Ellen Liever

Paare im Bett


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       Ellen Liever

       Paare im Bett

       „Ist zu viel Sex nicht gut für die Ehe?“

      © 2017 Ellen Liever

      Alle Rechte vorbehalten.

      ISBN: 978-3-7418-9044-4

      www.ellenliever.de

       Ein Anruf

      „Sprechen wir mit Stephanie?“ Ich hörte zwei Stimmen, die gleichzeitig ins Telefon sprachen. Sie hatten es wohl auf laut gestellt.

      „Hier sind Karsten und Beate“, hörte ich beide im Chor sagen, als ich aus meinem Bürofenster schaute. Es war noch früh und ich freute mich über die Morgensonne, rätselte, was mir wohl der erste Sommertag bringen würde.

      „Sprechen wir mit Stephanie?“ Beide wiederholten gleichzeitig ihre Frage. Ich hatte ihnen nicht geantwortet, denn es lag so viel Energie und Neugierde in ihrer Frage, dass ich mich erst mal auf meinen Sessel im Arbeitszimmer setzte. Beide klangen fröhlich und sehr locker, als ob sie gleich anfangen würden, über ihr Leben zu erzählen.

      „Ja“, antworte ich ihn, denn es war mein Job, Leuten zuzuhören, wenn sie über sich reden wollten.

      „Sie bieten ja Therapie an, oder?“ Die werden ja schnell konkret, dachte ich, und gleichzeitig bemerkte ich ihre Unsicherheit. Ich konnte mich an keinen Karsten und keine Beate erinnern. Es waren wohl neue Klienten. Ungeduldig. Denn ich hörte, wie sie sich während der kurzen Gesprächspause leise am Telefon unterhielten. Sie waren wohl unsicher, ob sie alles richtiggemacht hatten. Ich verstand nichts, aber sie schienen, etwas untereinander zu klären. Beide waren mir fremd bis dahin total fremd, ich hatte von ihnen vorher noch nie etwas gehört. Und wollte sie erst mal kennenlernen, so stellte ich mich vor.

      „Ja, mein Name ist Stephanie und ich bin Sexual-Paartherapeutin.“

      „Das wissen wir, deshalb rufen wir an.“ Sie schienen, die Frage, die ich ihnen gerade beantwortet hatte, vergessen zu haben.

      Meistens bekomme ich erst Anrufe von einzelnen Partnern und dann ist es immer eine der ersten Fragen, die ich mit dem Anrufer im Telefonat klären muss, wie der andere in die Gesprächssituation zu kriegen ist. Häufig ist gerade diese Frage die schwerste Frage, da sie schon so viel über das Paar verrät und über ihre Sexualität.

      Aus meiner langjährigen Erfahrung weiß ich, dass es ein typisches Verhaltensmuster ist, dass viele keinen Mut haben, darüber zu sprechen. Sie sagen mir, dass der Partner die Wünsche des anderen bisher ignoriert hat, und sie meinen, dass er sie auch weiterhin ignorieren wird. Der Ausgangspunkt ist, dass der Anrufer über Sex beziehungsweise über das gemeinsame Sexleben mit seinem Partner sprechen will. Wenn dieser Punkt geklärt ist, dann geht es weiter, aber die Türen sind dann erst einmal geöffnet.

      Eigentlich ist es ganz egal, mit wem ich den Erstkontakt habe, das hat mir meine bisherige Erfahrung gezeigt. Es macht keinen Unterschied, ob ich zuerst mit einer Frau oder einem Mann spreche. Der Anrufer hat Enttäuschungen erlebt, weil die Erwartungen sich unterscheiden, und oft ist er hoffnungslos, wobei der andere Partner immer skeptisch ist. Das ist der Grund, warum ich dann eingeschaltet werde. Diese Erfahrung habe ich über die Jahre gemacht. Aus diesem Grund versuche ich, die Situation des Anrufers genau zu verstehen.

      Wenn es einen Unterschied zwischen Männer und Frauen gibt, dann unterscheiden sie sich darin, wie sie sich mit dem Wunsch des Partners nach einem Gespräch über Sex auseinandersetzen.

      Obwohl für den Partner immer die eine Grundsatzfrage im Raum schwebt, wenn wir uns zum ersten Mal treffen: Warum muss diese Sexual-Paartherapeutin dabei sein? Diese Frage ist unausgesprochen, sobald sie angesprochen wird, beginnt meine Arbeit. Beiden als Paar und als Einzelnen bei ihrer Sexualität zu helfen.

      Wenn ich zuerst mit dem Mann gesprochen habe, sind die ersten Reaktionen der Frau auf diese unausgesprochene Frage: Will er mit mir ins Bett? Bin ich nicht mehr gut genug? Hatte er mit einer anderen etwas? Es ist normal, das muss ich mir immer wieder sagen. Sie hat das so gelernt, diese Frage wurde ihr so anerzogen. Der Vorteil ist, ich kenne ihre Gefühle, denn ich würde genauso reagieren.

