Ханс Фаллада

Hans Fallada: Der Trinker – Band 186e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski


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dir immerhin schon klar, dass nach dem Gesetz alles mir gehört, da du nichts mit in die Ehe eingebracht hast: Haus und Einrichtung und Firma, alles mein!“

      Ich lachte, als ich ihre zornige Protestbewegung sah.

      „Ja, erkundige dich erst einmal bei einem Anwalt, dann wirst du dir die Scheidung noch gewaltig überlegen. Und nun“, sagte ich und nahm meinen Hut vom Riegel, „überlasse ich dir erst einmal leihweise meine Firma. Sei recht fleißig, liebe Magda, und löse recht viele vorteilhafte Abschlüsse auf ... na, was denn? Willst jetzt du mir einen Scheidungsgrund geben?!“

      Mein Spott hatte sie ganz rasend gemacht. Sie hatte das Nächste, was ihr zur Hand war, einen Tintenlöscher, ergriffen und nach mir geschleudert. Ich hatte gerade noch ausweichen können. Sie sah mich schneeweiß und wutzitternd an. Ich hielt es für besser, sie jetzt nicht weiter zu reizen, stellte den Löscher auf seinen Platz zurück und verließ Kontor und Firma.

      * * *

      Kapitel elf

       Kapitel elf

      Ich war auch fest entschlossen, so bald nicht wieder dorthin zurückzukehren. Mochte sie ruhig eine Weile dort allein weiterwursteln, ich machte ihnen ja doch nichts zu Dank. Der ganze Kram langweilte mich schon lange, jetzt hatte ich eine bessere und interessantere Aufgabe gefunden, die meiner augenblicklichen Stimmung viel mehr entsprach: mein Kampf gegen Magda! Sie sollte sich nur an mir versuchen, es würde mir direkt Spaß machen, ihr zu beweisen, wie viel klüger und gesetzeskundiger ich war als sie!

      Ich war wieder auf der Wanderung, meine Aktentasche unterm Arm, durch einen schönen, aber schon recht heißen Tag am Ausgang des Frühlings. Die Königin des Alkohols – ich hatte sie viel zu lange vergessen. Langweilig war die jedenfalls nicht. Außerdem musste ich mir endlich meine Schuhe wiederholen, niemand sollte mir nachsagen können, dass ich in der Trunkenheit meine Kleidung durch halb Europa verstreute. Niemand, nicht einmal Magda. Es war ja so ziemlich klar, was diese tüchtige Dame, mit der ich bisher verheiratet gewesen war, beabsichtigte. Scheidung, nun schön, aber Scheidung ging nicht so schnell; vor einer Scheidung mussten auch erst einige Vorbereitungen getroffen werden, z. B. eine Untersuchung durch den Arzt. Magda stand sich sehr gut mit Doktor Mansfeld, schon seit vielen Jahren. Er hatte sie immer behandelt, wenn sie krank gewesen war, ich kannte ihn weniger, mir hatte eigentlich noch nie etwas gefehlt. Sie würde ihn schon zu ihrer Auffassung überreden, und dann sollte vermutlich so etwas kommen wie Entmündigung und Unterbringung in einer Trinkerheilstätte. Das würde ihr so passen, der guten Magda: der Mann sitzt in einer Anstalt, natürlich möglichst dritter Klasse, und sie wirtschaftet in und mit seinem Eigentum, leitet die Firma. Aber es gab andere Ärzte, berühmtere und tüchtigere als der gute alte Doktor Mansfeld, der schließlich und endlich nur ein einfacher praktischer Arzt war; gleich in den nächsten Tagen schon würde ich zu einem oder mehreren von ihnen gehen und mir Atteste über meine völlige Gesundheit geben lassen. Mit einem solchen Ziel vor Augen würde es leicht sein, ein oder zwei Tage vor dem Arztbesuch überhaupt nichts zu trinken. Sie würde schon sehen, mit wem sie da angefangen hatte, die gute Magda; trotz fünfzehn Jahre Ehe kannte sie ihren Mann noch lange nicht! Jedenfalls: Ehe ich ihr mein Eigentum überließ, steckte ich ihr lieber die Villa über dem Kopf an, das war klar.

       So etwa gingen meine Meditationen während meines Weges in jenen Dorfgasthof, und das Ausmalen bis in alle Details hinein kürzte mir die Zeit auf das Angenehmste. Ich konnte z. B. lange dabei verweilen, wie ich in irgendeiner Zelle der Trinkerheilanstalt mit eiskaltem Wasser geängstigt und mit schlechtem Essen gefüttert wurde, während Magda in unserem hübschen Speisezimmer ein Kalbskotelett mit Stangenspargel aß. Dann kamen mir fast die Tränen der Rührung über mein schlimmes Los und Magdas Ungerechtigkeit in die Augen. Zwischendurch verfütterte ich, da ich wie meist in der letzten Zeit nicht den geringsten Hunger verspürte, mein Frühstücksbrot an dörfliche Enten und Gänse, tauchte auch von Zeit zu Zeit hinter einer Hecke vor aller Sicht unter und nahm einen Schluck.

      Ich verlor nie ganz ein leises Gefühl der Beschämung darüber, dass ich, Erwin Sommer, mich hinter einer Hecke versteckte, einen Flaschenhals an den Mund setzte und Schnaps in mich hineinlaufen ließ wie der letzte Walzenbruder.

