wir Alice Schwarzer aufsuchen und sie informieren, dass das Patriarchat endlich im Untergang begriffen ist!“ Lisa schlang die Hände um ihren Mann, zerzauste seine Haare und küsste ihn lange.
Eine für den Radarschirm unsichtbare Mücke umkreiste schon seit drei Runden den Sonnenschirm, unter dem das Eis in Cocktail- und Fruchtsaftgläsern knackte. Vielleicht wartete sie auch auf den geeigneten Moment, um in einem der Riesenvögel zwischenzulanden und sich in einen anderen Kontinent fliegen zu lassen.
Als Lisa schließlich Maracella, Kat und Lerry in der großen Halle des Flughafens verabschiedete, musste sie sich einiges anhören.
„Ihr seht klasse aus... tolle Kostümierung, sehr unauffällig…“, maulte Lerry. Mit gemischten Gefühlen schielte er auf die beiden Erwachsenen. Sie wirkten wie Privatdetektive im Auftrag für den Scheich von Dubai. Alwin hatte eine Sonnenbrille von Armani auf und trug ein beiges Cordsakko von Lagerfeld, während Lisa in einem Rock von Gucci und in einer Seidenbluse von Channell steckte. Lerry hingegen steckte seine Hände tief in die Hosentaschen. Nur Maracella schien einigermaßen frohen Mutes, obwohl natürlich auch sie gerne mitgeflogen wäre. Ihre Augen strahlten Lisa an.
„Pass auf dich auf, ich verspreche dir, wir werden unser Möglichstes tun... vielleicht auch unser Unmöglichstes!“ Lisa umarmte ihre Jacke fester. Eine kleine Ewigkeit gehörte jetzt nur ihr und Maracella, eine Ewigkeit, die aber nicht länger als der Flügelschlag eines Pfauenauges dauerte.
„Na ja, dann alles Gute!“, murmelte Lerry. Er blickte zu Boden, als prüfe er, ob seine Sandalen sauber wären. Schließlich sah er lange in Lisas Augen.
Die Koffer waren schon eingecheckt, an der Sicherheitskontrolle standen kaum Passagiere. Das Flugpersonal an den Kontrollen war freundlich, es hatte heute schon genug Streitereien mit Fluggästen gehabt. Als Alwin sein Mobiltelefon mit einem Aufkleber zurückbekam, war keine Zeit mehr, sich zu wundern. Der Flug wurde zum dritten Mal aufgerufen, als die beiden Erwachsenen zum Terminal rannten.
Kapitel 4 Eine Gans ist nicht mehr ganz klar
Da Maracella seit achtundreißig Jahren nichts anderes zu tun hatte, als Südseemädchen zu sein, konnte sie schwimmen wie ein Fisch. Sie war schon weit vom Strand entfernt, die Wellen waren nicht hoch, sie legte sich auf den Rücken und ließ sich treiben. Da berührte sie etwas am Bein. Sie atmete tief ein. Da fühlte sie wieder einen Stoß im Rücken, doch auch diesmal ließ sich das Mädchen weitertreiben, als wäre sie ein Stück Holz.
„Tscherill! Ich bin doch kitzelig!“ Barthaare berührten Maracellas Wange. Eine Robbe tauchte dicht neben Maracella auf. Tscherill war Maracellas bester Freund, sie kannte ihn seit achtunddreißig Jahren, als er ihr damals das Leben gerettet hatte.
„Help!“
Wie vom Blitz getroffen sah Maracella um sich.
„Hallo, junge Dame! I’m so tired, nicht erschrecken, wenn ich rede, ich bin eine ganz normale Gans. Nun ja, vielleicht doch nicht ganz normal, habe leider viele ganz normale Menschen auf meiner Reise erschreckt bis jetzt, ja, es tut mir so leid, so leid, Cry Baby Cry, einige werden wohl zum Arzt gehen und erzählen, sie hätten eine Gans sprechen hören, Doctor Robert, ach, es tut mir jaaa so leid, aber es geht um Leben oder Tod! Lady Madonna, ich konnte nämlich nicht mehr zurück ins Buch! Nein! Nein! Don’t Let Me Down“, sprudelte es aus der Gans hervor.
„Hallo!“, sagte Maracella etwas zögerlich. „Du kannst mit mir reden, ich bin ja auch kein normales Mädchen und verstehe dich schon...!“
„Uff, endlich, du bist die erste seit achttausend Kilometer, die mich versteht! Thank you Girl!“
„Tja, eine Hawaiigans bist du nicht, die sieht anders aus und kann nicht fliegen. Aber komm, setzt dich auf meinen Kopf, du bist ja ganz erschöpft, liebe Gans, ich schwimm mit dir zum Ufer! Tschüß Tscherill!“
Endlich watschelte die Gans über den Sand. Lerry lag am Strand und las.
