Michael Sachs

Verfassungsprozessrecht


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WRV Weimarer Reichsverfassung z.B. zum Beispiel ZPO Zivilprozessordnung z.T. zum Teil

       [Zum Inhalt]

      |1|1. Teil: Gerichtsverfassung und allgemeine Verfahrensregeln

      |2|A. Einführung

      I. Rechtsgrundlagen

      1Die für das BVerfG und seine Tätigkeit maßgeblichen Rechtsgrundlagen finden sich vor allem im Grundgesetz (GG), im Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) sowie in der Geschäftsordnung des BVerfG (GOBVerfG).

      1. Vorgaben des Grundgesetzes selbst

      2Die zentral bedeutsamen Aussagen zum BVerfG und zu seiner Tätigkeit enthält das Grundgesetz selbst. Sie beschränken sich allerdings auf knappe Grundsätze, die durch gesetzliche Regelungen ergänzt werden müssen. Dabei kann es vorkommen, dass eine gesetzliche Regelung den bereits im Grundgesetz getroffenen Festlegungen widerspricht. In einem solchen Fall ist nach dem Vorrang der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) allein die grundgesetzliche Regelung maßgeblich. Soweit sie den verfassungsrechtlichen Vorgaben widersprechen, sind gesetzliche Vorschriften grundsätzlich nichtig (aber → Rn. 163ff.), wenn nicht eine vorrangig gebotene verfassungskonforme Auslegung möglich ist.

      Beispiel: In § 63 BVerfGG wird der Kreis möglicher Antragsteller und Antragsgegner ausdrücklich („nur“) durch eine abschließende Aufzählung festgelegt, die in unterschiedlicher Hinsicht hinter den in diesem Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG möglicherweise Beteiligten zurückbleibt (näher → Rn. 299ff.). Das BVerfG erkennt in diesem Rahmen auch Beteiligte des Organstreitverfahrens an, die von der Aufzählung des § 63 BVerfGG nicht erfasst sind. Eine förmliche Teil-Nichtigerklärung des § 63 BVerfGG, der selbst nicht Prüfungsgegenstand eines Normenkontrollverfahrens war, im Hinblick auf das „nur“ ist nicht erfolgt. Vgl. für weitere Fälle → Rn. 126ff. (129), 389, 456f.

      3Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Organisation des BVerfG finden sich vor allem in Art. 92 und 94 GG. Nach Art. 92 Hs. 2 GG wird die rechtsprechende Gewalt, die nach Hs. 1 des Artikels den Richtern anvertraut ist, u.a. durch das BVerfG ausgeübt. Mit dieser Zuordnung zur rechtsprechenden Gewalt im Rahmen der Gewaltenteilung trifft das Grundgesetz eine entscheidend wichtige Festlegung zur Qualität der Tätigkeit des BVerfG, die dadurch den besonderen Bindungen jeder rechtsprechenden Gewalt unterworfen wird. Vor allem bedeutet dies, dass die Entscheidungen des BVerfG stets in der Bindung an das Verfassungsrecht zu treffen sind und nicht etwa seinem politischen Gestaltungswillen überlassen bleiben. Im Zusammenspiel mit Art. 92 Hs. 1 GG wird auch deutlich, dass die Amtswalter des BVerfG, wie die aller anderen Gerichte, Richter sind. Dies hat vor allem zur Konsequenz|3|, dass die Garantien der Unabhängigkeit des Richters in sachlicher wie in persönlicher Richtung eingreifen (Art. 97 Abs. 1 und 2 GG). Art. 94 GG bezieht sich speziell auf das BVerfG und legt wichtige Grundzüge seiner Organisation fest, die im Übrigen in Art. 94 Abs. 2 Satz 1 GG ebenso wie Fragen des Verfahrens und der Entscheidungswirkungen bundesgesetzlicher Regelung überantwortet werden (→ Rn. 6).

      4Art. 93 GG enthält eine Aufzählung der dem BVerfG übertragenen Aufgaben. Art. 93 Abs. 1 GG nennt selbst in Nr. 1–4c nur einige der wichtigsten Zuständigkeiten des BVerfG. Nr. 5 verweist auf die übrigen verfassungsunmittelbar begründeten Zuständigkeiten des BVerfG, die sich an ganz unterschiedlichen Stellen des Grundgesetzes meist im Rahmen der jeweiligen Regelungszusammenhänge finden. Dies betrifft namentlich Art. 18 Satz 2, Art. 21 Abs. 2 Satz 2, Art. 41 Abs. 2, Art. 61 Abs. 1 Satz 1, Art. 98 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 Satz 3, Art. 99, Art. 100 Abs. 1–3 sowie Art. 126 GG; zu erwähnen ist auch der den Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG ergänzende Art. 84 Abs. 4 Satz 2 GG. Eine weitere Verfahrensart wurde 2006 als Absatz 2 in Art. 93 GG selbst aufgenommen. Einen raschen Überblick über alle diese Verfahren ermöglicht § 13 BVerfGG, der die Verfahrensarten grundsätzlich (aber → Rn. 110) nach der Reihenfolge ihrer Erwähnung im Grundgesetz aufzählt. Art. 93 Abs. 3 GG sieht allgemein die Möglichkeit vor, dem BVerfG durch Bundesgesetz weitere Aufgaben zuzuweisen, die nicht notwendig Rechtsprechungscharakter haben müssen.

