Benny Bohlen

Emilia will Fotomodel werden


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denn sie hatte keine Lust, sich von Rafael ein weiteres Mal versetzen zu lassen. Anscheinend interessierte ihn der Film nicht sonderlich. In diesem Fall war es besser, wenn sie ihn sich allein ansah, weil sie sich hinterher bestimmt über seine abfälligen Bemerkungen ärgerte.

      Okay, es war eine rührselige Geschichte, und da sich Männer anscheinend schämten zu weinen, versteckten sie sich hinter überheblichen Kommentaren. Lisa und Emilia hingegen heulten wie Schlosshunde und verließen das Kino mit rotgeweinten Augen.

      „Ein schöner Film“, schniefte Lisa gerührt.

      „Ja, wunderschön.“

      „Und so lebensecht.“

      Emilia nickte. „Die Schauspieler waren großartig.“

      „Mir hat die junge Mutter so wahnsinnig leidgetan, als sie sich von ihrem Baby trennen musste.“

      „Mir auch“, gab Emilia zu.

      „Ich möchte nie in eine solche Situation kommen.“

      „Ich auch nicht“, sagte Emilia leise und putzte sich die Nase.

      „Das Kind, das man liebt und auf das man sich so sehr gefreut hat, hergeben zu müssen, weil einen die Umstände grausam dazu zwingen, ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Solche Fälle gibt es wirklich.“

      „Das macht einen ja so betroffen.“ Emilia würde der Film noch lange beschäftigen.

      „Ich muss noch ins Inkognito. Kommst du mit?“

      Emilia schüttelte den Kopf. „Ich gehe nach Hause.“

      Lisa zeigte mit dem Daumen auf das Plakat neben dem Kinoeingang.

      „Das wäre kein Film für Rafael gewesen. Er hätte über deine Tränen gelacht, und du hättest dich über ihn geärgert. Ich habe übrigens mit Julian gesprochen, das kannst du Rafael ausrichten, wenn du ihn siehst. Mit dem Fernseher wird es noch eine Weile dauern. Hoffentlich verliert Rafael inzwischen nicht die Geduld, aber Julian fliegt für zwei Wochen in den Urlaub.“

      Emilia zuckte die Achseln. „Rafaels Problem. Wenn er nicht warten will und es sich leisten kann, mehr dafür zu bezahlen, soll er den Fernseher halt im Internet kaufen.“

      Lisa schmunzelte. „Hört sich so an, als wärst du im Moment nicht besonders gut auf Rafael zu sprechen.“

      „Vielleicht sollte ich in Zukunft mehr an mich denken. Er nimmt ja auch keine Rücksicht auf mich.“

      Lisa hob die Arme. „Da halte ich mich lieber raus. Du weißt am besten, was du tun musst.“

      Emilia seufzte. Ich wollte, es wäre so, dachte sie unsicher.

      Im Wohnzimmer lief der Fernsehapparat. Pistolen krachten, Maschinenpistolen ratterten, Handgranaten explodierten, Autoreifen quietschten, Motoren dröhnten - Rafaels Eltern sahen sich einen TV-Krimi an. Er hatte sich zuerst zu ihnen setzen wollen, war aber dann auf sein Zimmer gegangen und lag nun mit unter dem Kopf verschränkten Händen auf dem Bett. Unten brüllten Männer, eine Frau kreischte schrill. Das musste das Finale sein. Der Lärm verstummte jäh. Das Schluchzen einer Frau. Eine sanfte Männerstimme. Zärtliche Geigenklänge … Ende. Stille. Seine Eltern hatten den Apparat abgeschaltet.

      Rafael hörte sie die Treppe hochkommen. Sie sprachen miteinander, aber Rafael konnte nicht hören, worüber sie redeten. Unwichtig. Es interessierte ihn nicht. Er dachte an das Tennismatch, das er wieder gewonnen hatte, aber diesmal nicht mehr so leicht. Niklas hatte hart an sich gearbeitet, aber er spielte noch nicht druckvoll genug, um seinen Gegner in Bedrängnis zu bringen, und seine Taktik war noch zu durchschaubar. Aber ein Gegner, den man nicht ernst zu nehmen brauchte, war er nicht mehr.

