working for the Yankee Dollar.“ Als Kind hatte er immer auf diese langgezogene Endung gewartet „working for the yaankee dollaaaaar …“. Ein echtes Gute-Laune-Lied! Er stellte sich die befreiten Menschen vor, befreit von Angst, befreit von der Last des Krieges, wie sie tanzten vor Freude, Jung und Alt! Alle Überlebende eines unmenschlichen Albtraums, alle Mitwirkende in diesem Albtraum, auf unterschiedlichen Seiten Mitwirkende, wenn er an Amadeus dachte. Er las weiter. „My dreams are getting better all the time“, „Don‘t fence me in“ oder Glenn Miller, hat mir alles gut gefallen. Ich habe einen Offizier kennengelernt. Charles J. Landin, der hat erst versucht gegen diese ‚Fraternisierung‘ einzuschreiten, aber dann hat er doch selber mit getan. Dem habe ich meine Nummer gezeigt und dann haben wir beide ein bisschen geweint und er hat mir seins erzählt und ich ihm meins und jetzt ist er mein Freund. Er kommt aus Omaha in Nebraska und seine Eltern sind 1930 nach USA gegangen und er heißt eigentlich Karl Johann Landin und er spricht fließend Deutsch, weil er in Dirmstein, Pfalz zur Schule gegangen ist. Wir sind beide Jahrgang 1915, aber nach dem KZ bin ich alt, er nicht. Meine Haare sind ganz grau und dünn geworden und ich bin nur noch Haut und Knochen. Der Charlie hat dort das Sagen und der ist jetzt mein Freund. Er hat mir versprochen, dass er persönlich die Vermögensrückübertragung veranlasst. Die Höllers sind alle weg, bei Nacht und Nebel abgehauen, keiner weiß wohin, aber der Höller steht noch im Grundbuch. Tot im Gebüsch ist er gelegen – habe ich ja schon geschrieben. Die Hausschlüssel habe ich gekriegt, die hatte er in der Hosentasche. Erstochen haben sie ihn - den Unmenschen. Freuen tut es mich trotzdem nicht, aber fürchten muss ich mich jetzt auch nicht mehr. Das war am 15. Mai, wo sie ihn gefunden haben und der Lagerdolmetscher lag daneben. Aber erstochen haben sie ihn früher – aber da will ich jetzt nicht dran denken.Aber der 4. Mai war so schön, alle Menschen waren so froh, dass es vorbei war. Alle haben gelacht und geweint und getanzt. Ich habe den ganzen Tag gefeiert. Ich habe allen meine Nummer gezeigt und dann haben die sofort mit mir angestoßen und ja mei, ich vertrag ja nix mehr. Ihr ergebener Diener Amadeus GlückPS Ich wohne in der Villa, ziehe aber wieder um ins Kutscherhaus, das ziemt sich besser und ist besser für die Mieteinnahmen, ich kann das Haus vielleicht an die Amerikaner vermieten.Hans musste lachen bei der Vorstellung, wie es da wohl zugegangen war an diesem 4. Mai 1945 in Grafing bei München. Jetzt ging er systematisch vor: Als Erstes ordnete er die Briefe nach Jahreszahlen. Er bildete Häufchen je Dekade auf dem Küchentisch. Briefmarken aus allen Dekaden zierten die Umschläge. In dieser Nacht schlief Hans keine Minute. Die Morgensonne lachte schon längst vom Himmel, als Hans noch lange nicht das letzte Blatt beiseitelegte. Tief war er eingetaucht in die Nazizeit, die Nachkriegszeit und hatte erfahren, wie das Leben des Amadeus Glück verlaufen war. Grafing den 13. Februar 1949Lieber sehr geehrter Herr Grandauer,trotz aller Nachforschungen weiß ich noch immer nichts über Ihren Verbleib und wie es Ihnen ergangen ist. Ich frage mich allmählich ob die Nazi Sie nicht doch gekriegt haben und Sie gar nicht nach USA gekommen sind. Am Ende sind Sie vielleicht schon tot? So viele Jahre ist das nun alles her. Ich arbeite bei den Amis in der Instandhaltung und ich fahre LKW. So habe ich ein gutes Auskommen. Mein Freund Charlie hat mir damals den Job besorgt. Währungsreform war auch, wir haben jetzt DM. Nach der Reform war alles wieder da, jeder konnte Essen kaufen in Hülle und Fülle, vorher haben wir alles gegen Ami-Zigaretten tauschen müssen.Das Haus, der Pavillon und das Kutscherhäuschen hatten zuerst einquartierte Flüchtlinge, aber inzwischen sind sie gut vermietet und ich habe schon 1946 die Rückübertragung beantragt. Der Charlie hat das alles ganz schnell und gut erledigt. Jetzt steh halt ich im Grundbuch, aber ich versichere Ihnen, wenn Sie wieder da sind, gehen wir zum Notar und dann schreiben wir es wieder auf Sie um – so wie es seine Richtigkeit hat. Ich habe schon ganz viele Behörden in USA angeschrieben und der Charlie hat mir die Wörter gesagt und so habe ich über die Arbeit und die Briefe Englisch gelernt. Aber ich finde Sie einfach nicht. Ich habe den Mietern eingebläut, wenn Sie kommen, dass die mich sofort benachrichtigen. Ich wohne ja noch in Grafing. