Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 64; Oberndörfer/Lehmann, BB 2015, S. 1027 (1028); Wankmüller, in: Soudry/Hettich, Vergaberecht, 2014, S. 216 und S. 220. 63 KOM (2011), 896/2, 10; Stoye, NZBau 2016, S. 457 (458); Wankmüller, in: Soudry/Hettich, Vergaberecht, 2014, S. 217.
III. Weiterentwicklung der E-Vergabe durch die EU-Richtlinien aus 2014
Sämtliche vorgenannten Entwicklungen, insbesondere der Vorschlag der Kommission aus dem Jahr 2011, haben dafür gesorgt, dass die – bis dahin rein europäischen – Impulse für eine elektronische Kommunikation in Vergabeverfahren nochmals verstärkt wurden. Nach einer dreijährigen Umsetzungszeit aus dem Vorschlag der Kommission sind 2014 im Rahmen einer EU-Initiative drei neue Vergaberechtsrichtlinien (die sich rein mit Sachthemen befassten) erlassen worden. Dabei handelt es sich um die Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe, die Richtlinie 2014/25/EU über Vergabe von Aufträgen im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (die sogenannten Sektorenauftraggeber), die auch die Nachfolge der bis dahin geltenden Richtlinien aus 2004 antreten. Komplettiert werden diese durch eine erstmals erlassene Richtlinie über Konzessionsvergaben (RL 2014/23/EU).
Schwerpunkt dieser Reform ist eine generelle Verbesserung der Effizienz des Vergaberechts, eine Vereinfachung und Straffung der Vergabeverfahren sowie die Umsetzung von strategischen Zielen durch Innovationsvorgaben und Nachhaltigkeitsaspekten.64
Gemein ist diesen Richtlinien, dass sie Vorgaben und Leitgedanken zur verpflichtenden elektronischen Vergabe konkretisieren.65 Am Beispiel der RL 2014/24/EU wird die Verpflichtung zur elektronischen Kommunikation nachfolgend dargestellt.
1. Leitgedanken der E-Vergabe in Hinblick auf elektonische Kommunikationsmittel
Als klarer Leitgedanke ist der Erwägungsgrund (ErwG.) 52 der RL 2014/24/EU (d.h. der beispielhaft dargestellten Richtlinie für die Vergabe von Aufträgen öffentlicher Auftraggeber) heranzuziehen. Dort wird die verpflichtende elektronische Kommunikation aus Sicht des europäischen Gesetzgebers herausgehoben.66 Aus deren Blickwinkel werden elektronische Mittel schon die Bekanntmachung über die künftige Vergabe von Aufträgen nicht unerheblich vereinfachen, weshalb elektronische Kommunikationsmittel standardisiert zur Anwendung kommen sollen.67 Parallel dazu kann der gesamte Vorgang effizienter und transparenter gestaltet werden.68 Dieser neue transparente Standard kann gleichsam auch dafür sorgen, dass die grenzüberschreitende Teilnahme an Verfahren im europäischen Binnenmarkt (entsprechend des Kommissionsvorschlags aus 2011) verbessert wird. Um diesen Standard und die daraus zu erwartenden Folgen umsetzen zu können, soll in allen Verfahrensabschnitten eine ausschließliche elektronische Kommunikation verbindlich sein. Daraus lässt sich entnehmen, dass die Standardisierung eine Zugangsvereinfachung zum Ziel hatte.69 Diese Vorgabe soll auch die Bereitstellung der Ausschreibungsunterlagen sowie die Einreichung durch Übermittlung von Teilnahmeanträgen oder der Angebote inkludieren.
