Amelie Oral

Seitensprung der Stiefmutter


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zog die Flasche aus dem Sektkühler. „Ist gerade vom Kellner gebracht worden“, sagte er. „Hausmarke – aber angeblich ein sehr guter Champagner. Darf ich?“

      Er füllte die bereitstehenden Champagnerkelche und schob sein Whiskyglas zur Seite.

      „Ich bin froh, dass Sie gekommen sind“, sagte er. „Sehr froh sogar. Wissen Sie, dass Ihnen seit Tagen meine uneingeschränkte Bewunderung gilt? Sie sind die schönste Frau, die ich jemals zu Gesicht bekommen habe.“

      „Danke“, sagte sie.

      Sie tranken. Naomi nahm nur einen winzigen Schluck. Am liebsten hätte sie dem Mann den Champagner ins Gesicht geschüttet. Er legte einen Ellenbogen auf die Tischplatte, drehte sein Glas zwischen den Fingern und lächelte breit.

      „Ihr werter Ehemann hat sicherlich nichts dagegen, wenn wir heute Abend zusammen tanzen gehen, nicht wahr?“

      „Ich habe nicht vor, heute Tanzen zu gehen“, sagte sie.

      „Oh“, meinte er. „Das wäre sehr schade. Jammerschade sogar! Hier unten ist es doch recht gemütlich...“

      „Das ist abhängig von der Gesellschaft, in der man sich befindet.“

      „Klar, ganz meine Ansicht“, nickte er. „Schon deshalb plädiere ich dafür, dass wir uns heute Nacht einige Tänzchen leisten.“

      Naomi schaute auf ihre Uhr. „Ich habe nicht viel Zeit.“

      „Was denn... im Urlaub?“, fragte er und zog eine Augenbraue nach oben.

      „Was haben Sie mir zu sagen?“, fragte sie bissig.

      „Nichts“, meinte er grinsend. „Nichts von Bedeutung, meine ich. Ich wollte Sie nur sehen. Und sprechen. Ich genieße Ihre Nähe. Und Ihre Schönheit, versteht sich. Wie finden Sie den Champagner?“

      „Zu süß“, sagte sie.

      „Er könnte trockener sein“, gab er zu. „Ich werde mich beim Kellner beschweren. Er hat ihn mir empfohlen.“

      „Er hat nichts dergleichen getan“, sagte Naomi und hob ihr Kinn. „Sie haben einfach die billigste Marke bestellt. Warum sagen Sie nicht offen, wie es ist?“

      Er lachte kurz. „Sicher. Offenheit ist eine schöne Sache. Und da Sie Wert darauf zu legen scheinen, damit konfrontiert zu werden, wüsste ich gern, wie Ihnen der aufregende Sex mit Ihrem Stiefsohn gefallen hat?“

      Naomi schwieg. Irgendetwas zerrte an ihrer Kehle.

      „Ich habe nämlich zweimal reingeschaut und jeweils einen kurzen Film mit meinem Smartphone angefertigt. Ich war wirklich erschrocken, als Ihr junger Stiefsohn Sie mit seinem gewaltigen Schwanz richtig hart fickte. Aber offenbar sind Sie mit seiner Technik bestens vertraut.“

      „Ich werde Sie anzeigen!“, sagte Naomi kühl.

      „Ach, wirklich? Und worauf, wenn ich fragen darf, wird sich diese Anzeige gründen?“

      „Auf einen Erpressungsversuch“, sagte Naomi. „Denn um den handelt es sich doch, nicht wahr?“

      „Was bringt Sie denn darauf? Ich habe nur davon gesprochen, was ich gesehen habe. Das war freilich eine ganze Menge“, sagte er grinsend. „Ich kann einfach nicht vergessen, wie er seinen dicken, ölig glänzenden Penis in Ihren sich windenden, stoßenden Leib rammte und wie Sie den Burschen kratzten, wie Sie stöhnten, und wie Sie dieses Spiel genossen...“

      „Sind Sie fertig?“, fragte Naomi. Sie blieb erstaunlich kühl. Jetzt, wo die Würfel gefallen waren und wo sie wusste, wie die Fronten verliefen, hatte sie ihre Beherrschung zurückgewonnen.

      „Ich denke doch, das reicht... oder?“, fragte er.

