Caroline Milf

Die Unschuld im Krankenbett (Teil 1)


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züchtet eine neue Sarah, und bringt sie mir ins Zimmer.

      Zu meiner Beerdigung wird man das Haus mit ihnen schmücken, dessen bin ich gewiss.

      Alle haben die törichte Idee, sie bringen mir das Leben, sie bringen mir das Haus. Wie soll ich es nur erklären? In diesem Haus kann ich tun, was immer ich will, während ich hier in meinem Bett liege. Und ich bin auch die einzige, die wirklich etwas will.

      Im Haus herrscht die Atmosphäre meines nächtlichen Schlafes. Wenn ich mich besser fühle, öffnen sich Türen und Fenster; ist meine Nacht ruhelos, verschließt sich das Haus und wird mir zum Grab.

      Ich liege jetzt im großen Gästezimmer. Alles ist sehr edel und teuer eingerichtet – okay, meine Familie ist ziemlich vermögend. Wir stammen aus einer alten deutschen Adelsfamilie und besitzen von mehreren Firmen die Aktienmehrheit.

      Als ich krank wurde, bekam ich ein Zimmer im dritten Stock. Ein schrecklicher Ort. Er entsprach Mutters Vorstellung von einem Kinderzimmer, wie es sich ein Kind erträumt: überall Kattun und französische Puppen. Der Raum, in dem ich jetzt liege, entspricht viel eher meinem Geschmack.

      Ich sagte meiner Mutter, ich wünschte mir nach meinem Tode einen Sarg, ganz mit Gold bedeckt und umsäumt. Sie war so bekümmert darüber, dass ich nicht weiter davon reden konnte, aber ich hatte den festen Willen, es durchzusetzen.

      Natürlich habe ich einen Willen, und ich habe sehr oft meine Meinung geändert.

      Meine Großeltern hinterließen mir, und natürlich auch meinen Eltern, ein Vermögen. Irgendwie schienen sie gewusst zu haben, dass ich einmal hier im Bett liegen würde. Was mit meinem Geld geschieht, interessiert mich nicht.

      Das Haus begann zu schlafen. Das Gesicht meiner Mutter entspannte sich vermutlich in ein mehr religiöses Leiden.

      Mein Vater nahm seinen Schlaftrunk. Ich hörte, wie er das Glas schwer auf den Marmortisch neben seinem Bett niedersetzte.

      Um 22:00 Uhr schliefen der Butler und die Köchin. Das neue Dienstmädchen oben war allein. Wir hatten ein anderes Mädchen, zu dem der Chauffeur meines Vaters. Ich hörte sie immer oben auf der Treppe flüstern, und wenn ich mit gespanntester

      Aufmerksamkeit lauschte, konnte ich das Knarren in ihrem Zimmer hören.

      Ich habe eine besondere Technik des Lauschens. Ich lege mein Ohr auf etwas Festes, und von allen Decken und Wänden kriechen die Geräusche heran. Ich habe viel über solche Dinge gelesen, und ich glaube, sie behandeln mich deshalb wie einen Engel, weil sie wissen, ich werde als Jungfrau sterben.

      „Sie ist eine Nonne", hatte ich meinen Vater sagen hören, mit dem besonderen Stolz des Wüstlings; eine üble Art der Verehrung scheint mir. Erzählte ich das meiner Mutter, sie wäre schockierter als über den goldenen Sarg.

      Sie denken: „Sie weiß nichts darüber, und die Enttäuschung wird ihr erspart bleiben."

      Eines Tages hörte ich Vater und Mutter im angrenzenden Zimmer sprechen. Sie redeten länger als gewöhnlich miteinander, und ich wurde nervös in meinem Bett.

      „Das ist eine gute Idee", hörte ich meinen Vater murmeln, und mein Herz schlug dumpf, als ich seine Stimme hörte, tief und seltsam angenehm. Unverzüglich begann ich zu läuten, dringlich, wieder und wieder, und einen Augenblick später war meine Mutter im Zimmer.

      „Amelie, was ist...", kurzer Atem und flammendes Gesicht.

      Ich sank tief in die Kissen zurück und schloss meine Augen; so entging ihr der Schimmer des Hasses in meinem Blick.

      „Ich habe Schmerzen", wisperte ich.

      „Wo? Wo?" Ganz sicher würde sie vor mir sterben.

      Mit einer kraftlosen Gebärde deutete ich auf mein Herz.

      „Hier schmerzt es", und erschöpft ließ ich den Arm auf die goldene Decke sinken.

      Sie hantierte in meinen Arzneifläschchen herum und fand endlich eine rosa Pille, die sie mir zwischen die Lippen schob.

