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Polizei.Wissen


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auf der Dissertation von Schöne (2011).

      Polizeiausbildung durch und mit Sozialwissenschaft. Einige erfahrungsbasierte Reflektionen und Überlegungen

      Die folgenden Überlegungen beschäftigen sich mit den Herausforderungen der Lehre der Sozialwissenschaften im Rahmen der Polizeiausbildung. Sie basieren auf den Erfahrungen des Autors sowie dem Austausch mit anderen Lehrenden, können insofern also keine Objektivität beanspruchen, hoffentlich aber eine gewisse Plausibilität jenseits der singulären Erfahrungen des Autors. Getragen werden die Ausführungen von einer soziologischen Perspektive, mit der zwei Ziele verbunden sind. Zunächst soll es um die Rekonstruktion einiger Problemlagen gehen. Diese Rekonstruktion setzt einerseits am Verhältnis der Sozialwissenschaften zu klassischen juralastigen Ausbildungsinhalten, andererseits an der curricularen Verankerung der sozialwissenschaftlichen Lehre an. Darauf aufbauend sollen einige Vorschläge zur Diskussion gestellt werden, wie eine bessere Integration der Sozialwissenschaften in die Ausbildung gelingen könnte.

      Angesichts einer rapiden zunehmenden gesellschaftlichen Komplexität gewinnt sozialwissenschaftliches Wissen um eben jene Gesellschaft auch in der polizeilichen Ausbildung an immer höherer Relevanz. Die zunehmende Aufhängung der polizeilichen Ausbildung an Fachhochschulen und der damit einhergehende Wandel von einer beruflichen zu einer hochschulischen Ausbildung, ermöglichen es, dieser Relevanz in der Ausbildung gerecht zu werden. Gleichzeitig sehen sich die sozialwissenschaftlichen Fächer jedoch im Vergleich zu den klassischen und stark rechts- und handlungsorientieren Ausbildungsinhalten wie Eingriffsrecht und Eingriffslehre zentralen Herausforderungen gegenüber.

       Eindeutigkeit und Ambivalenz

       „Wenig überraschend trägt der Versuch, den Ambivalenzen des sozialwissenschaftlichen Gegenstandsbereiches in der Lehre Rechnung zu tragen zur Vorstellung bei, es handele sich bei entsprechenden Fächern um ’Laberfächer’“.

      Wenig überraschend trägt der Versuch, diesen Ambivalenzen des sozialwissenschaftlichen Gegenstandsbereiches in der Lehre Rechnung zu tragen, zur Vorstellung bei, es handele sich bei entsprechenden Fächern um „Laberfächer“. Dieser Eindruck wird zudem durch oft durch Prüfungen in diesen Fächern befördert, ist doch ein ambivalenter Gegenstandsbereich, der verschiedene Interpretationen trägt, dankbarer als eine scharf in richtig und falsch differenzierte Klausur. Darum scheint oft der Eindruck vorzuherrschen, sozialwissenschaftliche Prüfungen seien laxer als bspw. benachbarte Rechtsklausuren. Dieser Eindruck kann erfahrungsgemäß Relevanzunterstellungen beeinflussen: was nicht gut eindeutig geprüft werden kann, ist weniger relevant als eindeutig prüfbare Inhalte.

       Anwendungs-/ Praxisrelevanz

      Sozialwissenschaftliche Fächer entziehen sich aber nicht nur einer mehr oder minder eindeutigen richtig-falsch Codierung, sondern thematisieren Bereiche, die von den Auszubildenden oft nicht als zur praktischen Polizeiarbeit dazugehörig empfunden werden. Dies führt häufig zu der Wahrnehmung, dass hier nicht nur wachsweiche Inhalte vermittelt werden, sondern diese Inhalte darüber hinaus bestenfalls marginale Relevanz für die spätere Ausübung des Polizeiberufes haben. Wer zu Beginn bspw. eines Politikwissenschaftskurses die Studierenden fragt, inwiefern sie denken, dass Politikwissenschaft für sie beruflich relevant wird, wird oft einer lebhaften Illustration dieses Punktes ansichtig. Damit ist im Übrigen keineswegs behauptet, die Studierenden verstünden nicht, wozu Politikwissenschaft dient; lediglich, dass sie die Praxisrelevanz dieses Faches gering einschätzen.

       Fächerhierarchie

      Viele der genannten Probleme rund um die sozialwissenschaftliche Lehre bei der Polizei haben wahrscheinlich auch damit zu tun, dass Fächer wie Politikwissenschaft oder Soziologie im Rahmen der Polizeiausbildung Nebenfächern sind. Insofern haben diese Fächer einen doppelt erschwerten Stand: sie müssen mit den beschriebenen Problemlagen umgehen und sind zugleich strukturell in der Wahrnehmung der Studierenden niedrig verankert. Die meisten Lehrenden sind wohl mit Studierenden vertraut, die dieser Wahrnehmung mit offensiv formulierten Forderungen nach weniger Aufwand für die in ihrer Wahrnehmung bestenfalls ergänzenden Nebenfächer Ausdruck verleihen.

       „Für die Lehrenden führt die Frage nach der Brauchbarkeit sozialwissenschaftlicher Fächer zu einer Zwickmühle: Einerseits ein Humboldt’sches Bildungsideal, andererseits die mögliche Aussage, dass gefälligst gelernt wird, was im Rahmenlehrplan steht.“

       Curriculare Ausgestaltung

      Mit derlei Forderungen umzugehen, stellt nicht nur unter idealen Bedingungen eine Herausforderung dar, sondern wird häufig auch dadurch erschwert, dass die Anpassung der sozialwissenschaftlichen an den polizeilichen Ausbildungskontext verbessert werden könnte. Häufig sehen diese Rahmenlehrpläne eine nied rigschwellige Einführung im Korsett geringer Stundenzahlen vor, was angesichts der potenziellen Theorie- und Themenvielfalt der jeweiligen Fächer ein herausforderndes Unterfangen ist. Für die Lehrenden verschärft dies die Frage, wie mit Kritik an der Brauchbarkeit der entsprechenden Inhalte umzugehen ist – zumindest wenn man nicht einerseits ein Humboldt’sches Bildungsideal ins Feld führen, andererseits aber auch auf autoritäre Aussagen dergestalt verzichten möchte, dass gefälligst gelernt wird, was im Rahmenlehrplan steht.

       Fazit

      Auf Grundlage der bisherigen Darstellungen lassen sich einige Überlegungen anstellen, wie die genannten Herausforderungen entschärft werden könnten. Das Ziel dieser Bestrebungen sollte dabei darin liegen, Gegensätze abzubauen. Zunächst gilt dies sicherlich für den Gegensatz zwischen Sozialwissenschaften und insbesondere rechtlichen Ausbildungsfächern. Anstatt Streit über die Sinnhaftigkeit einzelner Fächer in der Polizeiausbildung über die Öffentlichkeit der Polizeiklassen auszutragen, was immer wieder zu beobachten ist und ohne Zweifel zur Verhärtung der Fronten beiträgt, könnte man über interdisziplinäre Sitzungen nachdenken. Diese könnten das Ziel verfolgen, sich gegenseitig ergänzende Blickwinkel auf ein Thema aufzeigen. Warum also Fälle der Polizeigeschichte nicht rechtlich und soziologisch beleuchten – denkbar u.a. am Beispiel der Änderungen polizeilicher Taktiken als Antwort auf die 1968er Proteste. Aktuellere Beispiele ließen sich bei Bedarf ebenfalls problemlos finden. Das Spektrum reicht von der Frage wie weit Polizei bei Kindesentführungen