im zentralen Nervensystem aktiv wie bei uns, nämlich das Endhirn. Selbst bei Fischen, die entwicklungsgeschichtlich sehr weit von uns entfernt sind. Wenn sie am Haken des Anglers zappeln, muss nach neuestem Stand der Forschung von einem quälerischen Akt ausgegangen werden, denn ihr Endhirn läuft dabei ebenfalls zu Höchstleistungen auf.
Das Schmerzempfinden als elementare Warnfunktion muss bei jedem Tier vorhanden sein, ob unbewusst oder bewusst. Anscheinend gilt diese Erkenntnis aber nicht für bürokratische Wissenschaftler (oder wissenschaftliche Bürokraten). Anders ist es nicht vorstellbar, dass unserem Schutz unterstellten Tieren so viel zugemutet werden darf. Fleisch von männlichen Schweinen mag niemand kaufen, weil sie voller Sexualhormone sind und das Fleisch daher unangenehm riecht. Was liegt da näher, als einfach den Quell des Übels, die Hoden, zu entfernen? Und damit das schnell und billig abläuft, werden die wenige Tage alten Ferkel ohne Betäubung operiert. Aus angeblichen Tierschutzgründen(!) sind auch das Ausbrennen der Hörner bei Kälbern und das Abschneiden der empfindlichen Schnabelspitzen bei Hühnerküken in der modernen Landwirtschaft Alltag – selbstverständlich ohne Narkose. Ansonsten würden sich die Tiere in der Enge der Ställe gegenseitig verletzen. Klingt brutal und ist es wohl auch, aber von offizieller Seite nimmt man einfach an, dass zumindest ganz junge Tiere kein Schmerzempfinden haben. Erst ab 2017 (Hühner) und ab 2019 (Ferkel) soll sich dies ändern – nach diesen Terminen darf amtlicherseits Gnade walten.
Selbst die Nachkommen unserer eigenen Art, eben erst geborene Säuglinge und vor allem Frühchen, wurden früher medizinisch als schmerzunempfindliches Etwas angesehen. Bis in die 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts operierten Chirurgen sogar am offenen Herzen von Babys, und zwar (aus Angst vor Nebenwirkungen) ohne Narkosemittel; das herzzerreißende Schreien und Strampeln wurde von ihnen eher als harmloser Reflex gedeutet.
Mittlerweile weiß man, dass Neugeborene selbstverständlich Schmerzen fühlen, und daher setzt man bei Operationen solch junger Patienten heute routinemäßig Schmerz- und Narkosemittel ein. Tierbabys wird das leider oft immer noch abgesprochen. Dabei ist auch bei ihnen das beobachtbar, was allen Wesen auf unserem Planeten gemein ist: Werden sie verletzt, so zeigt der Körper eine Abwehrreaktion. In diesem Fall ein heftiges Strampeln und Schreien, was vermutlich nur deshalb als unerheblich abgetan wird, damit die Halter weiterhin ohne Skrupel Ferkel und Küken für die Massentierhaltung tauglich machen können.
Noch einmal: Schmerz ist ein Körpersignal, welches dem Gehirn die drohende oder eingetretene Schädigung des Körpers meldet – dieses Gefühl muss jedes Wesen kennen. Damit ist gleichzeitig geklärt, dass Tiere grundsätzlich fühlende Geschöpfe sind. Allerdings haben wir bisher erst den wissenschaftlich »minderwertigeren« Teil, die Sensibilität, abgedeckt. Um zu zeigen, wie es mit den anspruchsvolleren Gefühlen, den Emotionen, aussieht, muss ich auch in diesem Zusammenhang zunächst in die Kiste der negativen Gefühle greifen. Sie rufen viel heftigere Reaktionen hervor und sind daher besser nachzuvollziehen.
Emotionen sind komplizierte Vorgänge zwischen Körper und Verstand, die unser Bewusstsein in Form von Gefühlen erreichen. Eines der stärksten ist die Angst. Sie signalisiert dem Gehirn eine so heftige Bedrohung, dass Blutdruck und Puls ansteigen und der ganze Organismus in den Zustand höchster Leistungsfähigkeit versetzt wird. Mit der Angst spricht das Unterbewusstsein meistens Verbote aus, dieses und jenes zu tun. Aktives Handeln wird in aller Regel nur für eine Flucht ausgelöst. Ein Teil der Ängste ist angeboren, andere werden erlernt. Für Letzteres habe ich täglich ein Beispiel vor Augen: einen Elektrozaun. Unsere Milchziegen genießen die warme Jahreszeit auf der Sommerweide. Alle zwei Wochen ist die Teilparzelle abgegrast, und das nächste Wiesenstück ist an der Reihe. Um die Ziegen zu hüten, hat sich ein Elektrozaun bewährt. Er ist nicht so gefährlich wie Stacheldraht und kann leicht versetzt werden. Die Stromschläge sind zwar schmerzhaft, aber ungefährlich. Die älteren Tiere berühren den Zaun schon jahrelang nicht mehr, während die Lämmer zwei, drei Mal die unangenehme Erfahrung machen, dass die Litzen eine Grenze darstellen, die man besser meidet.
