Christina Masch

Harry in love


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      „Was interessiert es Sie, wo ich hingehe, geschweige denn was ich gegebenenfalls mit der Presse zu tun habe?“, fragte Isabel erbost.

      „Nun, ich werde es einmal so ausdrücken: Ich kann es mir nicht erlauben, schon wieder mit irgendwelchen schlechten Schlagzeilen in den Klatschspalten der Illustrierten zu stehen, das würde das Herz meiner Großmutter nicht verkraften.“ Fragend sah Isabel zum Prinzen herüber. „Die Queen ist nicht mehr die Jüngste und jede unnötige Aufregung würde ihr schaden“, erklärte Harry weiter.

      „Das ist nicht mein Problem; es ist doch Ihr eigenes Verschulden, wenn Sie sich nicht zu benehmen wissen! Da sind ja meine Kinder noch besser erzogen als Sie!“

      Entsetzt sah Harry Isabel an. „Ihre Kinder? Wie viele haben Sie denn?“

      „Fünf“, war Isabels knappe Antwort.

      Harry stand der Mund offen. „Für so alt habe ich Sie noch gar nicht gehalten …“

      „Was fällt Ihnen ein?!“, schrie Isabel empört.

      Harry erschrak, denn er hatte seinen Gedanken laut ausgesprochen. Er errötete prompt. „Bitte verzeihen Sie, so war das nicht gemeint! Aber ich schätze Sie nicht älter als achtundzwanzig; eher jünger“, offenbarte Harry ehrlich.

      „Ich bin fünfundzwanzig. Und es sind nicht meine eigenen Kinder, sondern ich betreue sie nur. – Ich bin Tagesmutter.“

      Harry fing an zu lachen. Irritiert sah Isabel herüber. Sie wusste nicht, was es da zu lachen gab.

      Nachdem sich Harry wieder beruhigt hatte, entschuldigte er sich erneut bei Isabel. Mit einer einfachen Handbewegung wischte sie das Missverständnis vom Tisch. Im Gegenzug dafür kam Harry wieder auf das ursprüngliche Thema zurück: „Wollen Sie sich nicht doch wieder setzen?“

      „Nein, danke, ich stehe lieber! Zumal ich davon ausgehe, dass sich unser Gespräch eh jeden Moment erledigt hat …“

      „Ich kann also davon ausgehen, dass Sie sich nicht an die Presse wenden werden?“

      „Warum sollte ich? Es wird wohl kaum jemanden interessieren, dass Sie ein ungehobelter Klotz mit einem unmöglichen Benehmen sind und auch noch die Frechheit besitzen, in die Privatsphäre anderer einzudringen.“, stellte Isabel leichtfertig fest.

      „Wenn Sie das so sehen …“, begann Harry, hielt jedoch dann inne.

      „Wollen Sie etwa behaupten, dass Sie nicht der Widerling sind, den Sie doch so gerne nach außen kehren?!“, schrie es daraufhin ganz automatisch aus Isabel heraus.

      Doch statt einer Antwort von Harry kam eine Antwort von einer Person hinter ihr: „Ich glaube, Sie vergreifen sich gerade im Ton, junge Dame! Es wäre angebracht, wenn Sie sich jetzt bei Seiner Hoheit entschuldigen und danach die Räumlichkeiten schleunigst wieder verlassen“, sagte die Queen todernst.

      Aus Isabels Gesicht war jegliche Farbe gewichen. Abrupt drehte sie sich um, machte einen sehr tiefen, ehrfurchtsvollen Knicks vor der Queen und entschuldigte sich aufrichtig. Als sie sich wieder erhob, zierte ein dunkles Rot ihre Wangen und alles, was Isabel jetzt noch wollte, war weglaufen! Doch noch ehe Isabel den Raum verlassen konnte, hatte Harry auch schon nach ihrem Arm gegriffen und hielt sie fest. Völlig apart starrte Isabel den Prinzen an, während er mit seiner Großmutter sprach: „Grandma. Miss Canningham hat keinen Grund sich zu entschuldigen. Es war ihr gutes Recht, so mit mir umzuspringen. Denn ich bin derjenige, der sich ihr gegenüber zuvor unmöglich benommen hat. Wir waren gerade dabei, über die umständlichen Vorkommnisse zu sprechen und darüber eine gütliche Einigung zu finden.“

      Isabel klappte überrascht die Kinnlade herunter. Denn sie hatte mit allem, nur nicht damit gerechnet. Die Queen sah mürrisch zwischen beiden hin und her und entschied sich, vorerst nichts weiter dazu zu sagen und verließ stattdessen, ohne ein weiteres Wort, wieder den Raum.

