Eric Rahne

Thermografie


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und damit die Erstellung auswertbarer Thermogramme genauso einfach wäre, wie die Bedienung der genannten Messgeräte. Theoretisches Grundlagenwissen, Kenntnisse der physikalischen Zusammenhänge und viel Erfahrung, sowie durchdacht vorbereitete Messanordnungen sind notwendig, damit die Messungen die tatsächlichen Temperaturen wiedergeben und statt „bunter Bilder“ auswertbare Thermogramme entstehen. Das Buch bemüht sich deswegen, Theorie und Praxis der Thermografie von den grundlegendsten physikalischen Zusammenhängen ausgehend, über die messtechnischen Grenzen und die notwendigen Messbedingungen hin bis zu praktischen Hinweisen im Zusammenhang mit konkreten Anwendungen und sogar Speziallösungen zu präsentieren.

      Das vorliegende Buch hat allerdings nicht das Ziel, das riesige Fachgebiet der Thermografie mit jeder einzelnen Gesetzmäßigkeit und mit jedem Zusammenhang bis ins letzte Detail (bis zur tiefsten theoretischen Grundlage) auszudiskutieren. Mit diesem Anspruch wäre der Umfang des Buches unüberschaubar geworden und auch die leichte Lesbarkeit und Verständlichkeit wäre verloren gegangen. Angestrebt war, nicht nur professionellen Thermografen, sondern auch Anfängern oder gar nur allgemein Interessierten Hilfe geben zu können. Selbstverständlich wurde dabei auch darauf geachtet, dass bei den - wegen der leichteren Verständlichkeit in einigen Abschnitten verwendeten - Vereinfachungen die (leider in etlichen Veröffentlichungen vorzufindenden) inhaltlichen, fachlichen Fehler oder eindeutig falschen Formulierungen nicht auftreten. Wo notwendig, findet der Leser auch Hinweise auf im allgemeinen Sprachgebrauch verwendete falsche Begriffe, ungenaue Beschreibungen von Zusammenhängen oder gar auf fachlich unvertretbare „Praxistricks“.

      Ich habe die Hoffnung, dass für praktizierende Thermografen wie auch für alle weiteren Nutzer von thermografischen Aufnahmen schon alleine das Durchblättern des Buches hilfreich sein wird, da es das Verständnis bezüglich der Möglichkeiten und Grenzen der Thermografie fördert. Aber auch wer tieferes Wissen anstrebt, findet detaillierte Antworten auf seine Fragen und Problemstellungen in den folgenden Kapiteln. Vielleicht gelingt es sogar, auch den in diesem Fachgebiet noch unerfahrenen Investoren, Einkäufern und Unternehmern Unterstützung zu geben beim Abwägen, ob und wie eine gegebene Aufgabe mittels Thermografie sinnvoll gelöst werden kann. Da sicher viele Leser zu den mathematischen Gleichungen auch deren Ergebnisse visuell betrachten mögen, wurden unzählige Farbgrafiken und durch mich erstellte Thermogramme in die Abhandlungen eingefügt. Ich bin zuversichtlich, mit diesem Buch meine in zweieinhalb Jahrzehnten gesammelten Erfahrungen leicht verständlich weitergeben zu können.

      Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei Jürgen Fiebig, dem leider viel zu früh verstorbenen Kollegen der Infratec GmbH, der mir am Anfang meiner thermografischen Tätigkeit (meist weit nach Arbeitszeitende) stundenlange fachliche Konsultation leistete. Ganz besonderer Dank gilt István Lovák für seine Unterstützung beim Start meiner ungarischen Aktivitäten, für die vielen gemeinsam durchgeführten Thermografieschulungen und für die präzise Lektorierung der ersten, ungarischsprachigen Ausgabe dieses Buches.

      Eric Rahne

      Dipl.-Ing. Elektrotechnik (TU Budapest)

      Fachexperte für Maschinendiagnostik

      Zertifizierter Thermograf (Stufe 3)

      Vereidigter Gerichtssachverständiger

      1.