      Wenn ich zuerst mit der Frau gesprochen habe, sind viele Männer erst mal still. Ich muss dann das Gespräch mit dem Mann suchen. Die meisten Männer schweigen. Lange hat es gedauert, bis ich verstanden habe, was in ihren Köpfen vorgeht: Mit wem hat sie darüber schon gesprochen? Erst mit ihren Freundinnen und jetzt mit dieser fremden Therapeutin? Wer weiß noch davon? Männer haben eher Angst vor dem Bekanntwerden des Themas als vor dem Problem selber.

      Beide Arten von Reaktionen sind Abweisungen. Beide darf jeweils der andere Partner nicht persönlich nehmen. Ich sage dann immer, dass keine der noch so unterschiedlichen Reaktionen besser oder schlechter sei. Und häufig sage ich es auch mir, damit ich es nicht vergesse, denn zu schnell helfen zu wollen, ist ein Fehler von mir, womit man am Anfang alles kaputtmachen kann. Das weiß ich ganz gut, weil es gedauert hat, bis ich das gelernt habe. Denn das Spannende an meiner Arbeit beginnt erst dann, wenn ich beide kennengelernt habe.

      Aus diesem Grund versuche ich von Anfang an, beiden klarzumachen, dass diese Befürchtungen und Skepsis dazugehören. Keiner weicht gerne vom Gewohnten ab. Doch irgendwann reicht das Gewohnte nicht mehr aus. Und es ist ein gutes Zeichen, wenn Paare über Veränderungen reden. Die Schwierigkeit ist nur, dass beide nicht immer gleichzeitig den Wunsch verspüren, darüber zu reden. Für einen ist es gerade schön, so wie es ist, und der andere sehnt sich nach Abwechslung. Das ist bei allen so, egal bei welchem Thema, also auch beim Thema Sex. Eigentlich müsste ich sagen, gerade beim Sex, denn es ist der intimste Teil einer Beziehung.

      Karsten und Beate waren da ganz anders. Sie riefen mich gemeinsam an, sprachen gleichzeitig. Ihre Stimmen klangen voller Tatendrang und beide hatten ein großes Mitteilungsbedürfnis. Nicht, dass sie besonders laut waren. Sie plapperten eher. Es klang, als ob sie zusammen ein Duett singen würden und das immer gleichzeitig. Ihre Harmonien sangen sie in ihrer jeweiligen Tonlage perfekt, nur ich verstand kein Wort. Zudem kam ich nicht zu Wort, hörte ihnen einfach nur zu, obwohl ich nicht schlau aus ihnen wurde. Ich fragte mich, ob ich es überhaupt verstehen wollte oder gar musste. Meine Fälle beginnen ja sonst immer anders. Ich stand auf und ging durch mein Büro, weil ich selber diese Unruhe verspürte, die sie auf mich übertrugen. Das ist kein gutes Zeichen für eine Paartherapeutin, denn sie soll die Paare ja zusammenbringen und ihnen weiterhelfen. Diese beiden schienen aber nicht wirklich einen Streit zu haben, mir zwar total unverständlich, welches sexuelles Problem sie hatten.

      „Und Sie machen nur Paare?“, hörte ich sie auf einmal gemeinsam fragen. Diese ihrer Fragen ließ sie beide verstummen.

      „Ich habe mich spezialisiert auf Paare, die in ihrer Beziehung über Sex reden wollen“, setzte ich an, um ihnen meinen Ansatz zu erklären. „Ich halte es für ein wichtiges Thema. Nein – ich muss konkreter werden – für das wichtigste Thema einer Partnerschaft. Wissen sie: Sex ist immer Thema in einer Partnerschaft.“ Ich machte eine kurze Pause, um zu hören, wie sie reagierten. Nun schienen beide synchron auf stumm gestellt zu sein. Ich stand am Fenster und schaute in die Ferne, als ich fortfuhr.

      „Zum Gelingen der Partnerschaft ist es wichtig, dass man darüber redet. Es geht nicht darum, dass Paare Sex miteinander haben, sondern dass sie sich über ihre Sexualität in der Partnerschaft bewusstwerden. Das geht nur, wenn man darüber redet.“

      „Das wollen wir!“, gaben beide zeitgleich von sich.

      „Es reicht schon aus, dass einer den Wunsch nach Veränderungen spürt. Allein dieser Wunsch verändert die Beziehung schon und muss gemeinsam besprochen werden“, sagte ich und als ich mich hörte, verstand ich, dass beide sich die Veränderung sehnlichst wünschten.

      „So ist es normalerweise“, fügte ich hinzu. Ich sagte es eigentlich zu mir, da ich überrascht war, dass Karsten und Beate immer noch so harmonisch auf mich wirkten, obwohl sie den Kontakt zu mir als Paartherapeutin gesucht haben.

      „Sexualität ist kein Problem in unserer Partnerschaft“,