Florian Scholz

Kirchliches Arbeitsrecht in Europa


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kann auch nicht der Auffassung gefolgt werden, eine kirchliche Aktivität ökonomischer Prägung – obgleich karitativer Natur – sei vom Schutzbereich des Art. 17 Abs. 1 AEUV grundsätzlich nicht mehr umfasst.203 Vielmehr ist diese Ansicht als Relikt des überkommenen Ansatzes zu verstehen, dass die Kirchen insbesondere auf europäischer Ebene lange Zeit nur „im säkularen Gehäuse ihres Handelns“204 wahrgenommen wurden und dabei unberücksichtigt blieb, dass sie insofern auch glaubensverkündigend tätig werden können. Gerade diese „kirchenblinde“ Perspektive ist es aber, die durch Art. 17 Abs. 1 AEUV korrigiert werden soll. Andernfalls bliebe ein ganz wesentlicher Teil des spezifischen deutschen Schutzes kirchlichen Wirkens sowie ihres Selbstverständnisses und damit ihr spezifischer nationaler Status unberücksichtigt.205 Der „Kirchenartikel“ erfasst nämlich gerade auch diejenigen staatskirchenrechtlichen materiellen Rechtspositionen, die sich in vermeintlich religionsneutralen Bereichen auswirken und kann insofern auch insbesondere das Arbeitsrecht umfassen.206

      (2) „Achten“ und „Nichtbeeinträchtigen“

      c) Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG

      Durch Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie wird den Mitgliedstaaten darüber hinaus eröffnet, weitergehende Rechtfertigungsmöglichkeiten für kirchliche Arbeitgeber umzusetzen. Dies veranschaulicht, dass der Rat bei ihrem Erlass keinesfalls „kirchenblind“ vorgegangen ist:

      „Die Mitgliedstaaten können in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, Bestimmungen in ihren zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie geltenden Rechtsvorschriften beibehalten oder in künftigen Rechtsvorschriften Bestimmungen vorsehen, die zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie bestehende einzelstaatliche Gepflogenheiten widerspiegeln und wonach eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung einer Person keine Diskriminierung darstellt, wenn die Religion oder die Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Eine solche Ungleichbehandlung muss die verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Grundsätze der Mitgliedstaaten sowie die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachten und rechtfertigt keine Diskriminierung aus einem anderen Grund. Sofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im übrigen eingehalten werden, können die Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, im Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften von den für sie arbeitenden Personen verlangen, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation verhalten.“