Ed Belser

Die Frauen von Schloss Summerset


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schmiedeten. Seine Sorge galt der Brennerei, und die hatte er schließlich mit dem Geld von Margret und Shauna aufgebaut. Margaret … Sie würde wiederkommen. Das ließ er sich auch von John Fraser nicht ausreden. Der konnte lange davon reden, dass sie sich sicher längst ein neues Leben aufgebaut hatte, oder gar tot sei. Nichts da! Sie lebt! Sie wird wiederkommen. Früher oder später. Er würde warten. Sie würde ihn bestimmt finden. Jetzt, wo auch in der Zeitung über seine Brennerei berichtet worden war.

      Doch jetzt musste seine ganze Aufmerksamkeit dem vor Tagen angekündigten Besuch einiger englischer Offiziere gelten. Der Schreck war Cremor recht in die Glieder gefahren, als er ihre Namen erfahren hatte. Am Vormittag waren Adjutanten mit Offizieren und Soldaten da gewesen und hatten alles in Augenschein genommen. Die Soldaten waren als Bewacher rund um die Brennerei und die Lagerhäuser verteilt worden. Im Hof wurden zwei Zelte aufgestellt, auf denen die englische Fahne wehte — wie eine Besetzung. Die gleiche Machtlosigkeit wie damals, als die Engländer Blair Mhor zerstört hatten und nachher vor der Brennerei aufgetaucht waren; und wie damals hielt er Mary, Maggie und Seumas an, im Haus zu bleiben. Außerdem hatte er den Brennereiarbeitern befohlen, wie gewohnt ihrer Arbeit nachzugehen. Er würde sich allein um die Besucher kümmern.

      Am späteren Nachmittag kündigte das Trommelsignal eines Soldaten das Eintreffen der Besucher an. Cremor trat vor die Tür und sah einen Voraustrupp ankommen, der mit einem Offizier sprach, worauf ein weiteres Trommelsignal ertönte — offensichtlich das Zeichen, dass der Ort sicher war. Erst jetzt tauchten die weiteren Reiter auf, zuvorderst der Träger der Standarte, die rechte Hand fest an ihrem Stil, dessen Ende neben seinem rechten Steigbügel verankert war, dann die Leibwachen und eine von beiden Seiten flankierte vierspännige Kutsche, die vor den beiden Zelten anhielt. Zuerst stiegen zwei Offiziere aus, setzten die Dreispitze auf ihre Perücken und stellten sich neben die Kutschentür. Cremor sah eine weitere weiße Perücke über einem schmalen Gesicht auftauchen, eine hagere und lange Gestalt entfaltete sich und trat auf den Vorplatz. Die Soldaten standen stramm. Der Offizier setzte seinen Hut auf. Sein roter halb langer Mantel, vorne offen, mit schwarzen Einfassungen und Manschetten bedeckte knapp den silbernen Griffkorb seines dünnklingigen Degens. Cremor blickte in kleine eisblaue Augen, die auf ihn herabsahen.

      "Oberst Middlehurst. Sie sind Mr. Creamore?"

      "Ja, Sir, es ist mir eine Ehre, Sie zu begrüßen."

      Middlehurst deutete ein Lächeln an. "Ich möchte gerne Ihre Brennerei besichtigen. Führen Sie uns herum?"

      Cremor ging voraus zu Mälzerei, der Oberst und seine beiden Begleiter folgten ihm. Cremor erklärte die Arbeitsabläufe, führte die Besucher an Gärbecken vorbei zum großen Brennhafen und erläuterte ihnen die Wirkung der zweiten kleineren Brennblase. Je mehr er sprach, desto unbehaglicher wurde ihm. Middlehurst schien zwar zuzuhören, aber wirklich zu interessieren schien es ihn nicht. Er ahnte, dass diese Besichtigung nur ein Vorwand war. Da steckte bestimmt etwas anderes dahinter.

      Seine Ahnung bestätigte sich, als Middlehurst sich bedankte und sagte: "Gehen wir in mein Zelt. Vielleicht nehmen Sie noch eine Kostprobe Ihres Erzeugnisses mit?"

      Cremor hatte in den beiden Zelten rechtzeitig einige Krüge mit Gläsern bereitgestellt.

      Middlehurst zeigte auf das kleinere der Zelte. "Hier sind wir ungestört. Nur mein Sekretär wird dabei sein. Ich bin manchmal etwas vergesslich und er schreibt es für mich auf."

      Im Inneren des Zeltes war es leicht dämmrig, der Sekretär hatte zwei Lampen entzündet, eine auf den Tisch mit zwei Stühlen gestellt und sich mit der anderen an einen kleineren Tisch verzogen.

      Middlehurst setzte sich. Cremor schenkte ein. Beide hoben gleichzeitig die Gläser.

      Middlehurst benetzte nur die Lippen. "Schmeckt gut", sagte er beiläufig.

      Cremor tat es ihm gleich. Er musste auf der Hut sein.

