Caroline Régnard-Mayer

Frauenpower trotz MS Teil 1


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ein. Im Nachhinein war diese Schwangerschaft für die MS nicht förderlich, aber heute möchte ich meinen Sohn um nichts in der Welt wieder hergeben. So wie meine kleine Tochter.

      Joel war in den ersten fünf Monaten ein ge-sundes Kind, bis auch bei ihm eine beidseitige Hüftdysplasie diagnostiziert wurde. Zum Glück musste er nicht operiert werden. Aber in einer orthopädischen Klinik in Erlangen bekam er, wie Sarah, eine spezielle Hüftschiene, die er nun Tag und Nacht tragen musste.

      Mein Söhnchen fiel tagsüber in kurz andauernde Erschöpfungsschlafzustände, und nachts weckte er mich alle 30 bis 45 Minuten. Ich konnte mich in diesen 6 Monaten seiner Therapie kaum noch auf den Beinen halten.

      Sarah wachte zu dieser Zeit auch noch drei bis viermal in der Nacht auf. Mein Mann zog ins Gästezimmer in den Keller, unterstützte mich sehr wenig, als ginge ihn das Ganze nichts an. Unsere Ehe ging ein Jahr später dann in die Brüche.

      Ob ich zwischen 1998 und 2001 irgendwelche weitere Symptome bezüglich der MS hatte, kann ich heute nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Für mich blieb damals keine Zeit. Ich war in dieser Zeit chronisch übermüdet, antriebslos, gelegentliche hatte ich Taubheitsgefühle in den Händen und das erste Mal im linken Bein, jedoch sehr diskret.

      Im März 2001 suchte ich aufgrund von Taubheitsgefühlen der linken Leiste und des linken Beines einschließlich tauber Zehen, meinen Hausarzt auf, der mich zuerst zum Neurologen Dr. E. und dieser mich wiederum zum Orthopäden überwies. Dieser Orthopäde begleitet mich noch heute ärztlich. Er stellte damals bei Tests schon abgeschwächte Reaktionen fest, z.B. leichte motorische Störungen, Schwäche beim Stufentest und diversen anderen Tests. Er hatte den Verdacht auf eine Polyradiculitis (Virus, der die Wirbelsäule befällt) und eine lumbale Nucleusprotrusion (Bandscheibenvorwölbung). Es wurde ein MRT der LWS und untere BWS, eine neurologische Abklärung und Schonung verordnet. Beim MRT kam nur eine leichte Bandscheibenprotrusion L4/5 heraus, mit der ich heute immer noch sehr gut lebe.

      Also zum nächsten Neurologen, denn ich wollte eine zweite Meinung von einem anderen Facharzt. Dieser meinte, den Verdacht einer Polyradikulopathie könnte man vermuten, auch wenn das Beschwerdebild nicht typisch sei, und hat mir weiterhin das Medikament Keltican verordnet. Da mir keiner damals richtig helfen konnte, wartete ich einfach ab, bis die Sensibilitätsstörungen und Taubheitsgefühle und verschwanden.

      In meiner Familie änderte sich am 10. Juni 2001 schlagartig alles. Mein damaliger Mann erkrankte an einem Hirntumor. Nach seiner Operation und anschließenden Reha zog er ohne Ankündigung, aber mit gesperrten Konten und Postnachsendeantrag bei uns zu Hause aus. Seine Eltern und er standen plötzlich mit Koffern vor der Tür und nahmen alle wichtigen Unterlagen und Persönliches (Silberbesteck!!) mit.

      Ich stand nun mit zwei kleinen Kindern (Sarah 5 und Joel 2) von heute auf morgen ohne Geld alleine da. Ich musste schnell handeln und suchte mir sofort eine Putzaushilfestelle im Hallenbad, einen Rechtsanwalt und eine neue Wohnung. Das Haus schrieb ich zum Verkauf aus.

      Meine Symptome setzten wieder ein. Da unerträgliche starke Schmerzen dazukamen, dachte ich an eine Thrombose. Nach dem Dienst im Hallenbad, nachts gegen 1.00 Uhr, fuhr ich deswegen zur Notfalldienstzentrale. Fehlalarm! Es folgten Schmerzmittel, 10kg Gewichtsabnahme, Umzug. Ich fing am 01.03.2002 eine Halbtagsstelle mit Nacht- und Wochenend-diensten als MTA in einer Klinik an. Da ich unter permanentem Stress mit dem Beruf, den Kindern, Gerichtsprozessen wegen Unterhalt und Umgangsrecht und der finanziellen Sorgen stand, kamen die Symptome immer wieder zurück. Auch meine Augen waren im Herbst 2002 betroffen. Zum Glück bildete sich damals noch alles zurück.

      Im Juli 2003 ging ich wieder zum Neurologen, der mir Antidepressiva und Schlafmittel ver-schrieb. Lakonisch meinte er: “Zu große familiäre Belastungen!“ Zu Hause schmiss ich alles in den Mülleimer, denn ich hatte Taubheitsgefühle und keine Depressionen. Die Praxis dieses Neurologen habe ich nie mehr betreten.