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Sie wiedersehen würde. Inzwischen werde ich getreulich berichten. Auch dieser Winter war wieder sehr kalt. So allmählich erholt sich Deutschland von den Nachkriegswirren. Die Flüchtlinge sind in Barackenlagern untergebracht, aber es wird auch gebaut, damit die Menschen wohnen können. Grafing und Umgebung hatte ja keine wirklich großen Bombenschäden, da ist München was anderes widerfahren. Lebensmittelkarten hat es auch gegeben aber mit der Einführung der DM war es vorbei, nun gibt es wieder alles. Mein Verdienst bei den Amis ist gut und in den nächsten Jahren sollte es mir nicht schwerfallen eine Frau zu finden. Aber im KZ bin ich so grau geworden und ich sehe viel älter aus. Ich gehe aber regelmäßig zum Tanz und wer weiß…Lieber sehr verehrter Herr Grandauer, ich vermisse Sie und hoffe, das Gott Ihnen alles zum Guten hat gedeihen lassen. Ich freue mich darauf, Sie hier wiederzusehen. Als nächstes schreibe ich nochmals die Einwanderungsbehörde in San Francisco an, vielleicht habe ich Glück …Ihnen alles Gute, Ihr ergebener Diener Amadeus GlückDas Handy klingelte: Frau Prohaska rief an, und Hans hörte die neuesten Nachrichten aus seiner Welt. Er besprach mit ihr, dass er im Laufe der nächsten Woche zurückfahren würde und dass in der Zwischenzeit sie alles so machen sollte wie immer.Nachdem er das Gespräch beendet hatte, klingelte das Handy erneut– die Nummer kannte er nicht. Er nahm das Gespräch an und sagte vorsichtig fragend „Ja?“„Spreche ich mit Herrn Glück? Mein Name ist Josef Friedenauer, ich bin Anlage- und Vermögensberater, und ich habe mit Sicherheit ein gutes Angebot für Sie …“Hans war irritiert und unterbrach den routinierten Redner schroff „Woher haben Sie meine Nummer?“ „Es spricht sich in einer kleinen Stadt schnell herum, wenn jemand eine solch wertvolle Immobilie erbt, und der Rest hat mit gutem Spürsinn und Recherche zu tun.“ lobte sich der Mann am anderen Ende der Leitung selbst.Hans schüttelte den Kopf „ich brauche keinen Anlage- und Vermögensberater …“ dann zögerte er etwas, was dem Gesprächspartner sofort dazu verhalf, die Pause zu füllen.„Die Bank zahlt Ihnen doch gar nichts, Zinsen sind im Keller, Geld ist ein Geschäft für Profis, wie sie einer sind!“ Es folgte eine kurze Kunstpause. „Zehn Prozent Rendite nach Steuern in Schiffsanlagemodellen oder zwölf Prozent bei offenen oder geschlossenen Immobilienfonds – dies sind die Anlagemodelle von erfolgreichen Unternehmern, einem Geschäftsmann, wie Sie es sind …“ plapperte er weiter. Hans unterbrach die Verbindung.Er ging in die Stadt, um bei der Sparkasse nachzufragen, ob Amadeus dort Konten gehabt hatte oder ein Schließfach, denn im Haus fand sich nur, was Herrn Grandauer betraf. Herr Moritz Huber, der Kundenberater von Herrn Amadeus Glück, lächelte Hans freundlich an „Mein Beileid!“ wurde von einer routiniert ausgestreckten Hand begleitet, die auf den Stuhl vor ihm verwies. Hans setzte sich. Er legte den Erbschein vor und seinen Ausweis, beides wurde kurz geprüft, dann wandte sich Herr Huber seinem Computer zu „Nun wollen wir mal sehen, was wir da so haben …“ Nach ein paar Augenblicken meinte er – konzentriert auf den Computer blickend – „Ja, wir haben ein Konto auf Herrn Amadeus Glück ausgestellt … es hat ein kleines Guthaben von 2.398,17 € … Schließfach haben wir keines … Aktiendepot auch nicht.“ Er blickte Hans offen an und fragte „Was haben Sie denn mit dem Haus vor? Wir, also die Sparkassen, bieten einen regionalen Immobilienservice. Sie können das Haus gerne über uns verkaufen lassen. Die 3,75 % Maklerprovision zahlt der Käufer, also für Sie sicher ein gutes Geschäft.“„Ich bin noch etwas unentschlossen, der Erbenermittler meinte, die Villa abzureißen und das Grundstück neu zu bebauen.“ Herrn Hubers Interesse war geweckt, er rutschte auf dem Stuhl nach vorne, der Oberkörper richtete sich auf. Hans registrierte diese kleine Veränderung, sein Banker in Essen behandelte ihn immer wie einen Bittsteller, den kleinen Handwerker, der war dann immer sehr gönnerhaft zu ihm, als ob ein Kredit ein persönlicher Gnadenakt wäre. Der hier war anders, Hans dachte bei sich: Ah, sein Jagdinstinkt ist geweckt!„Ein schönes Grundstück, wieviel Quadratmeter hat es denn genau?“ „2500 laut Grundbuch“ „Also da können Sie zwei Dreispänner draufstellen. Sechs Häuser mit 350 - 400 qm Grund. Da könne man ruhig eine engere Bebauung planen, dass kriegen wir beim Stadtrat durch, also zwei Vierspänner, heißt acht Häuser mit 250 qm Grund netto!“ Auf Hans‘ verständnislosen Blick reagierend ergänzte er „Zufahrten und Wege müssen wir ja abziehen.“ Und mit fester Stimme fuhr er fort: „Als Sparkasse finanzieren wir solche Projekte auch gerne, und wir haben hier einen bevorzugten Bauträger aus der Region, den ich Ihnen nur empfehlen kann“. Er schwieg einen Moment, überlegte und murmelte dann halblaut vor sich hin „8 Häuser zu 620.000 € … 650.000 € je nach Ausstattung … die Eckhäuser teurer … also 5 Millionen sollten drin sein!“ Er nickte Hans aufmunternd zu, griff