Klaus Ulsenheimer

Arztstrafrecht in der Praxis


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nicht gleichzeitig der zivilrechtliche Klageweg beschritten oder ein Strafverfahren angestoßen werden.

       [12]

      Dass diese Schätzung nicht übertrieben ist, zeigt auch folgende Überlegung: Wenn allein im Landgerichtsbezirk Köln mit etwas über eine Mio. Einwohnern mehr als 300 derartige Ermittlungsverfahren bearbeitet werden, dann würden – bei etwa gleicher Deliktshäufigkeit – allein die Staatsanwaltschaften der Großstädte mit über 500.000 Einwohnern zu einer Gesamtzahl von 4.200 Ermittlungsverfahren wegen ärztlicher Behandlungs-, Aufklärungs- und Organisationsfehler beitragen.

       [13]

      Deutlich höher liegt die Schätzung von Krumpazky/Sethe/Selbmann mit „etwa 20 bis 30 Ermittlungsverfahren pro 1000 Ärzte und Jahr“ – VersR 1997, 425 –, da bei etwa 300.000 berufstätigen Ärzten sich daraus rechnerisch 6.000 bis 9.000 Strafverfahren ergäben. Zum Zahlenmaterial s. auch Althoff/Solbach ZS für Rechtsmedizin 1993 (1984) 273; Figgener Arzt und Strafrecht – Begutachtung von ärztlichen Sorgfaltspflichtverletzungen („Kunstfehlern“), Erfahrungen und Ergebnisse aus 10 Jahren (1968–1977), 1981; Högermeyer Ärztliche Kunstfehler – Ein Beitrag aus der Gutachterpraxis des Institutes für Gerichtliche Medizin der Universität Tübingen, 1991; Jahn/Kümper MedR 1993, 413; Kuon Ärztliche Kunstfehler in der Gutachtenpraxis des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität Tübingen, 1985; Mallach Über ärztliche Kunstfehler in der Praxis des niedergelassenen Arztes, Schriftenreihe der Bezirksärztekammer Süd-Württemberg, Bd. 5, 1985; Solbach Arztstrafrechtliche Ermittlungsverfahren in Aachen, 1985; Reichenbach Typische Behandlungsfehler in der Praxis des niedergelassenen Arztes aus der Sicht des Chefarztes der Allianz-Versicherung, Schriftenreihe der Bezirksärztekammer Süd-Württemberg, Bd. 5, 1985; Orben Arzthaftung für Behandlungsfehler, 2002; Peters Der strafrechtliche Arzthaftungsprozess, 2000; Müller DRiZ 1998, 155 ff.; Pflüger Krankenhaushaftung und Organisationsverschulden, 2002.

       [14]

      Dazu Gaede in: AG Medizinrecht im DAV/IMR (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen im Medizinstrafrecht, 2018, S. 11, 15 f.

       [15]

      Die Süddeutsche Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 8.5.2007, S. 8, die gesetzlichen Krankenkassen hätten etwa 15.300 Fälle von Abrechnungsbetrug und Korruption im Gesundheitswesen verfolgt. Weitere Nachweise siehe Kapitel 1 Teil 13 I und Teil 14 I sowie Laufs/Kern/Rehborn/Ulsenheimer § 161 Rn. 1 ff. und § 162 Rn. 1 ff. Siehe allerdings zum bisher offensichtlich eher vorsichtigen Umgang mit den §§ 299a, 299b Gaede medstra 2018, 264, 265.

       [16]

      So existieren formelle Schwerpunktstaatsanwaltschaften in Bayern (München, Hof und Nürnberg), in Hessen (GenStA Frankfurt am Main), Thüringen (Meiningen) und Schleswig-Holstein (Lübeck), wobei der Abrechnungsbetrug im Vordergrund steht. In weiteren Bundesländern existieren spezielle Kommissariate zur Verfolgung von Vermögensdelikten im Gesundheitswesen, so in Berlin, Bremen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und im Saarland. Siehe ferner Nds.LT-Drucks. 18/3557 (neu), S. 3 f. und zum Zusammenhang Bausback in: Kubiciel/Hoven (Hrsg.), Korruption im Gesundheitswesen, 2016, S. 33, 41.

       [17]

      Dabei dürften die niedergelassenen Ärzte bisher weit weniger betroffen sein als der Krankenhausbereich, s. Scheppokat/Neu VersR 2002, 398: 730 von 2.430 Verfahren betrafen den niedergelassenen Arzt, der Rest den Krankenhausbereich.

       [18]

      Oberstaatsanwalt Badle FAZ vom 12.10.2011, S. 21; ders. medstra 2015, 1 f. Siehe dazu auch Ulsenheimer in: FS Steinhilper, 2013, S. 225 ff. Die gegen Badle erhobenen Vorwürfe entkräften die geltend gemachten sachlichen Gesichtspunkte dabei allein nicht.

       [19]

      Wohlers/Kudlich ZStW 119 (2007), 361, 375 (allerdings im Konkreten erwägend); zur Vorsicht mahnend auch Gaede medstra 2018, 264, 265 ff., 270 ff. Siehe allerdings zur Korruption deutlich anderen Sinnes etwa Fischer medstra 2015, 1 f.

       [20]

      Deutsch Arztrecht und Arzneimittelrecht, 1983, S. 125; Krümpelmann GA 1984, 493; Lilie/Orben Zur Verfahrenswirklichkeit des Arztstrafrechts, ZRP 2002, 156 ff.

       [21]

      S. dazu Peters MedR 2003, 219 f.; Ulrich ÄRP 1985, 386; Ulsenheimer MedR 1987, 208; s. dazu eingehend Lilie/Orben ZRP 2002, 154 ff.; Peters Der strafrechtliche Arzthaftungsprozess, 2000 mit vielen Detailangaben und einer Auswertung von 194 Verfahren zwischen 1992 und 1996. Im Jahr 2009 wurden 32 % der Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt (NJW Aktuell 13/2011, S. 10).

       [22]

      Laufs NJW 1990, 1505; die Anzahl der in den Krankenhäusern acht Tage stationär behandelten Fälle betrug 2016 knapp 19 Mio. (davon 7,1 Mio. Operationen), die Zahl der Krankenhausärzte im Jahr 2018 202.087. 75,5 % aller von den Schlichtungsstellen überprüften Fälle betrafen Kliniken, 24,5 % den ambulanten Bereich (Beerheide DÄBl. 2018, A 628).

       [23]

      Näher, auch über das Gesundheitswesen hinaus, Gaede ZStW 129 (2017), 911, 912 ff.

       [24]

      LAG Hessen Urt. v. 5.12.2011 – 7 Sa 524/11.

       [25]

      Vgl. Ulsenheimer In den Mühlen der Justiz, Der Anästhesist 2004, 1001 ff.; StA Gießen 701 Js 26456/03; StA Krefeld 3 Js 61/06; CHAZ 2005, 7.

       [26]

      Positives Gegenbeispiel hingegen bei Badle medstra 2015, 2 f. Siehe im Übrigen wieder Fn. 18.

       [27]

      Zur belastenden Wirkung gerade der Hauptverhandlung, in welcher der Angeklagte de lege lata anwesend sein muss Gaede ZStW 129 (2017), 911, 913 f., 917 ff.

       [28]

      BGH NJW 1977, 1103.

       [29]

      Schwarz Der Gerichtssaal 106 (1935), 36; Gaede ZStW 129 (2017), 911, 912 ff.; vgl. BGH NStZ 1996, 34 f.

       [30]

      Siehe Rn. 2047.

       [31]

      Siehe