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Polizei.Wissen


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Interessen und ihr Ringen um die feldspezifischen (Macht-)Positionen das Koordinatensystem des Feldes beständig neu und verändern die sozialen Praxen (vgl. analog Bourdieu/Wacquant, 1996, S. 128ff.). Ob es im Zuge sozialen Wandels zu ungewöhnlichen Autoritätsverlusten gegenüber dem Feld Polizei kommt, ist gegenwärtig wissenschaftlich nicht belegt. Generell ist das polizeiliche Postulat des Autoritätsverlustes eine erwartbare affektive Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse. In der Gesellschaft übernimmt die Polizei die Aufgaben des Bewahrens, sie ist die Museumswärterin der Demokratie, die gefahrenabwehrend und strafverfolgend den Status Quo konserviert. Dies prägt den Habitus der FeldakteurInnen. Und macht die Reflexe der Abwehr und Selbstbehauptung im Allgemeinen erwartbar und im Speziellen umso wahrscheinlicher, je geringer die Frustrationstoleranz und Veränderungsbereitschaft der AkteurInnen ausgeprägt ist. Die polizeiliche Ausübung und Sicherung symbolischer Macht kann unter diesen spannungsgeladenen Bedingungen partiell zum Selbstzweck geraten und sich Überlegungen des Zeitgemäßen, des Verhältnismäßigkeitsprinzips und damit des Rechtmäßigen entziehen. Oder anders: In der an Recht und Gesetz gebundenen bürokratischen Institution Polizei werden in Folge einer durch sozialen Wandel ausgelösten Ziel-Mittel-Diskrepanz Schlupflöcher gesucht und gefunden, um auch jenseits formaler Regeln oder im rechtlichen Graubereich die originären Organisationsziele effektiv, effizient und vor allem in gewohnten Routinen zu erreichen. Hierin liegt sozialer wie gesellschaftlicher Konfliktstoff. Das Feld Polizei sollte vor dem Hintergrund der Fragilität seiner symbolischen Macht ein vitales Interesse an kritischer gesellschaftlicher Begleitung und der damit verbundenen Transparenz und Konfliktfähigkeit haben. Und diese aktiv fördern. Es sollte zum Selbstverständnis werden, dass die Polizei als Institution des Gewaltmonopols nicht nur ein Recht darauf hat, zu kontrollieren. Sondern auch darauf, kontrolliert zu werden.

       „Generell ist das polizeiliche Postulat des Autoritätsverlustes aus unserer Sicht eine erwartbare affektive Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse.“

       Literatur:

      Bergmann (1953): Ist der polizeiliche Dienst heute schwerer als früher?

      Behr (2000): Cop Culture.

      Behr (2006): Polizeikultur.

      Bourdieu (1993): Sozialer Sinn.

      Bourdieu/Wacquant (1996): Reflexive Anthropologie.

      Bourdieu (1997): Eine sanfte Gewalt. Pierre Bourdieu im Gespräch

      Bourdieu (1998): Praktische Vernunft.

      Bourdieu (2001): Die Regeln der Kunst.

      Bourdieu (2004): Der Staatsadel.

      Bourdieu (2005): Die männliche Herrschaft.

      Goffman (2000): Wir alle spielen Theater.

      Herrnkind (2021): Cop Culture meets Bourdieu.

      Jacobs/Keegan/Christe-Zeyse (2007): Eine Organisation begegnet sich selbst.

      Mensching (2008): Gelebte Hierarchien.

      Schöne (2001): Pierre Bourdieu und das Feld Polizei.

      Martin Herrnkind ist Dozent für Kriminologie und Politikwissenschaften an der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Altenholz.

      Doing Authority – Polizist*innen als Autoritäten durch Beziehungsarbeit

       Was ist Autorität?

      Bereits Sofsky & Paris (1991) wiesen darauf hin, dass Autorität immer ein zugeschriebenes Prädikat ist: „Autoritäten sind Autoritäten durch andere.“ (ebenda, S. 20). Die beiden Autoren bezeichnen Autorität als „anerkannte, geachtete Macht, die zugleich bewundert und gefürchtet wird“ (ebenda, S. 19). Aus Machtverhältnissen gehen zwar immer Autoritäten hervor, aber „nicht jedem Machthaber wird gleichzeitig Autorität attestiert“ (ebenda) und zudem ist das ‚Label‘ Autorität keineswegs an formal-hierarchische Positionen gebunden.

