steht ein Wagen. Es ist einer von jenen großen Leiterwagen, die gewöhnlich mit schweren Lastgäulen bespannt werden und zum Transport von Schnapsfässern und anderen Waren dienen. Er liebte es, solchen langmähnigen und dickbeinigen Lastgäulen zuzuschauen, wie sie ruhig und sicher ganze Berge schleppen und sich dabei gar nicht abmühen, als spürten sie die schwere Last überhaupt nicht. Aber jetzt ist diesem schweren Wagen ein kleines schwaches hellbraunes Bauernpferd vorgespannt, eines von denen, die, wie er es oft gesehen hatte, mit einem Wagen Heu oder Brennholz stecken bleiben, besonders, wenn der Wagen in Kot gerät; in solchen Fällen pflegen die Bauern das Pferd erbarmungslos zu peitschen, die Peitschenhiebe fallen oft auf die Schnauze und auf die Augen; sooft er eine solche Szene beobachtet hatte, waren ihm Tränen in die Augen getreten, und die Mutter hatte ihn vom Fenster wegführen müssen. In die Menge kommt plötzlich Bewegung: aus der Schenke tritt ein Trupp gänzlich besoffener, riesengroßer, schreiender und singender Bauern, sie tragen rote und blaue Kittel, ihre Filzmäntel sind lose um die Schultern geworfen, und sie halten Balalaikas in der Hand. »Setzt euch alle, alle!« schreit ein junger Bauer mit fleischigem Hals und ziegelrotem Gesicht. »Ich fahre euch alle! Setzt euch nur!« Ringsum erschallt Gelächter, man ruft ihm zu:
»So eine Schindmähre soll uns schleppen?!«
»Bist du verrückt, Mikolka? Ein solches Pferd in diesen Wagen zu spannen!«
»Die Stute ist ja mindestens zwanzig Jahre alt!«
»Setzt euch nur, ich fahre euch alle!« schreit Mikolka, in den Wagen springend und die Zügel ergreifend. »Matwej ist vorhin mit dem braunen Hengst fortgefahren, und diese Mähre da ärgert mich nur, ich möchte sie gerne totschlagen, sie frißt ihr Futter ganz umsonst. Ich sage, setzt euch! Ich werde Galopp fahren! Ja, im Galopp!« Und mit diesen Worten ergreift er die Peitsche und bereitet sich auf den Genuß vor, die Stute zu schlagen.
»Setzt euch nur! Warum denn nicht?« johlt man in der Menge. »Ihr hört doch: er wird im Galopp fahren.«
»Die Braune ist wohl seit zehn Jahren nicht Galopp gelaufen.«
»Wird schon laufen!«
»Kein Erbarmen! Nehmt alle eure Peitschen her!«
»Hallo, haut los!«
Alle besteigen Mikolkas Wagen, man lacht und reißt Witze. Sechs Mann stehen schon auf dem Wagen, es ist aber noch Platz da. Man nimmt auch ein dickes rotbackiges Weib mit. Sie trägt ein grellrotes Kattunkleid, und ihr Kopfputz ist mit Glasperlen bestickt; sie knackt Nüsse und grinst. Auch die Zuschauer lachen: wie sollte man da nicht lachen: diese Schindmähre soll den schweren Wagen ziehen! Zwei Burschen im Wagen ergreifen ihre Peitschen, um Mikolka zu helfen. Das Pferd zieht mit allen Kräften an, es wird aber kein Galopp, es vermag den schweren Wagen selbst im Schritt nicht von der Stelle zu bringen, es keucht, schwankt und duckt sich unter den niederprasselnden Schlägen der drei Peitschen. Die Leute im Wagen und auf der Straße lachen wie toll. Mikolka gerät in Wut und schlägt immer wahnsinniger los, als wollte er wirklich das Pferd in Galopp bringen.
»Brüder, laßt auch mich herauf!« ruft ein Bursche aus der Zuschauermenge, der gleichfalls Appetit bekommen hat.
»Setzt euch nur! Setzt euch alle!« schreit Mikolka. »Sie wird euch alle ziehen. Ich peitsche sie tot!« Und es regnet wieder Peitschenhiebe; in seiner Raserei weiß er nicht mehr, womit er schlagen soll.
»Papa, Papa!« schreit der Knabe. »Papa, was tun die Leute? Papa, sie schlagen das arme Pferdchen!«
»Gehen wir, gehen wir,« sagt der Vater, »die Betrunkenen treiben ihre Possen. Sieh nicht hin!« Er will ihn wegführen, der Knabe reißt sich aber von ihm los und läuft ganz außer sich zum Pferd. Dem armen Tier geht es schon sehr schlecht: es ringt um Atem, bleibt stehen, zieht wieder an und fällt beinahe um.