      „Hier, Liebes", bettelte sie. Dann hielt sie inne und betrachtete aufmerksam mein Gesicht. „Du bist sehr blass." Sie sprach mehr zu sich selbst als zu mir.

      „Ja", fuhr sie fort, „wir werden es tun müssen. Ich hasse die Situation, die dadurch entsteht, und doch ist es die beste Lösung."

      Ich öffnete meine Augen.

      „Was willst du tun?" Mir antun, hatte ich fragen wollen, aber es blieb unausgesprochen, ebenso wie die Frage: Hast du mir denn nicht schon genug angetan?

      „Du wirst eine persönliche Pflegerin bekommen, Amelie. Eine, die Tag und Nacht um dich ist. Es erschreckt mich, dich auch nur eine Minute allein zu lassen. Wir müssen jemanden haben, der immer genau weiß, was im Moment zu tun ist."

      Nein - darauf bestand ich weiterhin, denn über dieses Thema hatten wir schon gesprochen. Ich wollte keine Fremde, die mich ständig auf weißen Schuhen umschwebte. Ich schätzte die halben Stunden, die ich noch allein sein durfte. Ich wusste, mit einer tüchtigen, sterilen Person immer um mich herum würde der selbstgeschaffene goldene Glanz des Todes verblassen. Nichts bliebe als das alltägliche Geschäft eines Krankenhaustodes.

      Ich bereute meine kindische Szene von vorhin.

      „Ich fühle mich wieder besser, Mutter. Bitte, ich brauche keine Pflegerin. Eine Pflegerin würde mich nur kränker machen. Sie würde auf Zehenspitzen herumgehen und die Vorhänge geschlossen halten. Eine Pflegerin würde mich ersticken...“, und ich begann, bittere Tränen zu weinen.

      Zum ersten Mal seit Monaten dachte ich an die Hilflosigkeit meiner Lage, und mein Gesicht war nass von Tränen. Mutter wischte mir die Stirn. Wäre doch Vater an ihrer Stelle und trocknete meine Tränen und verspräche mir, dass keine Pflegerin käme.

      Als mich Mutter nach diesem Ausbruch verließ - sie glaubte, ich schliefe -, war ihr Mund eine dünne Linie.

      Endlich schlief ich doch ein, und als ich viel später wieder erwachte, sah ich, wie sich eine unbekannte Person an den Vorhängen zu schaffen machte. Das hatte ich vermutet. Aber sie zog die Vorhänge auf, und Sonnenlicht flutete durch die Fenster und zeigte mir das dunkelrote Haar und die volle Figur meiner Besucherin.

      „Du bist Amelie?", fragte sie und kam näher ans Bett heran. Dabei lächelte sie mich geradewegs an. „Du hast sehr lange geschlafen."

      „Ich fühle mich sonderbar", sagte ich, und als ich mich jetzt an das Gespräch mit meiner Mutter erinnerte, traten mir Tränen des Selbstmitleids in die Augen.

      „Bist du meine Pflegerin?"

      Sie setzte sich sacht auf die Bettkante. Ich betrachtete sie. Anstelle der gestärkten Schwesterntracht trug sie eine weiche, rote Bluse, in der sich ihre Brüste genau abzeichneten. Um die Hüfte trug sie einen breiten Ledergürtel, und unter dem Gürtel bauschte sich ein grober Tweedrock. Ich fühlte mich zerbrechlich und ätherisch, dieses schwere Tuch, diese starken Farben, die vollen Brüste, die drallen Hüften unter dem Rock, alles dies bedrängte mich. Sie war schmal in der Taille, und darunter begann gleich der aggressive Schwung ihrer Hüften.

      „Ich bin eine Krankenpflegerin", antwortete sie geduldig. „Aber kannst du mich nicht als deine Freundin betrachten? Soviel älter als du bin ich nicht, Amelie."

      Ich wollte sie fragen, woher sie meinen Namen wusste und wie sie es wagen konnte, mich einfach bei meinem Namen zu nennen, statt dessen sagte ich: „Ich hätte gern eine Tasse Tee."

      Ich wollte sofort geklärt wissen, dass sie meine Dienerin war, nicht meine Freundin. Sie erhob sich hastig von der Bettkante und errötete bis in den Ausschnitt ihrer Bluse.

      „Natürlich", sagte sie mit einer knappen, peinlich berührten Stimme.

      Ich sah, dass sie jung war, nicht mehr als drei Jahre älter als ich, aber sie hatte diese drei Jahre nicht im Bett verbracht mit all den Gedanken, die einem dabei kommen.

      Wäre sie nicht errötet; hätte ich sie noch am selben Tag entlassen; ihr Selbstbewusstsein