      Die Tür des elterlichen Schlafzimmers schloss sich. Rafael stand kurz auf. Sein Schreibtisch hatte ein Geheimfach. Nachdem er die Nacktbilder von Emilia auf seinen Computer überspielt hatte, hatte er die besten ausgedruckt. Er holte sie aus dem Geheimfach und legte sich wieder aufs Bett.

      Schon beim Betrachten der ersten Aufnahme merkte er, dass er heiße Ohren bekam. Er sah sich jedes einzelne Bild sehr lange an, und sein Atem ging dabei schneller.

      Emilia hatte einen phantastischen Körper. Viele Mädchen in ihrem Alter waren noch nicht so gut entwickelt, doch bei Emilia stimmte einfach alles. Ihre Proportionen waren traumhaft.

      Ihr Anblick erregte Rafael sehr, und ein heißes Begehren erwachte in ihm. Es wäre schön gewesen, sie jetzt hier zu haben, sie liebevoll zu umarmen, zärtlich zu streicheln und leidenschaftlich zu küssen.

      Obwohl er Emilia sehr mochte, war er nicht bereit, auf seine Freiheit zu verzichten. Wenn ihn morgen ein Freund anrief und ihm eine mehrtägige Fahrradtour vorschlug, dann war er dabei, ohne Emilia vorher um Erlaubnis zu bitten, denn er vertrat den Standpunkt, dass ihre Beziehung kein Kerker sein dürfe. Emilia … schön und gut, aber nicht auf Kosten der Freiheit.

      Als Emilia Rafael wiedersah, bestellte sie ihm, was Lisa ihr von Julian aufgetragen hatte. Rafael kratzte sein Kinn und rümpfte die Nase.

      „Noch zwei weitere Wochen warten.“

      „Keiner zwingt dich“, erwiderte Emilia nüchtern.

      „Denkst du, ich hab's so dick? Wann fliegt Julian denn in den Urlaub?“

      „Keine Ahnung.“

      „Kann er nicht kurz für mich anrufen und sagen, dass ich mir das Gerät hole?“

      Typisch Rafael, dachte Emilia. Er dachte mal wieder nur an sich.

      „Was sind schon zwei Wochen - gemessen an der Ewigkeit?“

      Es klang fast schadenfroh, wie sie das sagte. Sie gingen nebeneinander die Straße entlang. Es war kühl geworden. Emilia trug eine hüftlange Jacke.

      „Muss er ausgerechnet dann Urlaub machen, wenn ich einmal seine Hilfe brauche?“

      „Das sagst heute du, nächste Woche ein anderer, in einem Monat ein dritter. Da könnte Julian ja nie Urlaub machen.“

      „Wozu braucht er Urlaub, da er sowieso das ganze Jahr so gut wie nichts arbeitet?“

      „Gut, dass er das nicht gehört hat, sonst würde er nämlich keinen Finger für dich rühren.“

      Sie schwiegen eine Weile. Emilia fragte absichtlich nicht, wie das Match gegen Niklas ausgegangen war. Stattdessen erzählte sie Rafael, dass er mit ihr nicht mehr ins Kino zu gehen brauche, weil sie sich den Film inzwischen mit Lisa angesehen habe.

      „Und?“, fragte er zwar, aber es klang gleichgültig. „Wie war er?“

      „Großartig. Aber nichts für dich.“

      „Wieso glaubst du das?“

      „Der Film drückt ungeheuer auf die Tränendrüsen“, erklärte Emilia.

      „Ich hab's geahnt, dass er kitschig ist!“, rief er und zog geringschätzig die Mundwinkel nach unten.

      Groll stieg in Emilia hoch. Warum musste sie ihm Gelegenheit geben, das zu sagen? fragte sie sich ärgerlich. Es hätte vollauf gereicht, zu erwähnen, dass ihr der Film gefallen hatte - und fertig.

      Es blieb ihr schließlich nicht erspart, sich anhören zu müssen, wie die ‚Schlacht‘ gegen Niklas ausgegangen war. Da sie nicht danach gefragt hatte, begann Rafael von selbst zu erzählen, doch sie hörte nur mit halbem Ohr zu.

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