      „Ja, das reicht“, meinte sie. „Ich bestreite, dass es die von Ihnen geschilderten Vorgänge gegeben hat.“

      „Ich verstehe“, sagte er. Sein Grinsen verschwand, er schob das Kinn nach vorn und wirkte plötzlich hart, düster und entschlossen. „Sie glauben, Sie könnten mir Ihrem Dementi durchkommen, weil Sie sehr viel Geld besitzen. Aber Sie dürfen mein Smartphone nicht vergessen, die Kamera macht tolle Bilder und Videos. Was wird wohl Ihr wohlhabender Ehemann zu diesen Bildern sagen, wenn ich sie ihm per eMail zuschicke?“

      „Was verlangen Sie?“, fragte Naomi ruhig.

      „Darüber muss ich mir noch klar werden... Aber ein Vorschuss von tausend Euro käme mir sehr gelegen.“

      „Ist das alles?“

      „Nein“, sagte er grinsend. „Sie werden uns besuchen.“

      „Uns?“, echote Naomi.

      „Meine Freundin und mich. Die ist richtig verschossen in Sie. Eine echte Gräfin, dass beeindruckt sie.“

      „Was soll das heißen?“

      „Das kriegen Sie schon noch früh genug erklärt“, meinte er. „Wann dürfen wir mit Ihrem Besuch rechnen?“

      „Ich werde nicht kommen“, sagte Naomi.

      „Schade... in diesem Fall muss ich unverzüglich Kontakt zu Ihrem Ehemann aufnehmen. Er befindet sich doch derzeit in seinem Büro in München, richtig?“

      „Sie sind ein Schwein“, sagte sie.

      „Sie etwa nicht?“, höhnte er. „Sie haben Sex mit Ihrem Stiefsohn! Ich habe es weiß Gott nicht nötig, mich von so einer Frau beschimpfen zu lassen.“

      „Er ist nicht mein Fleisch und Blut“, murmelte sie. Das flüchtige, beruhigende Gefühl selbstsicherer Überlegenheit war zu Bruch gegangen. Sie wusste, dass sie sich auf der Verliererstraße befand.

      „Ändert das etwas für Ihren gehörnten Ehemann?“, fragte er.

      Nein, das änderte nichts, aber trotzdem hatte sie den Wunsch, sich zu rechtfertigen. Es ging dabei nicht einmal so sehr um Alexander Neuhaus, es ging um sie selbst, es ging um das Drama, das die Ereignisse aus ihrem Leben gemacht hatten.

      „Ich war ständig allein“, sagte sie und starrte ins Leere. „Mein Ehemann interessierte sich ausschließlich für sein Geschäft.“

      „Ich kann mir das schon vorstellen“, nickte Alexander. „Da war dieser junge, potente Mann in der Nähe und Sie erlagen ihm.“

      „Ja“, sagte Naomi, die sich wunderte, dass der Callboy überhaupt in der Lage war, ihre Situation mit wenigen Sätzen einigermaßen treffend zu charakterisieren. „Genau so war es.“

      „Wann ist es zum ersten Mal geschehen?“

      Naomi gab ihm keine Antwort.

      „Er ist erst zwanzig Jahre alt, nicht wahr?“

      „Ja.“

      „Danach haben Sie ihn verführt.“

      „Nein“, sagte Naomi.

      „Ich möchte es genau wissen. Auch Linda interessiert sich dafür“, erklärte er.

      Naomi leerte ihr Glas. Sie musste den bitteren Geschmack wegspülen, der sich in ihrem Mund gebildet hatte.

      „Gehen wir gleich?“, fragte er.

      „Nein.“

      „Sie wollen also den Skandal?“

      Naomi wollte aufbrausen, aber ihr dämmerte, dass das töricht und nutzlos gewesen wäre. Dieser Kerl hatte ja in gewisser Weise Recht. Ihr stand es nicht zu, sein Verhalten zu kritisieren. Sie hatte sich selbst außerhalb gesellschaftlicher Normen gestellt und durfte sich nicht wundern, wenn daraus ein Bumerang wurde.

      „Wann soll ich kommen?“, fragte sie.

      „Zimmer 17“, erwiderte er. „In einer halben Stunde. Ich lasse den Champagner nach oben bringen.“

      Naomi erhob sich wortlos und verließ die Bar. Henri saß in der Halle und kaute an seinem Daumen