, dass Menschen auf vielfältige Art von Leid betroffen sind und sie sich ihrem Leid nicht entziehen können. Er erkannte die Ursachen allen Leids. Er erkannte, dass sich diese Ursachen und folglich das Leid grundsätzlich aufheben lassen. Und er erkannte den Weg zur Aufhebung des Leids, wie wir vorgehen müssen, um jegliches Leid abstellen zu können.

      Diese grundlegenden Erkenntnisse formulierte er als Die Vier edlen Wahrheiten, die da lauten:

      1 Die Wahrheit vom Leiden

      2 Die Wahrheit von der Entstehung und den Ursachen des Leidens

      3 Die Wahrheit vom Aufhören des Leidens

      4 Die Wahrheit vom Weg zur Beendigung des Leidens durch die Aufhebung der Ursachen

      Ab diesem Erleuchtungserlebnis nannte sich Siddhãrtha fortan Buddha (wörtlich: der Erwachte), und mit dieser Erkenntnis über die Vier edlen Wahrheiten beginnt die Lehre Buddhas. Buddhismus gründet sich auf diese fundamentalen Erkenntnisse, Erkenntnisse, auf die auch wir aufbauen können. Bis zu seinem Tod unterrichtete er eine große Zahl von Schülern und Wissbegierigen aus allen Bevölkerungsschichten und vermittelte so seine Erkenntnisse einer stetig wachsenden Anhängerschar. Er verstarb im Alter von achtzig Jahren.

      Die Schultraditionen

      In vielen Ländern dieser Welt versuchen buddhistische Mönche und an Buddhismus interessierte Laien, Buddhas Erleuchtung mithilfe recht unterschiedlicher Schultraditionen nachzuvollziehen. Zu diesen Schultraditionen des Buddhismus zählen unter anderem der Hinayãna-Buddhismus (auch „Kleines Fahrzeug“ genannt) mit dem Theravãda („Die alte Lehre“, „Lehre der Ordensältesten“), der Mahãyãna-Buddhismus („Großes Fahrzeug“) zusammen mit dem Zen-Buddhismus und der Vajrayãna-Buddhismus („Diamantfahrzeug“). Diese Schultraditionen werden wiederum in unterschiedlichen Klöstern und Lehrstätten, die sich anfänglich in Indien und dann auch in China, Korea, Japan, Tibet, der Mongolei, Vietnam, Laos, Burma, Kambodscha, Ceylon (Sri Lanka) und Thailand etablierten, auf nicht immer einheitliche Weise gelehrt. Die Verbreitung der Lehre, auch Dharma genannt, erfolgt in der Regel von engagierten Mönchen und hoch angesehenen Lehrmeistern, die wiederum auf recht unterschiedliches Wissen und vielschichtige, aber uneinheitliche Erfahrungen zurückgreifen. Jede Schultradition entwickelte ihre eigenen Lehr- und Übungsmethoden, jede dieser Mönchsgemeinschaften hat ihre eigenen Regeln. Über die Jahrhunderte wurden die Lehren und Regeln wiederholt angepasst und zwar an den jeweils vorherrschenden Zeitgeist, die länderspezifischen Gepflogenheiten, die vor Ort dominierenden Religionen, politischen Strömungen und die persönlichen Auffassungen und Auslegungsideen der jeweiligen Lehrmeister. Das erklärt die unterschiedlichen Schultraditionen und die große Vielfalt, die wir heute rund um den Begriff Buddhismus beobachten – was uns aber in unseren eigenen Bemühungen nicht unbedingt weiterhilft.

      Viele Menschen haben sich schon mit dem Studium derartiger Schultraditionen beschäftigt und viele haben nicht gefunden, was sie suchten, haben den tieferen Sinn der Lehren Buddhas und seiner Erleuchtung nicht verstanden. Es gibt nicht den idealen Weg, nicht die beste Lehrmethode, nichts garantiert den Erfolg. Auch ich kann Ihnen Buddhismus und was sich dahinter verbirgt nur mit meinen eigenen Worten beschreiben, aus meinen eigenen Erfahrungen schöpfen, aber mit der Gewissheit, am richtigen Ziel angelangt zu sein – zu wissen, was Buddha uns vermitteln wollte. Ich habe das Wissen und die Erkenntnis dazu, an jedem Ort zu jedem Zeitpunkt glücklich und zufrieden leben zu können.

