Walter Brendel

Die Macht der Geimbünde


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eine Wertvorstellung als allein wahr, allgemeingültig, verbindlich und oft sogar als für alle Zeit gültig erklärt wird. Die Dogmen oder Paradigmen, auf denen diese Anschauungen beruhen, werden unter Berufung auf göttliche Offenbarung oder besondere Erkenntnisse als fürwahr gehaltene Theorien oder naturrechtliche Legitimation formuliert, so dass eine Kritik daran automatisch auch eine Missachtung der Autorität darstellt und so eine Selbstimmunisierung gegen jede Kritik entsteht. Die systematische Lehre der Dogmen wird Dogmatik genannt.

      In Antike und Mittelalter war Dogma ein positiv besetzter Begriff, der für Klarheit und Eindeutigkeit stand. Seit dem Zeitalter der Aufklärung werde Dogmen kritisch als eine auf Autoritäten beruhende Denkweise oder Glaubensüberzeugung abgelehnt. Einer der zentralen Leitgedanken der Aufklärung, der von Immanuel Kant zitierte und so wieder bekannt gewordene Spruch des lateinischen Dichters Horaz, Sapere aude (lateinisch Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!), bildet nachmoderner Auffassung einen unvereinbaren inhaltlichen Gegensatz zum Dogma bzw. zur entsprechenden Lehre, der Dogmatik.

      Dogmen sind für wahr befundene formulierte Auffassungen von der Wirklichkeit eines abgegrenzten Bereichs der menschlichen Erkenntnis. Die Übereinstimmung mit der Wirklichkeit wird vorausgesetzt, ohne dass notwendig eine experimentelle Verifikation zugrunde liegt. Bei der Formulierung eines Dogmas wird eine solche nicht für notwendig oder in vielen Fällen auch nicht für möglich erachtet. Dogmen werden dennoch in einer, jedoch nicht notwendigerweise schlüssigen, Logik begründet und sind damit begrenzt für kritische Reflexionen offen. Die Vertrauenswürdigkeit eines Dogmas und in Folge seine Bedeutung sind davon abhängig, wie unverfälscht und passend es die beabsichtigten Aspekte der Wirklichkeit zum Ausdruck bringt.

      Dogmen können besonders im Falle unkritischer und unreflektierter Formulierung mit einem geschlossenen Weltbild einhergehen. Da das Dogma keines weiteren Beweises bedarf, können abgespaltene Denkwelten entstehen. Der Begriff Dogma wird daher heute auch in den modernen Naturwissenschaften als kritische Bezeichnung zur Charakterisierung eines überkommenen Standpunkts oder einer veralteten Theorie verwendet, die neuere Erkenntnisse ignoriert.

      Extreme Formen dogmatischer Lehren sprechen jeder Kritik die Legitimität ab und rechtfertigen dadurch unter Umständen sogar die Tötung der Kritiker wegen Ketzerei oder Gotteslästerung. Im späten Mittelalter und noch mehr in der Frühen Neuzeit dienten Dogmen der römisch-katholischen Kirche als Legitimation für ihre Inquisitionsgerichte, die von ihren Opfern mittels Folter Geständnisse erpressten und sie oft auf grausame Weise töteten.

      In kommunistischen Regimen wurden analoge Dogmen als sogenannte Doktrin ebenso gewaltvoll durchgesetzt. Widerspruchgegen eine staatliche Doktrin oder eine Parteilinie führte zu massiven Repressionen, bis zu Gefängnis und Hinrichtung. Auch die Verfolgung „unamerkanischer Umtriebe“ in der McCarthy-Ära wurde gelegentlich mit Hexenprozessen verglichen.

      Bis in die Gegenwart ist in streng islamischen Ländern ein Verstoß gegen einige Dogmen der religiösen Dogmenlehre des Islam, die Schari'a, noch heute mit der Todesstrafe (Köpfungen, Steinigungen und andere Formen der Tötung) bedroht. Diese wird oft von informellen Gruppen in Form einer De-facto-Gerichtsbarkeit oder Lynchjustiz ausgeführt.

      Dogmen in den christlichen Kirchen

      Unter Dogmen versteht man im Laufe der Kirchengeschichtedurch die lehramtliche Autorität formulierte Sätze (sowie seitdem II. Vatikanischen Konzil auch Aussagen darstellender Texte), die wichtig sind für die inhaltliche Profilierung ihres Glaubens. Sie „sind Lichter auf dem Glaubensweg. Sie erleuchten und sichern ihn.“ (Katechismus der Katholischen Kirche KKK89).Der Entstehungskontext von Dogmen ist in der Regel eine strittige Situation in Glaubensfragen. Konzilien und Synoden werden einberufen, um die Sachfragen zu klären und ggf. entsprechende Dogmatisierungen vorzunehmen.

      Der Begriff Dogma wird je nach konfessioneller Tradition und theologischer Lehrmeinung unterschiedlich verstanden und verwendet:

      In den orthodoxen Kirchen sind damit vor allem die Lehraussagen der ersten sieben Ökumenischen Konzilien sowie einigerspäterer panorthodoxer Synoden gemeint.

      Die katholische Kirche hat im I. Vatikanischen Konzil definiert, dass ein Dogma ein Satz göttlichen und katholischen Glaubens ist, der durch das allgemeine und ordentliche Lehramt (affirmativ) oder durch konziliare oder päpstliche Definition definitiv als von Gott offenbarte und zu glaubende Wahrheit verkündet wird. Für Martin Luther und andere Reformatoren haben nur Dogmen Gültigkeit, die durch die Heilige Schrift belegt sind und damit unter den Begriff der Doktrin fallen. Dogmen im engeren Sinne formulieren sie nicht.

      Die evangelische Tradition sieht spätestens seit der Aufarbeitung von Anfragen und Kritik seitens der Aufklärung von Formulierungen von Dogmen ab, da in der evangelischen Kirche kein Lehramt existiert, welches für die Gemeinde verbindliche Glaubenssätze formulieren könnte.

      Zwar sei die klare Bezeugung durch die Kirche die notwendige Bedingung für den Glauben – dementsprechend habe die Kirche die Aufgabe, die Möglichkeit der Begegnung mit dem biblischen Zeugnis zu eröffnen. Eine innere Gewissheit im Einzelnen sei jedoch durch die Kirche und ihr Wirken nicht herstellbar, da Gewissheit etwas Unverfügbares sei. Die Einsicht, dass das kirchliche Zeugnis die Wahrheit über Gott, Welt und Mensch mitteile, kommt nach evangelischer Überzeugung durch die Inanspruchnahme dieser öffentlichen Bezeugung durch den Heiligen Geist zustande.

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