      Auch nachdem die Queen bereits einige Minuten lang das Zimmer wieder verlassen hatte, standen Harry und Isabel noch immer vor dem Schreibtisch und starrten sich gegenseitig an; jedoch aus unterschiedlichen Gründen. Isabel war die Erste, die ihre Stimme wiederfand: „Hätten Sie die Güte mich loszulassen? Sie tun mir weh!“

      „Verzeihung, das wollte ich nicht!“, flüsterte Harry und strich sanft über Isabels Arm. Heftig, so als hätte sie sich verbrannt, entriss Isabel Harry ihren Arm. Ergebend hob Harry beide Hände in die Höhe und gewährte einige Schritte Abstand zwischen ihm und ihr. Isabel war darüber dankbar und beruhigte sich langsam wieder.

      „Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie einen ungehobelten Klotz genannt habe. Sie können, wenn Sie wollen, auch recht anständig sein.“

      „Danke für die Blumen“, erwiderte Harry und ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht. „Ich wusste gar nicht, dass nur Worte Ihre Meinung über mich so schnell ändern können?!“

      Prompt wurde Isabel knallrot.

      Harry nutzte ihre Verlegenheit aus und betrachtete Isabel eindringlich. Sie hatte etwas Magisches an sich! Ihre kurzen, pechschwarzen Haare waren ein krasser Gegensatz zu ihrer schneeweißen Haut. Doch am interessantesten fand Harry noch immer ihre katzenartigen Augen. Sie waren von einem solch dunklen Grün, dass man zweimal hinschauen musste, um sich zu vergewissern, dass man sich nicht versah. In ihren Augen spiegelte sich das Grün der Wiesen wider. Ihre langen, dunklen Wimpern ließen sie schüchtern und unantastbar wirken. Jedoch ihr dunkelroter Mund lud zum Küssen ein.

      Wieder einmal völlig perplex über seine eigenen Gedankengänge sagte Harry als Nächstes: „Ich weiß zwar nicht, was ich verbrochen habe, dass Sie solch eine abwertende Haltung mir gegenüber haben – abgesehen von dem Zwischenfall vor dem Spielzeugladen vergangene Woche –, aber sicher werden Ihre Gründe schon stichhaltiger Natur sein …“

      Unsicher sah Isabel auf den Teppichboden zu ihren Füßen. Ein zaghaftes „Verzeihung“ kam über ihre Lippe, ohne dass sie dabei aufsah.

      „Miss Canningham. Nicht Sie müssen sich entschuldigen, sondern ich mich bei Ihnen! Als Gentleman hätte ich mich erkundigen müssen, ob ich Ihnen wehgetan habe, als ich in Sie hineingerauscht bin. Ich hätte mich dafür entschuldigen müssen und eben Ihre Sachen aufheben sollen, statt Ihnen nur dabei zuzusehen. Gegebenenfalls hätte ich auch Ihre zu Bruch gegangenen Habseligkeiten anstandslos ersetzen müssen.“ Verwirrt sah Isabel den Prinzen an. „Sie haben schon Recht, ich habe mich wie ein Idiot benommen. Ich hatte es eilig und habe nur an meinen Status gedacht“, erklärte Harry sachlich und ruhig weiter, während er um den Schreibtisch herumging und ein Schubfach öffnete. „Leider kann ich eine Sache nicht wieder anstandslos ersetzen“, sagte er und schob dabei den kleinen Holzsockel und die Musikwalze über den Tisch.

      Als Isabel die Reste ihrer Spieluhr sah, fing sie unweigerlich an zu weinen. Sofort war Harry zur Stelle und zog sie, keinen Widerspruch duldend, in seine Arme. „Es tut mir leid!“, flüsterte er.

      „Harry, kannst Du mir bitte einmal sagen, was Du jetzt schon wieder … angestellt hast???“, kam es plötzlich von der Tür. Es war Prinz William und er sah ungläubig auf das Bild, welches sich ihm bot: Eine unbekannte junge Frau, weinend in den Armen seines Bruders. Sofort riss sich Isabel von Harry los und ohne William eines Blickes zu würdigen, rannte sie aus dem Raum. Fragend sah William erst der jungen Dame hinterher und dann zu seinem Bruder herüber. Harry lehnte am Schreibtisch und strich sich mit den Händen durchs Haar. „Willst Du mir irgendetwas hierzu sagen; oder solltest Du nicht viel lieber ihr hinterher?“, fragte William.

      Harry schüttelte resigniert den Kopf und warf sich in den Sessel, auf dem vor kurzem noch Isabel gesessen hatte. William schloss die Türen und setzte sich zu seinem Bruder. „Ist sie der Grund für Elisabeth’ Wutausbruch?“, fragte William sogleich. Harry verdrehte entnervt die Augen und berichtete dann, was ihm in der letzten Woche widerfahren war.

      Nachdem sich William die ganze Geschichte angehört hatte, kam er nur zu einer einzigen Erkenntnis: Sein Bruder empfand etwas für die junge Dame, was sein Herz höher schlagen ließ! Harry stritt dies natürlich sofort energisch ab, doch sein schmerzerfüllter Blick strafte seine Worte