daß sogar die Hölle sich vor ihnen verschließt, geschweige denn der Himmel. So hoffe ich denn, mein Wort werde jenes grausame, aber barmherzige Messer sein, womit der Arzt ein krankes Glied abschneidet, damit die anderen gesund bleiben.
Der erste Tag
Wie Nanna in Rom unter einem Feigenbaum der Antonia von dem Leben der Nonnen erzählte
Antonia: Was hast du denn, Nanna? Du machst ja ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter! Paßt sich das für eine, die die Welt regiert?
Nanna: Die Welt? Ach herrje!
Antonia: Gewiß: die Welt! Ja, wenn ich Trübsal blasen wollte! Bei mir beißt ja gar niemand mehr an – als die Franzosen (denn die hab ich, leider!); ich bin ›arm, aber stolz‹, und wenn ich von mir sage, daß ich schleckerhaft bin, so begeh ich damit keine Sünde wider den Heiligen Geist.
Nanna: Meine gute Antonia: Jeder Mensch hat seine Trübsal, und Trübsal ist gar manches, wovon du denkst, es sei eitel Lust, und manche Trübsal gibt's, wovon du dir nicht träumen läßt – und glaube mir, glaube mir: unsere Erde ist nur ein Jammertal.
Antonia: Ja, ein Jammertal für mich, aber nicht für dich, die alle Tage Fettlebe macht. Auf Plätzen und Straßen, in allen Kneipen und allüberall hört man ja nur Nanna hier und Nanna da; dein Haus ist immer voll wie 'n Ei, und ganz Rom tanzt um dich herum den Mohrentanz, den wir im Jubeljahr von den Ungarn sehen.
Nanna: Ja, freilich, freilich! Aber trotzdem bin ich nicht zufrieden. Weißt du, ich komme mir vor wie 'ne junge Frau, die mit einem Riesenhunger am vollbesetzten Tische sitzt und aus einem gewissen Schamgefühl nicht zu essen wagt, obwohl sie weiß, daß Küche und Keller voll sind. Und gewiß, gewiß, Gevatterin: 's ist nicht alles so, wie's sein sollte – und damit holla!
Antonia: Du seufzest?
Nanna: Ach du lieber Gott, ja!
Antonia: Das solltest du lieber nicht: Nimm dich in acht, daß der liebe Gott dir nicht was schickt, worüber du Ursache hättest zu seufzen!
Nanna: Aber das ist doch ganz natürlich, daß ich seufze! Denk dir bloß: Meine Pippa wird doch nun sechzehn und muß doch was werden. Und da sagt mir nun der eine: »Laß sie Nonne werden; da sparst du Dreiviertel an der Mitgift, und obendrein kriegt der Kalender 'ne neue Heilige.« Der andre sagt: »Verheirate sie doch; du bist ja so reich – was kommt's denn dir darauf an, ob du ein bißchen abgibst?« Der dritte redet mir zu, ich solle sie lieber gleich Kurtisane werden lassen, »denn«, sagt er, »wenn 's Glück gut ist, so wird sie als Kurtisane sofort 'ne Dame, und mit dem, was du hast und was sie sich im Handumdrehen dazuverdienen wird, kann sie 'ne Königin werden.« Kurz und gut, ich bin außer mir! Du siehst, auch Nanna hat ihre Sorgen.
Antonia: Solche Sorgen können doch für eine Frau, wie du bist, bloß ein angenehmer Kitzel sein! Das ist gerade, wie wenn einer, der 'n bißchen Krätze hat, abends nach Hause kommt, sich die Strümpfe auszieht und sich dabei schon auf den Genuß des Kratzens freut. Sorgen nenn ich, wenn man mit ansehen muß, wie die Brotpreise fortwährend steigen, 'ne Qual ist's, wenn der Wein immer teurer wird, das Herz blutet einem, wenn man die Miete bezahlt, und es dreht sich einem im Leibe um, wenn man zwei- oder dreimal im Jahre Holz kaufen muß. Beulen und Schwären wird man nicht mehr los, und die Trübsal hört gar nimmer auf. Ich wundere mich, daß du dir wegen so 'ner Lappalie überhaupt Gedanken machst!
Nanna: Warum wundert dich denn das?
Antonia: Na, du bist doch in Rom geboren und aufgewachsen; du müßtest ja mit verbundenen Augen zum rechten Entschluß kommen, was du die Pippa willst werden lassen! ... Sag mal, bist du nicht Nonne gewesen?
Nanna: Ja.
Antonia: Hast du nicht 'nen Mann gehabt?
Nanna: Den hatt ich.
Antonia: Und warst du nicht Kurtisane?
Nanna: Ja, das war ich.
Antonia: Na! Hast du denn nicht soviel Verstand, aus diesen dreien das Beste herauszufinden?
Nanna: Jesus Maria, nein!