      Folgen Sie mir, ich kenne das Ziel, weiß, wo wir hinmüssen.

      Der Suchende

      Suchende wollen den Sinn der Lehre, den Sinn des Lebens verstehen lernen, wollen verstehen, was Buddha den Menschen mit seiner Lehre vermitteln will.

      Im Wort Suchender zeigt sich einerseits Neugier, Sehnsucht und die Hoffnung, Antworten zu finden auf all die unbeantworteten und oft so quälenden Fragen, und andererseits die Hilflosigkeit, Verzweiflung bis hin zur Aussichtslosigkeit.

      Besonders in extrem belastend oder gar aussichtslos empfundenen Situationen besinnen sich Menschen ihrer Religionszugehörigkeit, suchen Zuflucht in ihrem Glauben, erhoffen sich Hilfe durch Beten und rituelle Zuwendung, durch Zwiesprache mit Gott, mit dem Allmächtigen.

      Zweifellos mag es Menschen geben, die in ihrem Glauben Zuflucht, Schutz und Geborgenheit finden, und deren Religion und deren Gott ihnen Antwort auf all die Fragen gibt – auch in den widrigsten Situationen.

      Aber diejenigen, die keine Hilfe erfahren, die nicht erhört werden, die kein Zeichen der Zuwendung verspüren, deren Stoßgebete in größter Not ins Leere gehen, die immer wieder nicht einmal den geringsten Trost bekommen, diese Menschen verzweifeln, begeben sich auf die Suche, werden somit Suchende.

      Ihr Selbsterhaltungstrieb und das tief sitzende Gefühl, eine Lebensberechtigung zu haben, auch der Wunsch nach Glück und Zufriedenheit, sind ihnen Motivation genug.

      Das Gefühl, von Gott und der Welt (gar von allen guten Geistern), verlassen zu sein, führt den Menschen nicht selten in eine esoterische Buchhandlung, zu den Regalen mit den buddhistischen Büchern, oder er bekommt von einem mitfühlenden Menschen, von einem Leidensgenossen, ein buddhistisches Buch in die Hand gedrückt.

      Oft ist dies der Anfang des Weges, mit buddhistischem Gedankengut zu sympathisieren, und in dem Moment tut es demjenigen gut. „Es tut gut“ ist eine Erfahrung, die man nicht vergisst, und die immer dann ins Gedächtnis zurückkehrt, wenn sich Leid und Ungemach erneut einstellen. Buddhistisches Denken tut gut. Buddhismus kann helfen, auf eine ganz andere Art Zuflucht zu finden, kann helfen, auf eine ganz besondere Weise dem Leid und Unglück zu begegnen, kann helfen, letztlich Glück und Zufriedenheit zu erfahren.

      Wenn Sie sich auf diesen Weg begeben, werden Sie mit jeder neuen Erkenntnis reifen. Das Lesen und Studieren buddhistischen Gedankenguts ist dabei nur einer von vielen Aspekten. Das Wichtigste auf Ihrem Weg ist Ihr ureigenes, persönliches Erlebnis mit diesem Gedankengut, wie Sie in der Praxis damit umgehen, den Sinn erkennen und wie Sie die selbst gemachten Erfahrungen in Ihr reales Leben umsetzen und integrieren. Der Impuls liegt bei Ihnen, das anhaltende Bestreben liegt bei Ihnen, auch der Erfolg liegt allein bei Ihnen.

      Mit anderen Worten: Alles, was ich hier aufschreibe, ist meine Erfahrung, und noch nicht Ihre. Machen Sie Ihre eigene Erfahrung, machen Sie buddhistisches Gedankengut zu Ihrem. Das ist fundamental wichtig. Ich kann nur Ihr Wegweiser sein.

      Wenn Sie hungrig und durstig sind, dann nützt es Ihnen nichts, wenn ich für Sie esse und trinke. Um Ihren Durst und Ihren Hunger zu stillen, müssen Sie selbst essen und trinken. So verhält es sich auch mit dem Buddhismus. Sie selbst müssen Buddhismus praktizieren und selbst erleben, um den Weg zu einem glücklichen und zufriedenen Leben zu finden.

      Ich zeige Ihnen also den Weg zum Glücklich- und Zufriedensein und Sie werden – am Ziel angekommen – feststellen, es ist nicht das, was Sie anfänglich annahmen, beziehungsweise vermuteten oder mutmaßten.