Micky Molken

Ferien, die bleiben


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deine nassen Haare tropfen den ganzen Fußboden voll«, warf Mom auch noch ein.

      »Aha, den ganzen Fußboden. Ich verstehe.« Wutentbrannt stand ich auf. Der Stuhl hinter mir geriet ins Schwanken. »Planänderung. Ich werde mir kein Essen zubereiten, sondern ich gehe gleich nach oben, um mir die Haare abzutrocknen, bevor wir alle jämmerlich ersaufen.«

      Genervt polterte ich die alte Holztreppe hinauf. Das Zuschlagen der Tür war in jeder Ecke des Hauses zu spüren. Aufgebracht schmiss ich mich auf das Bett und schwer atmend sprach ich leise ein Gebet.

      »Lieber Gott, mach, dass der Urlaub ausfällt. Schick mir eine Seuche. Cholera oder Pest. Schenk mir Pocken oder Masern, aber lass um Himmelswillen die Reise ausfallen. Danke!«

      Alles würde ich in Kauf nehmen, um nicht mit in den Urlaub fahren zu müssen. Eine Seuche käme mir gerade Recht. Ich ärgerte mich über die maßlos übertriebene »gut gemeinte« Erziehung meiner Eltern. Das ständige Bevormunden und diese nervige Stimme meiner ...

      »Baby, ich mache dir ein Reisesandwich fertig. Was für einen Belag hättest du denn gerne?«

      Mom! Denkt man an den Teufel, dann zeigt er sich. Oh Gott, sie nervt! Ich schnappte das Kopfkissen, drückte es mir ins Gesicht und schrie, so laut ich konnte.

      »Mom!«, zog ich das Wort so lange, bis mir die Luft wegblieb.

      »Bitte, ich habe es nicht verstanden.«

      Ich zog das Kissen vom Gesicht und brüllte: »Käse, Mom, nur Käse.«

      Mein Kopf wurde knallrot und drohte zu explodieren. Ich tobte vor Wut.

      »Sagtest du Käse?«

      »Ja!«, brüllte ich.

      »Du musst nicht gleich so schreien.« Vermutlich schüttelte Mom ihren Kopf. »Na das kann ja heiter werden.«

      »Sie wird sich schon beruhigen, alles wird gut«, hörte ich Dad sagen. Er versuchte Mom zu besänftigen.

      »Hoffentlich. Dein Wort in Gottes Gehörgang.«

      Nachdem die Küche in Ordnung gebracht worden war, arbeitete Mom ihre Urlaubscheckliste ab. Sie wollte keinesfalls etwas vergessen. Sorgfältig strich sie alle abgearbeiteten Dinge von ihrer Liste durch.

      »Reiseapotheke, check! Papiere und Geld, check! Unterwäsche, T-Shirts, Hosen kurz/lang, Nachthemd/Schlafanzug habe ich …«

      Dann wurde sie in ihrem Tun unterbrochen.

      »Erhardt, es klingelt an der Tür«, rief sie durch das Haus, »…Sonnenmilch, Shampoo, Zahnbürsten, habe ich, ja, habe ich auch, dass auch. Ah, den Föhn muss ich noch einpacken.«

      Erneut läutete es an der Tür.

      »Wo steckt er denn wieder? Erhardt!«, fragte Mom laut und lief ins Badezimmer.

      Natürlich hätte meine Mom selbst die Tür öffnen können, aber sie hatte etwas Wichtigeres zu tun.

      »Erhardt!«

      Moms Rufen wurde eindringlicher.

      Ich stand vom Bett auf, lief zu meiner Tür, öffnete sie einen Spalt und lauschte. Wer konnte das sein? Besuch um diese Uhrzeit war sehr ungewöhnlich. Vielleicht war es Ronny, der mich überraschen wollte, um mir einen schönen Urlaub zu wünschen. Meine schlechte Laune wich. Verhext, wie sehe ich aus! Wenn Ronny mich so sieht, war mein erster Gedanke. Und ich hörte, wie Dad zu Tür eilte. Abermals klingelte es.

      »Ich bin schon auf dem Weg«, versuchte er Mom zu beschwichtigen.