Antonia: Warum denn nicht?
Nanna: Weil's die Nonnen, die Ehefrauen und die Freudenmädchen heutzutage nicht mehr so gut haben wie früher.
Antonia: Hahaha! Das Leben geht immer nach der alten Leier! Von jeher haben die Leute gegessen und getrunken, immer haben sie geschlafen und die Nächte durchschwärmt, mit Gehen und Stehen war's immer dasselbe, und immer werden die Weiber durch ihre Ritze pischen. Weißt du, es wäre doch gar zu nett, wenn du mir erzähltest, wie zu deiner Zeit die Nonnen, die verheirateten Frauen und die Freudenmädchen es hatten, und ich schwöre dir bei den sieben Kirchen, die ich nächste Fastenzeit abklappern werde: Wenn du mir alles erzählt hast, so will ich dir in vier Worten sagen, was du deine Tochter sollst werden lassen ... du bist ja doch in deinem Fach eine Ausgelernte – nun sage mir, warum du nichts davon wissen willst, daß deine Tochter Nonne wird?
Nanna: Ich weiß wohl, warum!
Antonia: Na bitte, dann sag's mir doch! Sieh mal, heut ist ja Magdalenentag, der Tag unserer heiligen Schutzpatronin, da wird ja doch nicht gearbeitet, und selbst wenn ich eigentlich arbeiten sollte – ich habe Brot und Wein und Pökelfleisch für drei Tage!
Nanna: Wirklich?
Antonia: Ganz gewiß!
Nanna: Na, dann will ich dir heute vom Leben der Nonnen erzählen, morgen von dem der Ehefrauen und übermorgen von dem der Freudenmädchen. Bitte, setz dich hier neben mich und mach dir's recht bequem.
Antonia: So, da sitz ich ausgezeichnet; nun los!
Nanna: Die Pest möchte ich dem Monsignor – ich will seinen Namen nicht nennen – an den Hals wünschen, weil er mich auf den unglückseligen Gedanken brachte ...
Antonia: Rege dich nur nicht auf!
Nanna: Meine liebe Antonia: Wenn man sich zu entscheiden hat, ob man seine Tochter Nonne oder Freudenmädchen werden lassen oder ob man sie verheiraten soll, da steht man gleichsam vor einem Kreuzweg. Man überlegt sich 'ne gute Zeit, ob man den einen oder lieber den anderen einschlagen soll, und da kommt's denn manchmal vor, daß einen der Teufel gerade auf die verkehrte Straße bringt. So machte es der Böse auch mit meinem Vater selig, als dieser mich eines Tages zur Nonne bestimmte – sehr gegen den Willen meiner Mutter, heiligen Angedenkens, die du vielleicht noch gekannt hast. Oh, das war 'ne Frau!
Antonia: Ja, ich habe eine dunkle Ahnung, daß ich sie mal gesehen habe; jedenfalls kenne ich sie vom Hörensagen, und ich weiß, daß sie hinter den Bänken1 Mirakel wirkte, und habe gehört, daß dein Vater, ein wackerer Sbirre des Bargello, sie aus Liebe geheiratet hatte.
Nanna: Oh, erinnere mich nicht an das gebrannte Herzeleid jenes Tages, da Rom nicht mehr Rom war und das erlesene Paar mich als Waise zurückließ! ... Doch zur Sache: Also, es war an einem ersten Mai, da brachten mich Mona Marietta – das war der Name meiner Mutter, aber gewöhnlich nannte man sie ›die schöne Tina‹ – und Meister Barbieraccio, mein Vater, mit der ganzen Sippschaft, Onkeln und Tanten, Großvätern und Großmüttern, Basen und Vettern und Neffen und Brüdern und mit 'ner ganzen Schar von Freunden und Bekannten, nach der Kirche des Klosters. Ich war ganz und gar in Seide gekleidet, die von Ambra duftete, und trug ein goldenes Käppchen, darauf lag der Jungfernkranz aus Rosen und Veilchen, und meine Handschuhe waren parfümiert und die Pantoffeln von Samt, und die Perlen, die ich am Halse trug, und die Kleider, die ich auf dem Leibe hatte, die waren, wenn ich mich recht erinnere, von der Pagnina, die neulich ins Magdalenenstift eintrat.
Antonia: Anderswoher konnten sie gewiß nicht sein!
Nanna: Also fein geschmückt, sauber und wie aus dem Ei gepellt, betrat ich die Kirche. Da waren Tausende und aber Tausende von Menschen, die drehten sich alle nach mir um, sobald ich erschien, und die einen sagten: »Ach, da bekommt aber der liebe Herrgott 'ne schöne Braut!« Und andere: »Schade, daß so 'n hübsches Mädchen Nonne wird!« Und einige machten das Kreuz über mir, andere sahen mich an, wie wenn sie mich