„Hallo, mein Junge, was liest du da? Doch nicht etwa dieses mysteriöse Buch, dem wir alle die Misere zu verdanken haben? It’s Been a Hard Days Night…“
Mit diesen Worten ließ sich die Gans augenblicklich in den Sand fallen.
„Schläft sie noch immer?“
Die Jungs nickten.
„Ist sie vielleicht tot?“
Lerry und Kat schüttelten den Kopf.
„Sagt ihr aber heute viel!“ Mürrisch setzte sich Maracella auf ein mit Gänsefedern gefülltes Sitzkissen. Da saßen sie nun alle drei neben dem unverhofften Gast.
Ein Geräusch ließ sie zusammenzucken. Es war die Gans, die mit geschlossenen Augen den Schnabel aus dem Gefieder zog, ein paar Mal laut schnatterte, um ihn wieder unters Federkleid zu schieben.
„Sie träumt wahrscheinlich!“, meinte Maracella ernst.
Lerry legte seine Karten auf die Bastmatte am Boden. „Poker, Kat, das Spiel ist aus!“
„Mist!“
„I’m Down. Wo bin ich hier gelandet?!“ Plötzlich riss die Gans ihren Kopf hoch und blickte sich um als sähe sie nur Gänseleber.
„Wir haben uns im Meer getroffen, kannst du dich erinnern?“, beruhigte sie Maracella.
„Good Morning Good Morning. Genau! Der erste Mensch, der mich verstand! Ain’t She Sweet. Verzeihung, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Selim, mein Name! Komme eigentlich ursprünglich aus dem Londoner Zoo! Jeah!“ Nach einer etwas umständlichen Begrüßungszeremonie, bei der Lerry, Kat und Maracella ihre Namen dreimal wiederholen mussten, begann die Gans loszuplappern. „Bin ich froh, euch getroffen zu haben. Ja, ja, froh! Here Comes the Sun. Wie viele Menschen habe ich angeschnattert, aber niemand wollte zuhören, nein, nein, keiner interessierte sich für meine Geschichte! Got to Get You Into My Life“
„Schieß los! Du bist also eine englische Gans?“ Lerry strich sich die Haare wieder einmal über der Stirne glatt.
„Ein Gänserich, wenn ich bitten darf! Nun gut, wo waren wir, ach ja, es begann alles damit, dass ein aufgebrachter Spatz in den Zoo geflogen kam und jedes Tier befragte, ob es eine Eule gesehen hätte, eine ganz bestimmte Eule, nämlich. Später im Nichtigen Reich, da hab ich, ja, da hab ich diesen Spatz wiedergesehen, er heißt Posi. Do You Want to Know a Secret? Posi hat mir erzählt, dass er der Grund war, jawohl der Grund, warum ich nun nicht mehr im Londoner Zoo bin! Der Grund war er, dieser Spatz, der eine Eule gesucht hat, eine ganz bestimmte Eule, ach dieser doofe Spatz, Entschuldigung, jedenfalls, ihr müsst wissen, deshalb nun diese ganze Odyssee! Twist and Shout!“
„Im Nichtigen Reich?!“
Alle drei waren aufgesprungen.
„Was weißt du über das Nichtige Reich?“ Kat schnappte sich vorsichtshalber sein Surfbord, das in einer Ecke lehnte, da er sich damit immer am sichersten fühlte.
„Na ja, soviel weiß ich auch nicht darüber, ja darüber, nun soviel nicht, nein, nein…! Happines Is a Warm Gun.“, beschwichtigte Selim seine Zuhörer und schaute unruhig von einem zum anderen.
„Setzt euch bitte wieder hin, ja, hin, zu große Tiere waren mir schon immer unheimlich, sehr unheimlich. Don’t Bother Me! Und wenn sie der Gattung Mensch angehören, dann ganz besonders, sehr besonders, jawohl! We Can Work It Out.“ Die Gans putzte kurz ihr Gefieder, fuhr dann aber doch fort zu erzählen. „Also, ich bin letztes Jahr geboren, ja, ja, aber eigentlich älter als ihr, wisst ihr? Jap, jap! Within You Without You“ Selim entließ eine Deckfeder aus ihrem Schnabel und sah in die Runde.
Alle drei blickten gespannt auf den Vogel.
„Also, in einer für mich und andere geschaffenen Welt lebe ich nämlich im Jahr 1965. Jip, Jip! The roaring sixties, jeah, jeah, jeah! Kenn aber schon alle Beatles Lieder! Ja, Ja, ein Wunder, sozusagen! Das hört sich jetzt kompliziert an, ist es auch, aber das macht nichts! No, no, Strawberry Hills