       „Eine soziale Beziehung, in der Autorität von Relevanz ist, lässt sich nur als ein reziprokes Verhältnis beschreiben.“

      Bereits diese kurze begriffliche Skizze verdeutlicht, dass eine soziale Beziehung, in der Autorität von Relevanz ist, sich nur als ein reziprokes Verhältnis beschreiben lässt. Mit Autorität versehene Personen (oder auch Institutionen) können also Stärke,s Klarheit in der Kommunikation bzw. im Entscheiden nur dann zeigen, wenn sie sich zugleich dessen bewusst sind, dass diese Autorität nicht einseitig eingefordert oder gar als unveränderlich gesehen werden kann. Autorität muss vielmehr als eine Form der sozialen Relation, als das Verhältnis von Autoritätsgeltung und - glaube, das sich immer wieder aktualisiert, verstanden werden.

       „Aber auch im Innenverhältnis der Organisation Polizei spielt Autorität eine wesentliche Rolle.“

      In letzter Zeit ist verstärkt von einer „neuen“ (Omer & von Schlippe 2016a, Körner et al. 2019) oder auch „horizontalen“ (Baumann-Habersack 2019) Autorität die Rede, die nicht auf Kontrolle, Sanktionierung und Machtsicherung, sondern u.a. auf Präsenz, Transparenz, Reflexion und Selbstführung der mit Autorität versehenen Führungskräfte setzt. Das Konzept der ‚neuen Autorität‘ geht dabei auf den Hochschullehrer und Psychologen Haim Omer zurück, der zunächst im Kontext elterlicher Erziehung von ‚neuer Autorität‘ sprach und einige zentrale Veröffentlichungen in diesem Kontext gemeinsam mit Arist von Schlippe (ebenfalls Hochschullehrer und Psychologe) vorgelegt hat (Omer & v. Schlippe 2016a, 2016b). Dieses Modell wird mittlerweile auch mit Blick auf die Polizei diskutiert (u.a. Weber 2020).

      Im Kontext dieses kurzen Beitrages soll im Folgenden daher die Frage verfolgt werden, was eine Fokussierung auf Autorität (in) der Polizei in den Blick nimmt und inwiefern Polizist*innen eigentlich Autorität benötigen?

       Polizist*innen benötigen in ihrem täglichen (Einsatz)handeln- sozusagen im Außenverhältnis der Organisation Polizei zuerkannte Autorität.

      Wofür benötigen Polizist*innen Autorität?

      Polizist*innen benötigen in ihrem täglichen (Einsatz)Handeln – sozusagen im Außenverhältnis der Organisation Polizei – zuerkannte Autorität insofern, dass sie als legitime Vertreter*innen des Gewaltmonopols mit ihren besonderen Befugnissen und Eingriffsoptionen akzeptiert werden müssen, gerade auch von denjenigen, gegen die sich diese Befugnisse im Einsatz richten. Polizist*innen können genau deshalb auch in bedrohlichen Situationen agieren und sich mit ihrer Situationsbearbeitung durchsetzen, weil wir als Bürger*innen an ihre Durchsetzungsfähigkeit und Kompetenz, unübersichtliche und potentiell eskalierende Situationen zu bearbeiten, glauben, weil wir auf ihre Durchsetzbarkeit und Professionalität vertrauen. Zur Professionalität gehört auch die „Kompetenzdarstellungskompetenz“, worauf Pfadenhauer (2003) hingewiesen hat, d.h. hier die sichtbare Darstellung der Polizei, Kriminalitätsphänomene professionell bearbeiten zu wollen und auch zu können, was nicht gleichbedeutend ist mit der Idee, sie auch endgültig zu lösen (vgl. Mensching 2011).

      Aber auch im Innenverhältnis der Organisation Polizei spielt Autorität eine wesentliche Rolle. Hier geht es eher um Fragen der kollegialen, fachlichen Akzeptanz, der Anerkennung von situationsspezifischen Entscheider*innen und der wechselseitigen Wertschätzung zwischen verschiedenen polizeilichen Arbeitsbereichen und Hierarchieebenen.

      Dabei ist die Anerkennung innerorganisationaler Autorität eine notwendige, jedoch keine hinreichende Voraussetzung für als authentisch wahrgenommene Wertschätzung. Die organisationsinterne Autoritätsanerkennung anderer Mitglieder kann nur im stimmigen Verhältnis zur eigenen Autoritätsanerkennung durch andere gelebt werden. Daher lassen sich