Der nachfolgende ErwG. 53 ergänzt dahingehend technische Details. So haben die elektronischen Kommunikationsmittel – soweit keine begründete Ausnahme vorliegt – verschiedene grundlegende Anforderungen zu erfüllen; sie müssen zudem nichtdiskriminierend und darüber hinaus allgemein verfügbar sein. Im Übrigen gilt als parallele dritte Anforderung, dass die elektronischen Kommunikationsmittel mit den allgemein am Markt gängig zu beschaffenden Produkten der modernen Kommunikations- und Informationstechnologie interoperabel bzw. kompatibel sein müssen. Dennoch ist darauf zu achten, dass der Zugang zum Verfahren für Bieter oder Interessenten ohne Einschränkungen (im Sinne einer Barrierefreiheit) möglich ist. Sämtliche dieser Vorgaben des ErwG. sollen allerdings nur greifen, wenn das Beschaffungsverfahren dies erlaubt und die Verwendung der elektronischen Mittel im Einzelfall des Beschaffungsvorgangs angemessen sind. Hier wird der europäische Gesetzgeber sogar überraschend deutlich, da besondere Instrumente, Dateiformate oder spezielle Bürogeräte (wörtlich werden Großformatdrucker erwähnt), aber auch physische Modelle explizit einer weiteren Prüfung durch den öffentlichen Auftraggeber unterworfen werden, da deren Verwendung immer angemessen sein muss. Für diese Fälle gilt dann wiederum eine Öffnungsklausel, wonach vom Grundsatz der Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel abgewichen werden darf. Damit lässt der ErwG. 53 aber auch einen wichtigen Umkehrschluss zu, nämlich, dass der Grundsatz der Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel einen generellen Grundsatz mit Ausnahmemöglichkeit darstellt. Diese Ausnahme erlaubt dann für die technisch schwierigen oder nicht angemessenen Teile dieser Verfahren, und nur für diese und nicht das gesamte Verfahren, ein Ausweichen auf den Postweg.70
Der ErwG. 54 wiederum gestattet ein Abweichen von der verpflichtenden elektronischen Kommunikation, aber nur soweit dies zum Schutz besonders sensibler Informationen erforderlich ist. Allerdings sollte als Ausnahme von der Ausnahme zunächst auf nicht allgemein verfügbare elektronische Mittel (der Richtlinientext nennt an dieser Stelle spezielle Kommunikationskanäle als Beispiel) zurückgegriffen werden, wenn damit ein entsprechendes Schutzniveau erreicht wird.
Die ErwG. 55 und 56 haben unterschiedliche technische Verfahren und Standards innerhalb des gemeinsamen Wirtschaftsraums und deren nachteilige Auswirkungen auf die elektronische Kommunikation zum Gegenstand. Entsprechend des ErwG. 55 hat der europäische Gesetzgeber befürchtet, dass unterschiedliche technische Formate oder Verfahren sowie Nachrichtenstandards Hindernisse für die Interoperabilität insbesondere zwischen den Mitgliedstaaten bereiten können. Unterschiedliche Formate würden somit bewirken, dass bei einer fehlenden einheitlichen Struktur Wirtschaftsteilnehmer improvisieren müssen und durch den Mehraufwand Effizienz verloren gehen kann. Der ErwG. 56 wiederum schafft für die im vorhergehenden ErwG. geforderten Formate eine Verhandlungsbasis. Danach sollte die Kommission Erfahrungen aus der Praxis berücksichtigen. Zudem soll ein einheitlicher Standard unter Berücksichtigung der verbundenen Kosten festgelegt werden.
Im ErwG. 57 wird das Sicherheitsniveau für die elektronischen Kommunikationsmittel thematisiert. Das angemessene Niveau wird von der Notwendigkeit, eine ordnungsgemäße Identifizierung eines Unternehmens sicherzustellen und die Vermeidung, Mitteilungen an einen anderen als den tatsächlichen Adressaten zu versenden, definiert.
2. Vorgaben aus dem Richtlinientext
Neben diesen Leitlinien sind dem Richtlinientext noch weitere Ausführungen zur eVergabe zu entnehmen. Diese sind in der Richtlinie über mehrere Stellen verteilt und finden sich in Art. 22 RL 2014/24/EU, dem Anhang IV der RL 2014/24/EU sowie Art. 35 RL 2014/24/EU und Art. 36 RL 2014/24/EU. Dabei betreffen Art. 35 RL 2014/24/EU und Art. 36 RL 2014/24/EU jedoch Sonderfälle zur eVergabe, nämlich die elektronische Auktion und den elektronischen Katalog.
a) Inhalt des Art. 22 RL 2014/24/EU
Wichtige Eckpunkte der eVergabe werden in Art. 22 RL 2014/24/EU umrissen, der von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verlangt, die eVergabe (also die Kommunikation und den Informationsaustausch mittels elektronischer Mittel) grundsätzlich zu gewährleisten.71 Dazu wiederholt Art. 22 die Anforderungen des ErwG. 53, in dem postuliert wird, dass die in der eVergabe zugrunde gelegte elektronischen Kommunikation verwendeten technischen Einrichtungen nichtdiskriminierend, allgemein verfügbar sowie mit den gängigen Produkten der Informationstechnologie kompatibel sein müssen und dabei zugleich den Zugang von Marktteilnehmern zu Vergabeverfahren in keiner Weise beschränken dürfen.
aa) Ausnahme von der verpflichtenden elektronischen Kommunikation
Allerdings wiederholt Art. 22 RL 2014/24/EU auch die Freistellung von der grundsätzlichen eVergabe, da insoweit eine elektronische Kommunikation nicht verpflichtend notwendig ist, soweit aufgrund einer besonderen Auftragsvergabe u.a. eine elektronische Kommunikation aufgrund spezifischer, nicht allgemein zugänglicher Instrumente, Vorrichtungen oder Dateiformate nicht sachdienlich erscheint. Selbiges gilt für Anwendungen, die entweder nicht verarbeitet werden