Wie sich die Ziegen fühlen, kann ich gut nachvollziehen. Denn auch ich habe den Zaun schon mehrmals unabsichtlich berührt. Der Stromschlag wirkt wie ein fester Schlag mit der flachen Hand, verbunden mit einem den Körper durchzuckenden Schmerz. Nach einem solchen Missgeschick vergewissere ich mich bei den nächsten Weidebesuchen mehrfach, ob auch wirklich der Strom abgeschaltet ist. Und selbst dann ist mir mulmig zumute, wenn ich den Zaun zwecks Umsetzen anfassen muss. Meine Angst vor dem nächsten Stromschlag ist also stärker als mein Verstand, der Harmlosigkeit signalisiert. Und diese Angst ist den Tieren sicher gleichermaßen bewusst.
Bei unseren Pferden, die ebenfalls mittels Elektrozaun auf der Weide gehalten werden, kann man dieses Bewusstsein sogar beobachten. Sie sind, was Stromimpulse anbelangt, besonders empfindlich. Daher empfehlen die Gerätehersteller die Wahl einer geringen, Strom sparenden Stufe des Weidezaungeräts. Übersetzt heißt dies, dass Pferde außergewöhnlich ängstlich sind. Wie bewusst sie die Vorgänge um den Zaun (und damit die schmerzhaften Lektionen) wahrnehmen, zeigt unsere Stute Bridgi. Sie ist besonders verfressen, und das saftigste Gras wächst natürlich immer außerhalb der Umzäunung. Bridgi registrierte, dass jedes Mal, wenn ich komme, der Strom abgeschaltet wird. Und seit diesem Moment der Erkenntnis handelt sie wie folgt: Sobald ich die Weide betrete, schiebt sie ihren Hals unter dem Zaun hindurch. Mit dem Elektroband im Nacken grast sie den Nachbarstreifen genüsslich ab, bis ich die Koppel wieder verlasse. Wäre die Angst rein unbewusst, so würde die Stute den Kontakt zum Zaun durchgehend vermeiden. So aber schaltet ihr Bewusstsein die Furcht in dem Augenblick ab, wenn ich den Strom abschalte. Von außen gesehen, kann man weder dem Pferd noch mir die Angst ansehen. Lediglich die Vermeidung der Zaunberührung deutet darauf hin.
Dieses Gefühl darf man sicher den meisten, wenn nicht allen Tierarten unterstellen. Unangenehme Erfahrung macht nun mal jeder, und jedes Wesen muss daraus lernen können, um zu überleben. Lernen und Angst sind demnach fest miteinander verknüpft. Der Schluss »alle lernfähigen Wesen können auch Angst empfinden« muss somit zulässig sein. Und selbst Fliegen mit ihren klitzekleinen Hirnen lernen. Das kennen Sie sicher auch: Wenn Sie in Ihrer Wohnung auf Jagd nach den Plagegeistern gehen, so werden die Winzlinge immer gewiefter, je öfter Sie daneben schlagen. Es ist eine Art Training der besonderen Art, denn jeder Fehler der Fliegen wird sofort mit dem Tod bestraft. Warum weichen sie unserer Hand aus? Weil sie Angst haben, Todesangst, und das lässt sie auch außergewöhnlich schnell lernen.
Spaß beim Sex
Ich erinnere mich nur noch schemenhaft an die Zoobesuche der Kindheit. Anfangs war alles interessant, ich bestaunte jedes Tier, aber mit der Zeit wurde es mir langweilig. Spätestens nach einer Stunde interessierten mich nur noch die Highlights, etwa große Raubtiere oder Elefanten. An andere Arten kann ich mich heute nicht mehr erinnern. Mit einer Ausnahme: Was mir noch recht lebhaft vor Augen steht, ist die Besichtigung des Pavianfelsens. Auf diesem künstlichen Betongebilde tummelte sich stets eine froh gelaunte Gesellschaft der afrikanischen Savannenbewohner, die sich zu Zeiten der Fütterung laut kreischend um Brotreste und Früchte zankten.
Deutlicher noch als die Nahrungsaufnahme ist mir allerdings der wilde, ungehemmte Sex in Erinnerung. Die Paviandamen stellten ihre knallroten, geschwollenen Hinterteile zur Schau, und ob Herdenchef oder Jüngling, immer wieder waren schnelle Kopulationen zu bestaunen. Gerne wäre ich länger dort am Gehege stehen geblieben, aber ich war hin- und hergerissen zwischen widerstreitenden Gefühlen. Einerseits war ich sehr neugierig, andererseits peinlich berührt, da ich in sexuellen Dingen eher konservativ erzogen wurde. Eines war jedoch offensichtlich: Die ganze Horde schien das alles prächtig zu genießen.
Zwischenzeitlich erfuhr ich in der Schule, wie Tiere bis in die kleinsten Abläufe mehr oder weniger automatisch reagierten. Diese Sezierung der Vorgänge im Sexualkundeunterricht war für mich so ernüchternd, dass ich mich lange fragte, ob auch der Mensch so berechenbar funktionierte. Konnte die Biologielehrerin mit diesem Wissen noch entspannten Sex haben oder entzauberte ihre Kenntnis von den Details die ganze Sache? Heute stelle ich mir umgekehrt eher die Frage, warum nur der Mensch mehr an der Paarung finden sollte als eine rein mechanische Betätigung.
Handlungen