Grafik 31

      Es wurde mir nicht selbstverständlich, dagegen stumpfte ich nicht völlig ab. Doch es musste nun einmal sein, es ging eben nicht anders.

      Kurz vor meinem Ziel war ich mit meiner Flasche alle, ich warf sie in den Straßengraben und machte mich an die letzten fünf Minuten Weg. Vom Kirchturm des Dorfes läutete es gerade zur Mittagsstunde; vor mir, an mir vorbei, mir nach zogen die Dörfler, die vom Felde kamen, Hacken und Spaten auf der Schulter. Manche grüßten mich, andere sahen mich nur musternd von der Seite an, wieder andere schließlich stießen sich an, verzogen die Gesichter und lachten, während sie an mir vorbeigingen. Es mochte ja nur die übliche dörfliche kritische Einstellung dem stadtfein angezogenen Fremden gegenüber sein, ich hatte aber doch den Argwohn, dass mir vielleicht etwas von meinem Alkoholgenuss anzumerken oder etwas an meiner Kleidung nicht in Ordnung sei. Ich hatte es schon erfahren, dass eine der schlimmsten Gaben, die der Alkohol mit sich bringt, dieses Unsicherheitsgefühl ist, ob irgendetwas an einem nicht ganz stimmt. Man kann sich noch so oft im Spiegel mustern, die Kleidung ablesen, jeden Knopf nachprüfen – nie, wenn man etwas getrunken hat, ist man ganz sicher, dass man nicht doch etwas übersehen hat, etwas ganz offen zutage Liegendes, das man aber doch trotz gespanntester Aufmerksamkeit immer wieder übersieht. Im Traum hat man ganz ähnliche Gefühle, bewegt sich heiter in der gewähltesten Gesellschaft und entdeckt plötzlich, dass man vergessen hat, seine Hosen anzuziehen. Also: Dieses Angestarrtwerden wurde mir lästig, zudem fiel mir ein, dass gerade die lebhafte Mittagsstunde nicht die richtige Zeit sein würde, meine Hübsche aufzusuchen; ich schlug einen seitab führenden Feldweg ein und warf mich unter einem schattenden Gebüsch ins Gras. Sofort verfiel ich in Schlaf, in jenen tiefschwarzen Schlaf, den der Alkohol bringt, wobei man gewissermaßen ausgelöscht ist, einen befristeten Tod stirbt. Keine Träume gibt es da mehr, keine Ahnung von Licht und Leben – fort ins Nichts! Das ist es. –

       Als ich wieder erwachte, stand die Sonne schon tief, ich musste vier, vielleicht sogar fünf Stunden geschlafen haben. Wie immer in dieser Zeit hatte mich der Schlaf gar nicht erfrischt, ich erwachte alt und müde, ein zittriges Gefühl in den Gliedern. Meine Knochen waren steif, als ich mich aufrichtete; und mit dem Gehen kam ich nur schwer zurecht. Ich wusste aber jetzt schon, dass das alles mit den ersten Schnäpsen, die ich zu mir nahm, sich rasch geben würde, und beeilte mich darum, in den Gasthof zu kommen.

      Ich hatte die Stunde gut gewählt: wieder einmal war die Schankstube leer, auch hinter der Theke stand niemand. Steif ließ ich mich in einen Korbsessel fallen und hallote durstig nach der Bedienung. Erst steckte sich ein Mädchenkopf durch die Türspalte, es war aber nicht meine blasse Hübsche, sondern ein zottliges, rotnasiges Wesen älterer Machart, dann sah eine dicke Frau zu mir hin, rief: „Gleich! Gleich!“ und öffnete die Treppentür, die ich in jener Nacht, blind an der Hand geführt, hinaufgestiegen war.

      „Elinor! Elinor! Komm runter!“ rief die Wirtin, versicherte mir noch einmal, dass ich gleich bedient werden würde, und verschwand wieder in der Küche. Also Elinor hieß sie, da hatte ich mit Elsabe nicht ganz schlecht geraten. Aber Elinor war auch sehr gut, war eigentlich noch besser. Elinor passte zu ihr, Elinor, la reine d'alcool, wirklich sehr hübsch!

      Und da hörte ich sie auch schon die Treppe herunterkommen; gar nicht rehfüßig übrigens; die Tür klappte, und sie trat ein. Sie hatte sichtlich geschlafen, das Haar war nicht so glatt und ordentlich aufgesteckt wie sonst, und ihr helles Kleid hatte etwas Zerdrücktes, Unordentliches. Sie stand da einen Augenblick und sah zu mir herüber. Sie erkannte mich nicht gleich, sie musste gegen die Sonne blicken. Dann rief sie ganz vergnügt: „Ach, das ist ja nur das Väterchen, das so gerne Schnaps trinkt!“ rief's und lief schon wieder die Treppe hinauf. Ich nahm ihr die neuerlichen, für meinen Durst eigentlich schmerzlichen Worte gar nicht übel. War ich doch nur froh über diesen unbefangenen Empfang. Ein bisschen hatte ich mich doch gefragt, wie sie mich nach meinem Abgang über das Schuppendach in jener Nacht