      Beispiel: Ursprünglich war dem BVerfG gem. § 97 BVerfGG a.F. die Aufgabe übertragen, auf Ersuchen bestimmter oberster Bundesorgane Rechtsgutachten zu verfassungsrechtlichen Fragen zu erstatten. Aufgrund wenig günstiger Erfahrungen wurde diese Norm nach wenigen Jahren aufgehoben.

      5Die auf dieser Grundlage nur (einfach-) gesetzlich begründeten Zuständigkeiten des BVerfG (→ Rn. 630f.) sind heute ohne große praktische Bedeutung.

      2. Gesetz über das Bundesverfassungsgericht

      6Das in Art. 94 Abs. 2 Satz 1 GG geforderte Ausführungsgesetz ist mit dem Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12.3.1951 (BGBl. I, S. 243) ergangen. Es gilt gegenwärtig mit dem Klammerzusatz (Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.8.1993 (BGBl. I, S. 1473), die seitdem schon viele Male geändert worden ist (zuletzt durch Art. 8 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung v. 31.8.2015, BGBl. I, S. 1474).

      7Das BVerfGG gliedert sich in fünf Teile. Der I. Teil regelt in §§ 1–16 Verfassung und Zuständigkeit des BVerfG, der II. Teil enthält – neben Regelungen zur Akteneinsicht außerhalb des Verfahrens, §§ 35a–c – allgemeine Vorschriften über das verfassungsgerichtliche Verfahren (§§ 17–35), der III. Teil Bestimmungen zu den einzelnen Verfahrensarten (§§ 36–96d), die für die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen praktisch besonders wichtig sind. Der 2011 eingefügte IV. Teil behandelt in den §§ 97a–e die Verzögerungsbeschwerde. Der nunmehr V. Teil besteht aus einigen für Studium und Prüfung weniger bedeutsamen Schlussvorschriften.

      |4|3. Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts

      8Die GOBVerfG wird nach § 1 Abs. 3 BVerfGG von dessen Plenum erlassen. Die Rechtsgrundlage für diese Form der Rechtsetzung, die bei Gerichten im Allgemeinen nicht vorkommt, wird aus der besonderen Stellung des BVerfG abgeleitet, das nicht nur Gericht, sondern auch Verfassungsorgan ist (vgl. in diesem Sinne etwas versteckt § 1 Abs. 1 BVerfGG). Als solches hat das BVerfG für sich auch schon vor deren Aufnahme in das Gesetz (mit ÄndG vom 12.12.1985, BGBl. I, S. 2226) eine Geschäftsordnungsautonomie in Anspruch genommen, wie sie auch bei anderen Verfassungsorganen (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung usw.) bekannt ist. Zurzeit gilt die GOBVerfG vom 19.11.2014 (BGBl. 2015 I, S. 286; dazu näher Zuck, EuGRZ 2015, 362). Inhalt der Geschäftsordnung sind zum einen Vorschriften zur Organisation und Verwaltung des BVerfG (Teil A, §§ 1–19), daneben finden sich aber auch verfahrensergänzende Vorschriften (Teil B, §§ 20–73). Die Bestimmungen der Geschäftsordnung dürften für studentische Übungs- oder Prüfungsarbeiten kaum Bedeutung erlangen.

      II. Hilfsmittel

      1. Rechtsprechung des BVerfG

      9Von entscheidender Bedeutung für eine intensivere Beschäftigung mit dem Verfassungsprozessrecht ist in erster Linie die Rechtsprechung des BVerfG. Die wichtigsten Entscheidungen, insbesondere die der beiden Senate, aber auch des Plenums des Gerichts, finden sich in der sog. Amtlichen Sammlung (genauer: in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, zitiert: BVerfGE, bisher erschienen Bände 1–138); für wesentliche Entscheidungen der Kammern gibt es seit einigen Jahren eine weitere Sammlung (BVerfGK = Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts; bisher erschienen Bände 1–20). Die verschiedenen juristischen Fachzeitschriften