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Handbuch des Strafrechts


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oder Schulddimension seines Verhaltens nur in wesentlich eingeschränktem Maße übersieht.

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      Die mittelbare Täterschaft bei Benutzung Schuldunfähiger, vermindert Schuldfähiger, beim Einsatz von Kindern und Jugendlichen zur Tatbegehung, die hier gesondert behandelt wird, ist strukturell nur eine Kombination von Nötigungs- und Irrtumsherrschaft.

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      Eine mittelbare Täterschaft im Rahmen eines organisatorischen Machtapparates setzt voraus, dass der Anordnende über Befehlsgewalt verfügt, dass der Machtapparat sich von den Bindungen an das Recht gelöst hat und bei der Ausführung von Straftaten nicht auf die freie Entscheidung Einzelner angewiesen ist, sondern auf beliebig ersetzbare (fungible) Schergen zurückgreifen kann.

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      Daneben tritt als vierte Form der mittelbaren Täterschaft die nicht der Tatherrschaftslehre, sondern dem Täterbegriff der Pflichtdelikte unterliegende mittelbare Täterschaft durch Benutzung eines qualifikationslosen dolosen Ausführenden.

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      Abschließender Erwähnung bedürfen die Fälle ausgeschlossener mittelbarer Täterschaft bei absichtslos-dolosen Ausführenden, bei eigenhändigen Straftaten und das Problem des Irrtums über die Voraussetzungen mittelbarer Täterschaft.

      12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme§ 52 Mittelbare Täterschaft › C. Die Nötigungsherrschaft

C. Die Nötigungsherrschaft

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      Der einfachste Fall der Willensherrschaft kraft Nötigung ist der, dass ein Hintermann den Ausführenden durch eine Drohung nach § 35 StGB zu einer Straftat nötigt. A droht etwa dem B, er werde ihn umbringen, wenn er nicht die Kasse eines Supermarktes beraube und das Geld bei ihm abliefere. Wenn B sich der Drohung fügt, ist er entschuldigter Täter eines Raubes (§ 249 StGB), während A als mittelbarer Täter des Raubes bestraft wird.

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      Das Beispiel verdeutlicht die Struktur der Nötigungsherrschaft. Es handelt sich um einen Fall des Täters hinter dem entschuldigten Täter. Der Ausführende hat die Handlungsherrschaft (und ist damit exkulpierter unmittelbarer Täter), während der Hintermann die Willensherrschaft innehat, die seine mittelbare Täterschaft begründet. Die beiden Formen der Tatherrschaft schließen einander also nicht aus, sondern die Willensherrschaft des Veranlassers überlagert die Handlungsherrschaft des Ausführenden (des „Werkzeugs“, wie ein oft verwendeter bildlicher Ausdruck sagt).

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      Die Abgrenzung zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung folgt bei dieser Fallgruppe dem von mir schon vor mehr als 50 Jahren entwickelten Verantwortungsprinzip (genauer: dem Prinzip ausgeschlossener Verantwortung beim unmittelbar Handelnden): Die mittelbare Täterschaft beginnt da, wo die strafrechtliche Verantwortung des Ausführenden endet.[1]

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      Das hat einen guten Grund: Denn wenn der vom Hintermann ausgehende Druck so stark ist, dass der Gesetzgeber dem Betroffenen ein Standhalten nicht mehr zumutet, schiebt er durch diese Entscheidung die Verantwortung und damit die tatbestandsverwirklichende Willensherrschaft dem Hintermann zu. Das bedeutet keine durchgehende Normativierung des Tatherrschaftsbegriffs. Entscheidend ist vielmehr die tatsächlich ausgeübte Herrschaft. Aber ihre Abgrenzung von der Einflussnahme durch Anstiftung folgt – wie fast alle rechtlichen Abgrenzungen – einer gesetzlich festgelegten Regel, die sogar auf die Herrschaftsverhältnisse zurückwirkt. Denn der Genötigte wird sich dem Druck vielfach umso leichter beugen, wenn er weiß, dass er keine Strafe zu gewärtigen hat.