      Physikalische Grundlagen

      1.1. Wärmelehre, Thermodynamik

      Für die fachliche Betrachtung der auf Infrarotstrahlungsmessung beruhenden Temperaturbestimmung ist es notwendig, allem vorausgehend die thermodynamischen und physikalischen Gesetzmäßigkeiten bzw. Zusammenhänge zu behandeln. In diesem Kapitel werden daher die wichtigsten, mit der Temperatur in Beziehung stehenden Begriffe definiert, darauf achtend, dass nur die notwendigsten Aspekte diskutiert werden. Der Schwerpunkt liegt insbesondere auf den Zusammenhängen, welche den größten Einfluss auf die thermografischen Messungen bzw. deren Auswertung ausüben.

      Die Temperatur ist eine thermodynamische Maßzahl für die innere Energie von Materie, unabhängig des Aggregatzustandes derselben. Materie mit über der absoluten Nullpunkttemperatur (-273,15 °C bzw. 0 K) liegenden Temperaturen haben eine innere Energie über Null, welche als die Summe der Schwingungsenergie der Atome und Moleküle, sowie der Bewegungsenergie der Elektronen (also als durchschnittliche kinetische Gesamtenergie aller Teilchens) zu verstehen ist. Die stark vereinfachte Erklärung des Zusammenhanges ist die Erhöhung der Frequenz und Amplitude der Atom- und Molekülschwingungen, sowie ein Anwachsen der Bewegungsgeschwindigkeit und des (nicht unbedingt kreisförmigen) Bahndurchmessers der Elektronenbewegung gemeinsam mit dem Ansteigen der Temperatur.

      Unter den vielen existierenden und wissenschaftlich akzeptierten Atommodellen gibt das Modell von Bohr die einfachste Erklärung für die innere Energie und das Entstehen der elektromagnetischen Strahlung. Diesem Atommodell entsprechend sind die Bahnen der Elektronen um den Atomkern (Protonen) jeweils an ein bestimmtes Energieniveau gebunden. Die Energie auf diesen Bahnen ist konstant, die Elektronen haben demnach einen energetisch stabilen Bewegungszustand. Diese stabilen Zustände können nur durch den Sprung auf eine Bahn mit höherem oder niedrigerem - wiederum stabilen - Energieniveau verlassen werden. Wird die Materie erwärmt (also Energie zugeführt), springen die Elektronen auf ein höheres Energieniveau. Verlässt dagegen ein Elektron seine derzeitige Bahn auf ein niedrigeres Energieniveau, dann wird der Energieunterschied als elektromagnetische Welle (entsprechend klassischer Wellenlehre) oder als Wellen- und Massencharakter besitzendes Photon (nach der modernen Quantenphysik) abgegeben. Die abgegebene Energie entspricht dem Unterschied zwischen dem Energieniveau der beiden Bahnen. (Energieerhaltungsgesetz = 1. Hauptsatz der Thermodynamik)

      Abb. 3: Erklärung der Strahlungsaufnahme und -abgabe mittels des Atommodells von Bohr

      1.1.2. Grundgesetze und Zusammenhänge der Wärmelehre

      1.1.2.1. Aggregatzustände

      Theoretisch kann jede Materie in allen 4 Aggregatzuständen (fest, flüssig, gasförmig und als Plasma) auftreten. Es gibt jedoch feste Materialien, die sich schon bei einer Temperatur unter ihrem (theoretischen) Schmelzpunkt bereits chemisch umwandeln. Aus dem gleichen Grund gibt es auch viele Substanzen, die in gasförmigem Zustand nicht auftreten.

       Festkörper - fester Aggregatzustand

      Feste Substanzen umfassen kristalline und amorphe Materialien, und es gibt auch solche, die unterschiedliche Strukturen aufweisen können. Letztere weisen aufgrund ihrer strukturellen Unterschiede auch in ihren physikalischen Eigenschaften signifikante Abweichungen auf. Der feste Aggregatzustand ist durch Körper mit einer beständigen Form und einem bestimmten Volumen gekennzeichnet. Bei festen Materialien können Form- und Volumenänderungen nur durch Krafteinwirkung erreicht werden. Zur Beschreibung der Materialeigenschaften werden daher Zug- und Druckfestigkeit, Härte und Elastizität als stoffspezifische Eigenschaften verwendet.

      Bei steigenden Temperaturen verringern die meisten Festkörper ihre Druckfestigkeit und Härte, erhöhen dabei ihre Elastizität. Im Allgemeinen wird durch Erhöhen der