      Wieder abwarten, dass die Symptome verschwinden? Nein, ich spürte, dass etwas mit mir nicht stimmte. Ich brachte im Labor keine richtige Leistung, war erschöpft, hatte Konzen-trationsprobleme und ein ständiges Einknicken im linken Bein. Der Frauenarzt, den ich in meiner Verzweiflung aufsuchte, konnte verständlicherweise auch nichts feststellen.

      Ende Mai 2003 beendete ich meine befristete Stelle im Krankenhaus. Durch Umstrukturierungen in der Klinik wurden keine weiteren Stellen benötigt. Ich war nun arbeitslos. Mit meinen Kindern fuhr ich 4 Wochen zur Reha in eine psychosomatische Klinik nach Bad Kreuznach. Es war dieser heiße Jahrhundertsommer. Meine Beine funktionierten dort fast gar nicht mehr. Von der Stationsärztin bekam ich den tollen Tipp, meinen Kopf frei zu machen, dann könnte ich wieder laufen. Wieder die Diagnose Depression!

      Wenn ich heute darüber nachdenke, wundert es mich, dass ich nicht wirklich Depressionen bekam, bei all dem ganzen Quatsch!

      Zu Hause ging ich nochmals zum Orthopäden. Aufgrund von Röntgenbildern, die ich selbst im Krankenhaus bei der vorhergehenden Arbeitsstelle machen ließ, hatte ich nun eine post-infektiöse Polyradiculitis, eine geringe Skoliose und eine angeborene Hüftdysplasie. Krankengymnastik wurde verordnet.

      Mittlerweile hatte ich mich zu einem Strahlenschutzkurs in Karlsruhe angemeldet, um beruflich weiterzukommen. Drei stressreiche Wochen von morgens 6.30 Uhr bis 19.30 Uhr folgten. Die Prüfung konnte ich mit Erfolg abschließen.

      Im September 2003 musste ich erneut den Neurologen aufsuchen, der mir heute noch treu zur Seite steht. Ich hatte wieder Taubheitsgefühle und Sensibilitätsstörungen in den Beinen und Händen.

      Wir wissen ja alle, dass bei MS keine Herde in der LWS zu finden sind, und da mein Arzt anscheinend damals schon einen Verdacht hatte, schickte er mich zum MRT der BWS. Diese MRT-Untersuchungen sind der reinste Horror für mich, da ich unter Klaustrophobie leide. Nur mit Beruhigungsmitteln lege ich mich in solch eine Röhre, denn schon beim Betreten der radiologischen Räume ereilt mich die Panik, und ich denke an eine Umkehr.

      In seinem Bericht stand: Verdacht eines älteren myelitischen Herdes. Im MRT sah man diskret ein intramedulläres Ödem, möglicherweise entzündlicher Genese. Der Radiologe äußerte den Verdacht auf eine demyelinisierende Erkrankung. Ein Schädel-MRT wurde empfohlen.

      Diese Untersuchung ließ ich erst im Januar 2004 machen, da mir mein Hausarzt nach dem Befund mitteilte: „Sie sind doch gesund und nur eine Belastung für die Krankenkasse durch die MRT-Kosten!“.

      Aber im Dezember 2003 während einer Reha mit meiner Tochter in Davos, ging es mir sehr schlecht, die üblichen Ausfälle und Schwindelanfälle.

      Mein Neurologe deutete dann schon nach dem Befund des Schädel-MRTs an (Marklagerläsionen, dicht am Balken Entmarkungsherde mit Schrankenstörung, Verdacht auf MS), dass auch er eine MS vermute und überwies mich ins Klinikum Ludwigshafen zur Lumbalpunktion und weiteren Abklärung im Februar 2004.

      „Wo war der „eingebildete“ Patient?“ fragte ich mich ...

      „Der Diagnose-Schock“

      Am 17.02.04 kam ich nun mit zwiespältigen Gefühlen, mit einer großen Angst vor der Wahrheit, auf der anderen Seite mit positivem Denken - mich wird es schon nicht treffen - im Klinikum Ludwigshafen Neuro 1 an. Mein Vater fuhr mich in die Klinik. Von nun ab war ich auf mich alleine gestellt.

      Es folgten endlose Untersuchungen von EEG, Blutentnahme, SEP, AEP und vieles mehr. Nichts verstand ich von all dem — heute bin ich fast Weltmeister im Verstehen! Ausführliche Gespräche über meine Symptome der letzten Jahre folgten.

      Am zweiten Tag erfolgte dann die Lumbalpunktion. Einmal und nie mehr!!!

      Ich hatte solch eine Angst und dann das Gefühl der Nadel in meinem Rückenmark, nicht in Worten zu beschreiben. Die Assistenzärztin musste noch sehr unerfahren sein nach dieser Folterprozedur, ihren Schweißperlen auf der Stirn und ihrem plötzlichen Verschwinden zu urteilen. Anschließend befolgte ich den Rat der Ärzte, 12 Stunden zu liegen und viel zu trinken, aber aus den wenigen Stunden wurden noch fünf Tage Bettruhe. Denn ich bekam nach der Punktion solche unerträglichen Kopfschmerzen,