»Peitscht sie tot!« schreit Mikolka. »Jetzt ist mir alles gleich. Ich schlage sie tot!«
»Bist du denn kein Christenmensch?« ruft ein alter Bauer. »Du Teufel!«
»Hat man es denn schon je gesehen, daß ein solches Pferd eine solche Last schleppen soll?« sagt ein anderer.
»Du wirst es noch umbringen!« schreit ein dritter.
»Ruhig! Es ist mein Gut! Was ich will, das tu ich. Setzt euch noch herauf! Alle! Ich will, daß sie Galopp läuft!«
Plötzlich ertönt schallendes Gelächter: die Stute hält es nicht länger aus und beginnt in ihrer Wehrlosigkeit auszuschlagen. Selbst der alte Bauer lacht mit; es ist in der Tat zu lächerlich: eine solche Schindmähre wagt es noch, auszuschlagen!
Zwei Burschen nehmen je eine Peitsche und laufen zu dem Pferd, um es von den Seiten zu schlagen, der eine rechts, der andere links.
»Schlagt sie auf die Schnauze, auf die Augen!« schreit Mikolka. »Auf die Augen!«
»Singt doch, Brüder!« schreit jemand im Wagen, und sofort ertönt ein ausgelassenes Lied, Schellen rasseln, beim Refrain wird gepfiffen. Das junge Weib knackt Nüsse und grinst.
... Der Knabe läuft neben dem Pferde her, er sieht, wie es auf die Augen, mitten auf die Augen geschlagen wird! Er weint. Sein Herz zuckt zusammen. Tränen laufen ihm aus den Augen. Ein Peitschenhieb trifft sein Gesicht, doch er fühlt ihn nicht; er ringt die Hände, er schreit, er wendet sich zu dem alten Bauer, der den Kopf schüttelt und das Ganze zu verurteilen scheint. Eine Frau nimmt ihn bei der Hand, um ihn wegzuführen, aber er reißt sich los und rennt wieder zu dem Pferd. Dieses ist schon halbtot und schlägt wieder aus.
»Daß dich der Teufel!« schreit Mikolka voller Wut; er wirft die Peitsche weg und holt aus dem Innern des Wagens eine lange dicke Deichselstange, er ergreift sie mit beiden Händen und schwingt sie über der Stute.
»Er bringt sie um!« rufen die Zuschauer.
»Er schlägt sie tot!«
»Es ist mein Gut!« Mikolka läßt die schwere Stange mit aller Wucht auf das Pferd niedersausen. Ein dumpfer Schlag ertönt.
»Peitscht sie, peitscht! Was steht ihr da?« klingt es aus der Menge.
Mikolka holt zu einem neuen Schlage aus, und die Stange saust wieder auf den Rücken der unglücklichen Stute nieder. Sie setzt sich auf die Hinterbeine, erhebt sich wieder und macht den letzten Versuch, den Wagen vorwärts zu ziehen, doch die Hiebe der sechs Peitschen prasseln auf sie von neuem, und die Deichsel saust zum dritten-, dann zum viertenmal nieder. Mikolka ist ganz wild, weil es ihm nicht gelungen ist, die Stute gleich beim ersten Schlag zu töten.
»Die ist zäh!« ertönt es in der Menge.
»Gleich fällt sie um, Brüder, gleich ist sie hin!« sagt ein Kenner.
»Nehmt doch eine Axt! Macht rascher ein Ende!« schlägt ein dritter vor.
»Daß dich die Mücken fressen!« brüllt Mikolka. Dann wirft er die Deichsel fort und nimmt eine schwere eiserne Brechstange. »Vorsicht!« und er läßt das Eisen mit voller Wucht auf seine arme Stute niedersausen. Das Tier taumelt, duckt sich und macht Anstalten, wieder zu ziehen, aber die Brechstange prallt ihr wieder auf den Rücken. Das Pferd stürzt, als hätte man ihm zugleich alle vier Beine entzweigeschlagen.
»Macht ein Ende!« schreit Mikolka und springt wie toll vom Wagen. Einige betrunkene Burschen mit roten Gesichtern ergreifen, was sie gerade finden – Peitschen, Stöcke und eine Deichsel – und eilen zu der verendenden Stute. Mikolka pflanzt sich an der Seite auf und bearbeitet mit seiner Eisenstange den Rücken. Die Stute reckt ihren Kopf, seufzt schwer auf und verendet.
»Nun hat er ihr den Garaus gemacht!« sagt jemand.
»Warum wollte sie auch nicht Galopp laufen!«
»Es ist mein Gut!« schreit Mikolka. Er hat noch immer die Eisenstange in der Hand, seine Augen sind blutunterlaufen. Es scheint ihm leid zu tun, daß er nun nichts zum Schlagen hat.
»Du bist wirklich kein Christenmensch!« tönt es in der Menge.
Der arme Knabe ist