      Middlehurst lehnte sich zurück. Seine kleinen Augen fixierten Cremor. "Schöne Brennerei, guter Ruf, gute Lage. Gehört Sie Ihnen?"

      "Ja."

      "Sie haben Sie selbst aufgebaut?"

      "Ja."

      Der Oberst hatte die Hand am Glas, führte es jedoch nicht zum Mund. Er lächelte leicht. "Wie denn?"

      "Mit Arbeit und Geld."

      "Die Arbeit sieht man, das Geld nicht. Woher hatten Sie es?"

      "Von Alan MacLennoch. Er war an der Brennerei beteiligt." Cremor atmete tief aus.

      Middlehurst drehte am Glas. "Der gute MacLennoch. Gerade noch rechtzeitig … aber lassen wir das. Er hat unserem König mit der Eroberung von Blackhill einige Arbeit abgenommen. Kennen Sie Schloss Blackhill?"

      Cremor hatte das Glas in der Hand und widerstand dem Wunsch, daraus einen großen Schluck zu nehmen. "Ich war mit MacLennoch da."

      "Kannten Sie MacAreagh?"

      Cremor zögerte einen Augenblick. "Ich war gezwungen ihn zu töten."

      "Aha. Da haben Sie unserem König einen großen Gefallen getan. Kannten Sie ihn schon vorher?"

      Der Vorhang des Zeltes öffnete sich und ein Melder brachte eine Botschaft mit einem Kartenausschnitt, den Middlehurst aufmerksam studierte. Sein Glas stand unberührt. "Entschuldigen Sie. Eine andere Frage: Sie sind Laird of Blair Mhor." Er beachtete Cremors Nicken gar nicht. "Haben Sie eine Urkunde, die das bescheinigt?"

      "Ja, selbstverständlich. Sie können Sie gerne einsehen."

      "Dann haben Sie auch eine solche für das Land der Brennerei?"

      Cremor versuchte sich seine steigende Beunruhigung nicht anmerken zu lassen. "Ja, natürlich." Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er dafür keine besaß. "Aber die Brennerei gehört doch zu Blair Mhor. Sie heißt ja auch gleich."

      Middlehurst schob sein Glas beiseite und legte die Karte auf den Tisch. "Die Grenze von Blair Mhor endet kurz vor Ihrer Brennerei. Sehen Sie?"

      Cremors Blick folgte dem dünnen langen Finger von Middlehurst. "Wo haben Sie denn die Karte her?"

      "Ist das wichtig? Wollen Sie etwa die Arbeit unserer Landvermesser in Zweifel ziehen?" Der Oberst kniff seine eisgrauen Augen zusammen. Sein Gesicht wirkte noch schmaler. "So wie es da steht gehört das Land, auf dem die Brennerei steht, zum Clan MacLennoch, also seinen Erben. Und wenn Sie keine Urkunde dafür haben, hängt Ihre schöne Brennerei in der Luft, oder?"

      Als sein Besucher abgezogen war, blieb Cremor allein im Zelt zurück. Er leerte sein Glas in einem Zug. Die Fragen des Oberst machten ihm Angst. Was wusste dieser über seine Vergangenheit? Was führt er im Schilde? Zum Abschied hatte er ihm nur gesagt: "Wir sehen uns noch", und dabei sein mageres Lächeln aufgesetzt. Er füllte sein Glas nach. Seine Gedanken jagten sich: Dann werde ich die Brennerei abbrechen und im Dorf, das mir gehört, wieder aufbauen, gleichzeitig aber wurde ihm bewusst, dass er damit von der Straße in den Süden zu weit weg war, dass es im Dorf nicht genug Wasser für eine Brennerei gab — und sie brauchte viel Wasser — und dass er die Gebäude zuerst erstellen müsste. Aus Stein. Vielleicht — genug da. Aus Holz, das fehlte. Hoffnungslos. Er füllte sich das Glas nochmals. Ein Glas ruft das zweite, zwei sind zu viel und drei zu wenig … Cremor schüttelte den Kopf und stellte das Glas abrupt zurück. Er merkte, wie das Zelt rüttelte, als es abgebrochen wurde, und entschlüpfte durch den Ausgang. Die Soldaten sahen ihm nach, wie er langsam zurück zur Brennerei ging.

      3

      Maggie umarmte ihre Mutter: "Niemand kann mich aufhalten. Wenn keiner etwas für die Flüchtlinge tut, muss ich es tun, Mutter. Bitte versteh' mich." Dann riss sie sich los, bestieg ihr Pferd und ritt aus dem Hof der Brennerei. Sie suchte den Weg zur alten Brücke bei der Mühle. Sie hatte Mary verschwiegen, dass sie zuerst das Grab von Shauna besuchen wollte.

      Sie saß auf dem Boden, eingehüllt in ihren Umhang, angelehnt an den Grabstein. Dann legte sie sich bäuchlings auf das Grab und hielt ihren Mund nahe an die Erde. "Shauna, hörst du mich? Ich bin Maggie, deine Tochter." Sie presste ihr Ohr auf