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      Die hier befürwortete Abgrenzung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft nach dem Verantwortungsprinzip entspricht der durchaus h.M.[2] Diese ist aber nicht unbestritten. Einige Autoren wollen auch in Fällen des Nötigungsnotstandes den Hintermann nur als Anstifter bestrafen,[3] während eine dritte Auffassung im entgegengesetzten Sinn auch bei einem Willensdruck, der keinen Nötigungsnotstand, sondern nur eine schlichte Nötigung begründet, eine mittelbare Täterschaft schon für gegeben hält.[4] Was zunächst die Befürworter einer bloßen Anstiftung des Hintermannes im Fall des Nötigungsnotstandes betrifft, so beruft Köhler sich auf der Grundlage seiner idealistischen Strafrechtskonzeption „auf die Besonderheiten des Verhaltenszusammenhanges zwischen freien Subjekten“[5]. Der Genötigte sei „in der tatbezogenen Rechtsregelanwendung … an sich selbstbestimmt, mag er sich auch in einer relativen Autonomiedifferenz zum anderen befinden“[6]; er werde daher „nicht zum bloßen Mittel gesetzt“[7]. In ähnlicher Weise beruft sich auch Noltenius[8] auf die fortbestehende Tatherrschaft des Genötigten: „Der Ausführende bleibt und begreift sich auch im Nötigungsnotstand als derjenige, dem die Rechtsverletzung als sein willentliches Werk zuzurechnen ist.“

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      Daran ist richtig, dass dem Genötigten die Handlungsherrschaft verbleibt. Das ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber auf Grund der auch von Köhler zugestandenen „Autonomiedifferenz“ das Geschehen nicht dem Genötigten, sondern dem Hintermann als Straftat zurechnet. Bei Annahme einer Anstiftung würde ein verantwortlicher Täter überhaupt fehlen. Das widerstreitet dem eindeutigen Befund, dass der Hintermann die beherrschende Zentralgestalt des Geschehens ist.

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      Allein die Annahme einer mittelbaren Täterschaft entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. In der Begründung des E 1962[9], auf den die heutige Gesetzesfassung zurückgeht, heißt es ausdrücklich, dass mittelbare Täterschaft vorliege, „wenn der Täter durch eine … in einer entschuldigenden Notstandslage handelnde Person … eine Straftat begeht“. Eine frühere Gesetzesfassung,[10] in der die Schuldlosigkeit des Tatmittlers als Fall der mittelbaren Täterschaft genannt wurde, ist nur deshalb nicht Gesetz geworden, weil der Gesetzgeber auch die Möglichkeit einer mittelbaren Täterschaft trotz „vollverantwortlichen Tatmittlers“ offenhalten wollte.[11] Die Annahme einer bloßen Anstiftung verstößt also gegen den eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Das gilt auch gegenüber der These von Noltenius, wonach der Ausführende auch im Nötigungsnotstand derjenige bleibe, „dem die Rechtsverletzung als sein willentliches Werk zuzurechnen ist“. Denn die „Rechtsverletzung“ wird ihm vom Gesetz – und darauf allein kommt es an – gerade nicht zugerechnet![12]

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      Häufiger vertreten wird die extreme Gegenauffassung, nach der auch Willensbeeinflussungen unterhalb der Grenze des Nötigungsnotstandes eine mittelbare Täterschaft begründen können. Schroeder[13] will schon im „Grenzbereich der Entschuldigungsgründe“ eine mittelbare Täterschaft annehmen. Maurach/Gössel[14] bejahen eine Tatherrschaft des Hintermannes bei „psychischer Beherrschung des strafbaren Tatmittlers“, z.B. in dem Fall, dass jemand eine ihm hörige Frau durch die Drohung, sie sonst zu verlassen, zur Tötung ihres Ehemanns bestimmt. Schild[15] meint, dass „auch z.B. schwerwiegende Bedrohung des Vermögens, der Ehre, des Hausrechts usw. ausreichenden Druck erzeugen könnten, wenn sie der Hintermann gezielt und erfolgreich zur Lenkung des Genötigten einsetzt“. Hoyer[16] betont: „Der Hintermann muss … entweder Gewalt angewendet oder mit einem empfindlichen Übel gedroht haben; die dadurch hervorgerufene Zwangslage braucht aber weder den Voraussetzungen des § 20 noch denen des § 35 zu genügen.“ Frister[17] schließlich zieht eine Parallele