      Enttäuscht fiel ich in den alten Gemütszustand zurück, als ich hörte, wer auf der anderen Seite der Tür stand. Es war Tante Henriette, unsere Nachbarin von gegenüber. Dann erinnerte ich mich. Sie sollte sich in unserer Abwesenheit um das Haus kümmern. Blumen gießen, Mülltonnen rausschieben und so weiter. Missgelaunt schloss ich die Tür. Tante Henriette war schwerhörig und redete deshalb sehr laut. Warum eigentlich? Weil sie ihre gesprochenen Worte selbst nicht hören konnte? Nun, keine Ahnung, ist auch egal. Ich hatte andere Sorgen. Meine Probleme häuften sich, damit auch meine Laune, die ohnehin schon auf dem Tiefpunkt war. Was sollte ich anziehen? Meine besten Klamotten waren bereits im Reisekoffer verstaut, stellte ich missgünstig fest, als ich vor dem geöffneten Kleiderschrank stand. Einen Slip, weiße Sneaker-Socken und ein passender BH in Körbchengröße C waren schnell zu finden. Ich betrachtete die restliche Auswahl meiner Kleidungsstücke, die sorgfältig im Kleiderschrank lagen. Nach einem kurzen Hin und Her, fiel die Wahl auf eine kurze schwarze Radlerhose. Dazu ein gelbes Trägertop mit Rundhalsausschnitt. So, fertig. Nur noch flott die Haare kämmen, zu einem Pferdeschwanz zusammenbinden und dann kann es losgehen. Die Freude stand mir ins Gesicht geschrieben, so, als gäbe es sieben Tage Regen. Nur langsam stieg ich die Treppe hinunter. Als ich unten ankam, war Dad bereits damit beschäftigt das Auto mit unserem Reisegepäck zu beladen.

      »Da ist sie ja.«

      »Hallo Tante Henriette«, sagte ich und die Umarmung war herzlich.

      »Na, bist du schon aufgeregt?«

      »Ein wenig, Tante Henriette, ein wenig«, antwortete ich laut. Mein Lächeln war nur aus reiner Höflichkeit.

      »Baby, kannst du deinem Vater zur Hand gehen und die restlichen Sachen zum Auto tragen?« Und das war von meiner Mutter keine Bitte, sondern ein Befehl.

      Ich gehorchte und befolgte die Anordnung meiner »bösen Stiefmutter«. Nein, natürlich war sie keine böse Stiefmutter. Mom konnte auch ganz nett sein. Leider nur manchmal. Wenn sie doch nur halb so viel nerven würde. Sie war immer so hektisch und alles musste sofort gemacht werden. Alles tanzte nach ihrer Pfeife. Also erledigte ich das, was sie mir befohlen hatte. Ich half Dad und trug zwei kleine Reisetaschen und eine Waschtasche zum Auto.

      »So, Henriette, das Blumen gießen nicht vergessen und denke auch an die Blumen im Gästehaus. Die Mülltonnen bitte Donnerstagabend vor die Tür stellen. Ab und zu mal lüften.«

      Ich schnappte mir die letzte Tasche, brachte sie Dad und setzte mich ins Auto. Dabei ließ ich die Tür auf, um nicht wie in einem Backofen gegart zu werden. Die aufgehende Sonne heizte den Innenraum unseres Autos langsam, aber stetig auf. Mom redete sich wieder in Rage. Sie unterhielt sich mit Tante Henriette so lautstark, dass sämtliche Nachbarn und wir nicht umhinkamen, Notiz von Ihnen zu nehmen und dass wir verreisen wollten. Und wie ich Mum kenne, sollten es auch alle mitbekommen. Mom liebte es, wenn sie im Mittelpunkt stand, im Gegensatz zu Dad, der an und für sich ein sehr ruhiger Zeitgenosse war. Und wie immer sollte ich Recht behalten. Die ersten Nachbarn traten schon vor die Tür, natürlich rein zufällig.

      »Ach, ihr wollt verreisen?«, rief unsere Nachbarin. Sie stand am Gartenzaun und starrte neugierig zu uns rüber.

      Unser Haus stand in einer gutbürgerlichen Wohnsiedlung. Alle Häuser hatten den gleichen Baustil. Keller, Erdgeschoss mit ausgebautem Dachgeschoss. Unter dem Dach hatte ich mein Zimmer mit angrenzenden WC. Es gab einen kleinen Garten vor dem und einen etwas Größeren hinter dem Haus.

      »Ja, nach Italien. Italien ist so schön!«, rief Mom mit weit aufgerissenen Armen und schmiss sich in Pose. Jetzt waren alle anderen auch wach.

      »Mom!«, ermahnte ich sie aus dem Auto heraus. Konnte sie nicht einfach die Klappe halten oder nur ein wenig leiser reden?

      »Für zehn Tage.« Mom wurde immer lauter.

      Was nicht stimmte. Sie übertrieb und rundete großzügig auf. Es waren nur acht Tage. Zum Glück.

      Jetzt hatte sie das erreicht, was sie erreichen wollte. Alle Nachbarn im Umkreis von einem Kilometer wussten jetzt, dass wir nach Italien fahren. Für genau zehn Tage. Wie peinlich!

      »Eure Tochter kommt auch mit?«, erkundigte sich unsere neugierige Nachbarin. Sie wollte Mom nun bestimmt ausfragen.

      »Natürlich, meine Liebe. Es wird wie immer ein traumhafter Familienurlaub«, sagte Mom zunächst theatralisch, um dann so leise zu zischen, so dass nur ich