Klaus Krebs

Internationales Privatrecht


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      Aufgabe des IPR ist es nicht, die Antwort auf die Rechtsfrage in der Sache zu liefern (im Beispiel Rn. 2: Ist dem Scheidungsantrag zu entsprechen?), sondern die vorgelagerte Frage zu klären, welches Sachrecht (z.B. deutsches BGB, französischer Code Civil, italienischer Codice Civile etc.) zur Ermittlung des Ergebnisses überhaupt heranzuziehen ist.

      Beispiel

      Wenn anders als im obigen Beispiel (Rn. 2) F und E nicht deutsche sondern französische Staatsangehörige sind, wird sich das deutsche Gericht aufgrund des jetzt bestehenden Auslandsbezugs zunächst die Frage stellen, ob es das BGB oder den französischen Code Civile anzuwenden hat. Allein darüber entscheidet das IPR.

      Wie das vorliegende Beispiel zeigt, kann diese „Vorentscheidung“ das Gesamtergebnis durchaus beeinflussen: Im französischen Familienrecht ist der Scheidungsantrag im Unterschied zu § 1566 BGB an keine Frist des Getrenntlebens gebunden, sodass das Gericht dem Scheidungsantrag der F anders als im obigen Beispiel (Rn. 2) entsprechen müsste, wenn französisches Scheidungsrecht anwendbar wäre.

      Anmerkungen

       [1]

      Zitiert nach Spiegel Online vom 8.10.2010, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/familien-und-erbrechtsfaelle-deutsche-gerichte-wenden-scharia-an-a-722220.html (Abruf hier und im Folgenden jeweils vom 10.8.2018).

       [2]

      Verletzt das deutsche Gericht seine Pflicht aus § 293 ZPO zur Ermittlung ausländischen Rechts, kann diese Rechtsverletzung mit dem Rechtsmittel der Revision als Verfahrensrüge geltend gemacht werden (vgl. BGH NJW 2014, 1244 sowie BGH NJW 1992, 2026, 2029). Die fehlerhafte Anwendung ausländischen Rechts ist hingegen nicht revisibel nach § 545 Abs. 1 ZPO (siehe BGH JZ 2014, 102 = NJW 2013, 3656 m. Anm. Riehm JZ 2014, 73 sowie Roth NJW 2014, 1224).

       [3]

      Vgl. nur Kadner Graziano AD LEGENDUM 2013, 136, 138 f.

       [4]

      Vgl. Kadner Graziano AD LEGENDUM 2013, 136, 143.

      1. Teil Einführung und Überblick › C. Ziele des IPR

      4

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      Das dem Ideal der Gerechtigkeit verpflichtete „Prinzip der engsten Verbindung“ ist jedoch in hohem Maße unbestimmt. Es geht auf Kosten eines anderen Idealziels: Dem der Rechtssicherheit, das für berechenbare Entscheidungen feste Regeln fordert. Um beiden Idealzielen möglichst nahe zu kommen, folgen internationalprivatrechtliche Vorschriften (Kollisionsnormen) einer Mischung aus festen Regeln und dem flexiblen „Prinzip der engsten Verbindung“.

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      Anmerkungen

       [1]

      Kropholler IPR § 4 I S. 24.

       [2]

      Sendmeyer JURA 2011, 588, 589.

      1. Teil Einführung und Überblick › D. Systematik des inländischen IPR

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      Anmerkungen

       [1]

       Artikel ohne Gesetzesbezeichnung sind im Folgenden solche des EGBGB.

       [2]

      Der europäische Gesetzgeber ist zwar bereits auf zahlreichen Gebieten des IPR tätig geworden; einen allgemeinen Teil hat er für das europäische IPR aber bislang nicht erlassen. Ausführlich zur Erforderlichkeit eines solchen allgemeinen Teils (plastisch als „Rom 0-VO“ bezeichnet) Kieninger IPRax 2017, 200, 205 ff.; Leible in: FS Martiny 2014, 429 ff.; Hinweise zu einem Normierungsvorschlag finden sich in Mansel/Thorn/Wagner IPRax 2013, 1, 2.

      1. Teil Einführung und Überblick › E. Historische Entwicklung